Im solarbetriebenen Schiff um die Erde:Botin der Zukunft

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Zum ersten Mal hat ein solarbetriebenes Schiff die Erde umrundet und in 28 Ländern für die Sonnenenergie geworben. Treibende Kraft hinter dem Projekt ist ein Abenteurer aus der Schweiz. Doch nur dank einem besonders wohlhabenden Mäzen konnte er seinen Traum verwirklichen.

Martina Scherf

Monte Carlo ist zur Festung ausgebaut, Absperrungen überall. In wenigen Tagen beginnt der Grand Prix, die Garagen für Schumacher und Vettel sind reserviert. Doch der Held von Monaco in diesen Tagen, er heißt Raphaël Domjan - und sein Gefährt ist von ganz anderer Dimension als die Rennmaschinen der Formel 1, das ist 20. Jahrhundert, fossile Energie. Die Tûranor Planet Solar dagegen ist Botin der Zukunft. 60.000 Kilometer rund um den Globus hat sie zurückgelegt, ohne einen Tropfen Treibstoff, nur mit Sonnenstrom, gegen Wind und Wellen, in Nacht und Sturm.

Von Monaco war das Schiff im September 2010 gestartet, hierher ist es nun zurückgekehrt: Raphaël Domjan hat mit dem Solarschiff Tûranor Planet Solar die Welt umrundet. (Foto: AP)

Von Monaco war das Schiff im September 2010 gestartet, hierher ist es nun zurückgekehrt. Fürst Albert II. und der Monaco Yachtclub haben dem Pionier Domjan und seiner Crew einen gebührenden Empfang bereitet, es gab einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde für die längste Reise in einem Solarboot.

Der Fürst selbst ist nicht nur passionierter Segler, sondern engagiert sich mit seiner Umweltstiftung weltweit - und auch zu Hause sorgt der Landesvater dafür, dass Hotels und Haushalte CO2 sparen. Dass sein Yachtclub Heimat gigantischer Motoryachten ist, hinderte ihn nicht daran, sich für Domjans Idee sofort zu begeistern. "Die Technologie ist da. Lasst sie uns nutzen!", sagt der Fürst beim feierlichen Empfang im Hafen. Diese Botschaft wiederholt er noch mehrmals in diesen Tagen. Und jetzt, da die Champagnerkorken in Port Hercules weggefegt sind, reist die Planet Solar schon weiter auf ihrer Mission.

Die Zukunft liegt in der Sonne

Eine Weltreise an Bord eines Solarschiffes - diese Idee keimt im Frühjahr 2004 im Kopf von Raphaël Domjan. Für den Schweizer Elektroingenieur, Rettungsassistent, Pilot und Bergführer liegt die Zukunft in der Sonne. Als Kind las er Jules Vernes und J.R. Tolkien, dessen Figur Tûranor dem Schiff seinen Namen gab. Das Träumen hat er nicht verlernt. Pioniere wie sein Landsmann Bertrand Piccard, der die Welt im Heißluftballon umrundete und demnächst das gleiche in einem Solarflugzeug schaffen will, ermutigen ihn.2008 trifft Domjan den deutschen Unternehmer Immo Ströher. Seit der Wella-Erbe sein Kosmetik-Imperium verkauft hat, ist er im Bereich erneuerbarer Energien tätig. Schon vor 20 Jahren hat er in Sonnenenergie investiert, alle Höhen und Tiefen mitgemacht, wie er sagt. Und auch er lässt sich von der Vision anstecken. Ströher investiert mehrere Millionen Euro und macht das Abenteuer möglich.

Zum Team gehören schließlich mehr als 100 Physiker, Ingenieure, Bootsbauer, Kaufleute und Seemänner. Die Kieler Knierim Werft, spezialisiert auf leichten Kohlefaserbau, erhält den Auftrag, engagiert den neuseeländischen Designer Craig Loomes. Nach zwei Jahren Planung und Bau läuft die MS Tûranor Planet Solar vom Stapel. Auf der Testfahrt bis Monaco wird feinjustiert, die schwenkbaren Propeller, die von Hand ausgezogenen Solarpanels, das Energiemanagement, alles funktioniert. Dann geht es los. Nicht das Tempo zählt, es geht ums Durchhalten. Ein paar Rekorde kann die Crew dann aber doch vorweisen: längste Reise, schnellste Atlantik- und schnellste Durchquerung des Südchinesischen Meeres mit einem Solarschiff. Ströher will die Erfahrungen der Reise für weitere Projekte nutzen, spricht von einem "Solar Think Tank" und sucht Partner. Das Schiff bietet Platz für 40 Leute, es könnte als grüne Luxusyacht, für wissenschaftliche Zwecke oder als weltgrößte schwimmende Solarbatterie verchartert werden.

Als wir hörten, wie viel Raum das Schiff haben sollte und wie wenig Energie zur Verfügung stand, holten wir tief Luft", sagt Designer Craig Loomes. Rekordboot und Familienkutsche - ein kaum lösbarer Kompromiss. Monatelang wurden Pläne gezeichnet und wieder verworfen, bis schließlich ein Katamaran mit der Fläche von 537 Quadratmetern an Solarmodulen, sechs Metern Höhe und zwei durch die Wellen schneidenden Rümpfen herauskam. Diskussionen gab es über die schwenkbaren Propeller: Reichen sie als Steuerung? Loomes war skeptisch, die Erfahrung unterwegs gab ihm recht: Die Wellen schlugen zu hart auf die Lager, die Propeller mussten festgestellt werden, das Ruder kam zum Einsatz. Doch das war das einzige größere Problem während der Reise. In Singapur ging es zur Revision ins Trockendock: Alles in Ordnung, kein größerer Verschleiß. Und kein Cent Treibstoffkosten.

Neben den beiden Kapitänen Erwann le Rouzic und Patrick Marchesseau sowie Bootsbauer Jens Langwasser war der Energiemanager Christian Ochsenbein wichtigster Mann an Bord. Die Leistung jedes einzelnen Solarmoduls wird ständig gemessen, damit die sechs Blöcke von gewickelten, wartungsfreien Lithium-Ionen-Batterien optimal geladen werden. Météo France, der französische Wetterdienst, lieferte rund um die Uhr Daten und hat zum ersten Mal nicht nur Windverhältnisse und Tiefdruckgebiete vorhergesagt, sondern auch die Sonnenintensität. Die Reise verlief möglichst nahe am Äquator, um die maximale Sonnenstrahlung zu nutzen.

Mehr Raumschiff als Yacht

Planet Solar erinnert mehr an ein Raumschiff als an eine Yacht. Still schwebt sie durch den Ozean. Kein Brummen des Motors, kein Rauschen des Windes - wie fühlt sich das an? Domjan sagt, nachts im Cockpit auf der 6000 Kilometer langen Fahrt durch den Südpazifik, um sich herum das im Mondlicht glitzernde Deck, über sich den Sternenhimmel, da kamen Kindheitsträume vom Astronautendasein zurück. Wie einem Spaceshuttle entstiegen, so wurden die fünf auch oft bestaunt. Auf der Klimakonferenz in Cancun, am Strand von Tonga - in 28 Ländern haben sie die Sonnenkraft gepriesen, Studenten und Schüler eingeladen, mit Ingenieuren diskutiert. Es gibt Inseln in der Südsee, da müssen die Fischer tagelang auf Diesel warten. Solarboote wären ein Segen. Die Hafenfähre von Monaco fährt mit Sonnenstrom, warum nicht alle Fähren der Welt?

Mit fossilem Treibstoff bezwingst du die Natur", sagt Domjan, "mit Sonnenenergie musst du auf die Natur hören. Du darfst nicht mehr Energie verbrauchen als du produzierst." Für die Großschifffahrt in einer auf Geschwindigkeit gepolten Welt wird das noch lange keine Option sein. Doch für kleinere Nutzer durchaus. Die Generatoren der Megayachten im Hafen von Monaco schlucken schon im Stillstand Hunderte Liter Diesel. Und sogar der Chef des Internationalen Seeschifffahrt-Verbandes stößt mit Domjan auf dessen Erfolg an. "Das wird sich durchsetzen. Planet Solar hat einen Meilenstein dafür bewegt."

© SZ vom 14.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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