Infrastruktur für Elektroautos:Ja, wo laden Sie denn?

Feature zur Elektromobilität

Alles so schön grün hier: Ein Ladekabel für ein Elektroauto steckt auf einer Messe zu Demonstrationszwecken in einem mit Kunstrasen überzogenen VW Käfer. In der Praxis tun sich viele Besitzer von Elektrofahrzeugen noch schwer damit, ihr Gefährt mit Strom zu betanken.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Ein zentrales Register für Ladesäulen? Gibt es nicht. Eine einfache Möglichkeit zum Bezahlen? Schwieriges Thema. Bei der Elektromobilität scheitern viele Kunden schon an alltäglichen Kleinigkeiten.

Von Moritz Schnorpfeil

Bei der Elektromobilität gibt es derzeit eher geladene Fahrer als geladene Fahrzeuge. Denn der Aufbau einer nutzerfreundlichen Ladeinfrastruktur in Deutschland kommt nur schleppend voran. Im Mai hat der ADAC erstmals öffentliche Ladesäulen in Deutschland getestet. Das Fazit des Automobilklubs: "Die Infrastruktur für Elektrofahrzeuge ist komplex und unübersichtlich." E-Auto-Fahrer finden einen Flickenteppich vor, der viel Vorbereitung und Planung notwendig mache, erklärte der ADAC. Doch was genau läuft eigentlich schief?

Schon die Suche nach einer Ladesäule gestaltet sich schwierig. Denn es fehlt ein zentrales Verzeichnis für Elektro-Tankstellen. 11 000 Ladepunkte an 5400 Ladesäulen gibt es nach Angaben der Bundesnetzagentur bundesweit. Da nicht alle E-Tankstellen an die Behörde gemeldet werden, liegt der tatsächliche Wert aber deutlich höher. Navigationssysteme von BMW zeigen allein 21 000 Ladepunkte aus dem BMW-eigenen "ChargeNow"-Netzwerk. Die unabhängige App Next Plug kommt gar auf republikweit 37 000 öffentliche Ladepunkte. Wegen solcher Diskrepanzen vertrauen E-Fahrer häufig nicht auf offizielle Angaben, sondern behelfen sich mit Drittanbietern wie Next Plug. Das Kuriose: Die App wurde von einem Hobby-Programmierer aus Hannover gebaut, der selbst elektronisch fährt und mit dem bestehenden Informationsangebot unzufrieden war.

Das nächste Problem: der Zugang zur Ladesäule. Anders als bei der konventionellen Tankstelle können die Fahrer eines Elektroautos nicht einfach an der nächsten Ladesäule vorfahren und dort bar oder mit Kreditkarte bezahlen. Stattdessen kommt der von ADAC angesprochene Flickenteppich ins Spiel. Denn eine Vielzahl von Unternehmen betreibt Ladesäulen in Deutschland. Hierzu zählen überregionale Betreiber wie Innogy mit 6000 Ladepunkten, aber auch viele regionale Anbieter, vor allem die kommunalen Stadtwerke. "Es ist ein Wirrwarr von Angeboten und Zugangsmöglichkeiten entstanden", sagt Sophie Ruffing, Expertin für Elektromobilität beim Bundesverband der Verbaucherzentralen in Berlin.

Die meisten Betreiber wollen Fahrer durch eine Kunden-Ladekarte an sich binden, und nicht immer ist ersichtlich, ob man an einer Säule auch laden kann, ohne Kunde des jeweiligen Betreibers zu sein. Sogar bei jenen Betreibern, die über eine App auch Nicht-Kunden das Laden ermöglichen, kann es Probleme geben: etwa wenn Fahrer gerade mal kein mobiles Internet haben oder bei Softwareproblemen. Wegen technischer Probleme war zum Beispiel das Laden über die App der Stadtwerke München im vergangenen Monat nicht möglich. Vom Komfort einer Kreditkartenzahlung direkt an der Säule können E-Auto-Fahrer bislang nur träumen.

Auch die Ladedauer wird kritisiert, denn die ist oft vor allem eines: lang. Die Dauer des Ladevorgangs hängt von der Batteriekapazität und der Ladetechnik des Fahrzeugs ab - und von der Ladesäule. An den am stärksten verbreiteten Wechselstromsäulen beträgt die Ladeleistung bis zu 22 Kilowatt (kW), da dauert eine volle Akkuladung schon einmal zwei bis vier Stunden. Weil das für unterwegs völlig unpraktikabel ist, werden zunehmend Gleichstrom-Ladesäulen gebaut, die 50 kW und mehr leisten. Hier dauert das Aufladen immerhin weniger als eine Stunde. Dafür kann nur bis 80 Prozent Akkustand geladen werden, da die Batterien sonst überlastet werden können. "Als E-Fahrer sollten Sie unbedingt den Typ der Ladesäule kennen, die Sie ansteuern", sagt Ruffing von den Verbraucherzentralen. "Hier nicht informiert zu sein, kann einen Unterschied von mehreren Stunden machen."

An den meisten Säulen ist nicht ersichtlich, welcher Tarif gerade gilt

Schließlich noch das Thema Geld. Einige Betreiber bieten kostenloses Laden, andere kassieren von den E-Auto-Fahrern eine Pauschalgebühr je Ladevorgang. Es gibt Zeittarife oder die Abrechnung pro Kilowattstunde - wieder staunen unerfahrene Nutzer über die vielen, uneinheitlichen Lösungen. Problematisch ist das wegen der vom ADAC kritisierten "unzureichenden Kostentransparenz vor Ort". An den meisten Säulen ist nicht ersichtlich, welcher Tarif und Preis gerade gilt. Um das herauszufinden, müssen Fahrer von Elektroautos entweder ihren Vertrag genau kennen oder in der App nachschauen.

"Diesel- und Benzinfahrer sind es gewohnt, aus Hunderten Metern Entfernung genau zu sehen, was sie pro Liter bezahlen", sagt Verbraucherschützerin Ruffing. Die Situation für E-Auto-Fahrer sei deutlich intransparenter. Das mache auch den Preisvergleich schwerer, der sich gerade beim Stromtanken besonders lohnen würde: So kostet laut Berechnungen im Auftrag des Ökostromanbieters Lichtblick die Kilowattstunde ohne Vertragsbindung an den Ladesäulen von EnBW 54,5 Cent, bei den Stadtwerke München 46,7 Cent und bei Innogy 39 Cent. Zum Vergleich: Haushaltsstrom kostet weniger als 30 Cent.

Fehlender Überblick, uneinheitliche Zugänge, lange Ladezeiten, Chaos bei Bezahlmodellen und Preisen

Fehlender Überblick, uneinheitliche Zugänge, lange Ladezeiten und Chaos bei Bezahlmodellen und Preisen - "das gesamte Thema Elektromobilität ist nicht vom Kunden her gedacht", kritisiert Gero Lücking, Geschäftsführer von Lichtblick. Ähnlich lautet das Fazit von Kurt Sigl, dem Präsidenten des Bundesverbands Elektromobilität. Er sieht Versäumnisse im bisherigen Verhalten von Politik und Wirtschaft. Den Energieversorgern wirft er Investitionsscheu vor. Viele Unternehmen seien derzeit nicht bereit, die Ladeinfrastruktur auszubauen, da der Stromvertrieb über Ladesäulen erst rentabel wird, wenn die Auslastung höher ist. Solche langen Investitionsphasen seien beim Aufbau eines neuen Geschäftsmodells aber völlig normal, sagt Sigl. Der Politik kreidet er an, dass es noch immer an wichtigen gesetzlichen Regelungen fehle, zum Beispiel um Mietern und Miteigentümern das Anschaffen einer Ladestation für zu Hause zu erleichtern.

Insgesamt sei die Arbeit in der Nationalen Plattform Elektromobilität, dem zuständigen Beratungsgremium der Bundesregierung, nicht schnell genug vorangekommen. "Viele haben hier gar nicht an das Thema geglaubt oder hatten kein Interesse am Ausbau der Ladeinfrastruktur." Doch trotz all dieser Schwierigkeiten ist Sigl optimistisch. Er erinnert an die Liberalisierung des Mobilfunkmarktes vor einigen Jahren. "Auch damals gab es am Anfang Marktkämpfe und Preisdiskrepanzen." Doch mit der Zeit hätten sich die kundenfreundlichsten Angebote durchgesetzt.

Und in der Tat kommt Bewegung in das Thema. Ende August wurde ein Diskussionsentwurf aus dem Bundesjustizministerium bekannt, wonach das Einrichten einer eigenen Ladesäule für Mieter und Miteigentümer in Wohnblocks leichter werden soll - mehr als zwei Jahre nachdem der Bundesrat bereits auf solche Änderungen drängte.

Aus der Wirtschaft kommen ebenfalls Versprechungen: EnBW möchte bis 2020 im gesamten Bundesgebiet etwa 1000 Ladestandorte mit mindestens 50 kW Ladeleistung betreiben. Die großen deutschen Automobilkonzerne haben gemeinsam mit Ford das Joint Venture Inoity gegründet, das an den wichtigsten Fernstraßen Europas ein Ladenetz mit Säulen bis 350 kW Ladeleistung plant. Nach Unternehmensangaben sinkt die Standzeit dadurch auf zehn bis 30 Minuten.

Schließlich lässt auch die Fragmentierung des Marktes nach: Auf sogenannten Roaming-Plattformen vernetzen sich Ladesäulenbetreiber, um Kunden einen einheitlichen Zugang zu ihren Ladesäulen zu bieten. Die Elektromobilität in Deutschland findet also langsam neuen Antrieb.

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