Süddeutsche Zeitung

IAA 2011:Salon-Wagen

Noch vor zwei Jahren schien die Autowelt aus den Fugen und unrettbar in der Krise zu sein. Das Bild hat sich dramatisch gewandelt. Die wichtigsten neuen Automodelle auf der IAA 2011 im Überblick - von sparsam bis schrill.

Jörg Reichle

Nur zwei Jahre und doch eine Welt: Vor der letzten Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt/Main, im Jahr 2009, schien die Autobranche völlig aus den Fugen. Während die staatliche Abwrackprämie zwischenzeitlich noch für eine Sonderkonjunktur sorgte und vielen Volumenmarken Verkaufsrekorde bescherte, traf die Wirtschaftskrise die Premium- und Luxusmarken brutal. Absatzrückgänge von fast 20 Prozent bei Mercedes und BMW waren Realität und Nobelmarken wie Bentley und Rolls-Royce gerieten ernsthaft ins Trudeln.

Das Bild hat sich dramatisch gewandelt. In den vergangenen Monaten meldeten die deutschen Premiummarken einen Absatzrekord nach dem anderen und auf Märkten wie China, Indien und Südostasien brummt das Geschäft wie kaum je zuvor. Die Branche, so teilte die Unternehmensberatung McKinsey gerade mit, steuere 2011 weltweit auf einen Jahresprofit von 42 Milliarden Euro zu - so viel wie zuletzt 2007.

Vor diesem Hintergrund, wenngleich schon beschattet vor erneut aufziehender Krisenfurcht, spielt die IAA von dieser Woche an bis zum 25. September zum gewohnten Tanz ums goldene Kalb auf. Von 89 Auto-Weltpremieren ist die Rede, viele weitere Modelle sind zum ersten Mal für das deutsche Publikum zu sehen. Und natürlich legen die deutschen Hersteller besonderen Ehrgeiz in ihrem Heimspiel an den Tag, allein 45 Weltneuheiten steuern sie bei.

Dem Alphabet folgend, bietet Audi in diesem Jahr die gewohnte Spreizung zwischen Hochleistung und Nachhaltigkeit. Für ersteres sind die neuen S5, S6, S7 Sportback und S8 zuständig. Statt des bisherigen V10 mit 5,2 Liter Hubraum übernimmt den Antrieb jetzt entweder ein V8 mit 4,0 Liter Hubraum und bis zu 520 PS oder ein V6 mit 333 PS (S5) - Downsizing auf höchstem Leistungsniveau also. Auch der A8 Hybrid verdient vor diesem Hintergrund besondere Beachtung. Er soll nur 6,4 Liter/100 km verbrauchen. Am anderen Ende der Leistungsskala rangiert nicht nur die Stadtauto-Studie Urban Concept, sondern obendrein der rein elektrisch angetriebene A2 Concept, ein 3,80 Meter langer, kühl gezeichneter Viersitzer mit variablem Innenraumkonzept, der schon mal den Nachfolger des einst glücklosen A2 erahnen lässt. Er soll 2016 in Serie gehen.

Drei Jahre früher bringt Konkurrent BMW seinen i3, zusammen mit dem Sportwagen i8, als erstes Zeugnis der gerade gegründeten Nachhaltigkeitsmarke BMWi. Beide sind elektrisch angetrieben und verkörpern eine völlig neue Designgeneration. Dass bei den Bayern auch die traditionelle Fahrdynamik noch eine Rolle spielt, zeigen nicht zuletzt der kompakte Einser in zweiter Generation, das Sechser Coupé und die Superlimousine M5, angetrieben von einem hoch drehenden V8 mit 560 PS und 680 Nm Drehmoment.

Dem zunehmenden Trend, wichtige neue Modelle bereits im Vorfeld einer Messe zu präsentieren, folgt in diesem Jahr Mercedes besonders konsequent. Sowohl die neue M- als auch die kompakte B-Klasse sind in den Medien bereits vorgestellt worden und selbst den SLS AMG Roadster wollte man dem Publikum nicht bis zur IAA vorenthalten. Wirklich neu sind nur die SLK-Varianten 250 CDI und 55 AMG sowie das Forschungsfahrzeug F125. Es soll eine Vorstellung von emissionsfreier Mobilität in der Luxusklasse vermitteln.

Wenn Porsche seinen Klassiker 911 renoviert, ist das allemal ein Grund für erhöhte Aufmerksamkeit der Autofans. Dass die Designer dabei behutsam zu Werke gingen, ist klar, man erkennt den neuesten Elfer aber doch an seinem längeren Radstand und den veränderten Proportionen. Länger, flacher und bulliger lautet jetzt die Devise, das bislang runde Heck trägt eine charakteristische Kante, die Spur hinten und vorn wurde breiter, innen erinnert vieles an den Panamera. Das Basismodell mit jetzt nur noch 3,4 Liter Hubraum leistet 350 PS und soll dank Start-Stopp, Segel-Funktion und Energierückgewinnung 8,2 Liter/100 km verbrauchen, das sind immerhin 1,6 Liter weniger als beim Vorgänger. Die Preise beginnen bei gut 88.000 Euro, für den Carrera S (3,8 Liter, 400 PS) sind es mehr als 102.400 Euro. Das neue Elfer Cabrio ist übrigens schon für das nächste Frühjahr angekündigt.

Den ersten Ableger der sogenannten New Small Family präsentiert Konzernmutter Volkswagen. Der Up! folgt mit seinen vergleichsweise putzigen 3,54 Meter Länge und dennoch vier Sitzen auf den Lupo von einst, angetrieben wird er von neuen Dreizylindermotoren mit 60 oder 75 PS, eine Elektrovariante ist für 2013 geplant. Verkaufsstart des Up! ist im Dezember. Einen Diskussionsbeitrag zur urbanen Mobilität von morgen steuert VW obendrein mit einer Studie namens Nils bei. Nachdem man auf der letzten IAA das Konzeptmodell L1 präsentierte, ein 1,20 Meter schmaler Einbaum, bei dem die beiden Insassen hintereinander saßen, ist es diesmal ein drei Meter kurzer Einsitzer mit frei stehenden Rädern und Elektroantrieb für 65 Kilometer Reichweite. Reine Zukunftsmusik.

Auch die Volumenmarken Opel und Ford warten mit wichtigen neuen Modellen oder Studien auf. Bei den Kölnern zeichnet sich dabei ein fundamentaler Wechsel der Formensprache ab. Das bisherige Kinetic Design hat ausgedient, das Gesicht der IAA-Studie namens Evos wird man demnächst am neuen Mondeo wiedersehen. Die Rüsselsheimer GM-Tochter wiederum zeigt mit dem kompakten Van Zafira, der jetzt den Beinamen Tourer trägt, und dem Ampera zwei familientaugliche Modellneuheiten - das eine konventionell das andere alternativ, nämlich elektrisch angetrieben und nicht eben billig. Der Astra GTC taugt eher für sportliche Singles, zumal als OPC mit 290 PS.

Von den Importwagen ragt in diesem Jahr Fiat heraus. Die Italiener bringen mit dem Panda, den Nachfolger eines traditionellen Bestsellers ("Die tolle Kiste") in dritter Generation auf den Markt. Der Neue, geringfügig länger geworden als der Vorgänger und mit verbesserten Sicherheitsfeatures, soll bis zu fünf Personen Platz bieten. Das Motorenangebot wurde um zwei Zweizylinder mit 0,9 Liter Hubraum erweitert.

Konzerntochter Alfa Romeo zeigt eine hinreißend gezeichnete Sportwagenstudie unter dem Namen C4, die 2013 auch in Serie gehen soll. Die Leistung von mehr als 200 PS verspricht angesichts eines Leergewichts von 850 Kilogramm jede Menge Fahrspaß. Lancia wiederum setzt die gewöhnungsbedürftige Liaison mit Chrysler mit einer ganzen Reihe an Modellen fort, unter denen der neue Thema als neues Flaggschiff herausragt. Die Fünfmeterlimousine stammt - deutlich sichtbar - vom Chrysler 300 ab, sie wird in Deutschland voraussichtlich von diesem Oktober an verkauft.

Mit zwei bemerkenswerten Studien geben Jaguar und Land Rover, beide im Besitz des indischen Tata-Konzerns, auf der IAA ein starkes Lebenszeichen. Erst kurz vor der Messe zeigte Jaguar einen aufregend designten Sportwagen unterhalb des XK, der von 2013 an in Serie gehen und dann Porsche Boxster oder BMW Z4 Konkurrenz machen soll - angeblich zu Preisen um die 65.000 Euro. Die unverdient steril C-X16 genannte Studie basiert auf einem Aluminium-Spaceframe und hat einen 380 PS starken V6, der wie Kers in der Formel 1 für eine jeweils kurze Beschleunigungsphase von einem Elektromotor unterstützt wird. Höchstgeschwindigkeit: 300 km/h, Normverbrauch: 6,9 Liter/100 km.

Am legendären Defender, Urbild aller Geländewagen, legt unterdessen Land Rover Hand an. 2015 soll die neue Generation auf den Markt kommen, jetzt zeigt die Studie namens DC100 wie sich das Denkmal in die Neuzeit retten will - mit einem gekonnten Mix aus Zeitgeist und grobstolligem Geländegestus.

Mit der Erblast von Legenden muss sich Toyota nicht abmühen. Hier reicht es, das grüne Image mit einem weiteren Prius-Ableger zu pflegen (Prius+ mit sieben Sitzen), den Kleinwagen Yaris in seiner jüngsten Generation zu präsentieren und die Weltpremiere des überarbeiteten Allerweltsmodells Avensis zu feiern. Man verspricht uns ein neues Frontdesign und eine deutlich verbesserte Innenraumqualität. Edelmarke Lexus darf sich dafür mit der neuen Vollhybrid-Limousine GS 450h schmücken.

Da sich seit geraumer Zeit kompakte SUV als recht sichere Garanten für gute Verkäufe erwiesen haben, verdient nicht zuletzt der neue CX-5 von Mazda Beachtung. Der Tiguan-Konkurrent, innen und außen etwas größer als der Volkswagen, ist mit betontem Leichtbau und neuen Skyactiv-Motoren auf besondere Effizienz getrimmt.

Im Windschatten des Hybrid-Pioniers Toyota schwimmt auch Honda auf der grünen Welle. Vor zwei Jahren, mitten in der Krise, war man zusammen mit Nissan der Messe ferngeblieben, jetzt zeigt man neben dem Nachfolger des Insight den neuen Civic und den Nachfolger des CR-V. Details nannte man vor der Messe aber noch nicht.

Im großen Ganzen der wichtigsten Messeneuheiten verstecken sich im weiten Geläuf der ausgedehnten Messehallen noch eine ganze Reihe interessanter Einzelmodelle. Bei Citroën beispielsweise der Crossover-Vollhybrid DS5 oder die spektakuläre Studie Tubik, ein neunsitziger Kleinbus mit scheunentorgroßen Flügeltüren und verspiegelten Flächen statt Seitenfenstern.

Renault wiederum lässt mit dem modernisierten Clio die Handschrift des neuen Designchefs Laurens van den Acker erkennen und bei Peugeot steht das Crossovermodell 3008 Hybrid4 im Mittelpunkt, erster serienmäßiger Dieselhybrid überhaupt. Oder Kia: Hier zeigt der ehemalige Audi-Designchef Peter Schreyer mit dem Kia GT, der Studie eines viertürigen Coupés, dass die Koreaner inzwischen auch Oberklasseambitionen hegen. Chevrolet wiederum belebt an der Seite der großen Limousine Malibu die Legende Camaro. Zu Preisen von knapp 40.000 Euro lebt hier das Muscle-Car von einst wieder auf, ferner Bote aus einer Zeit, in der Benzinverbrauch keine Rolle spielte.

Und da wir nun schon beim Träumen sind: Natürlich haben sie auch auf dieser Messe wieder ihren Stammplatz in der Garage des Herzens aller Autofans - die Supersportwagen. In diesem Jahr findet man sie zielsicher auf den Messeständen von Mercedes (SLS AMG Roadster), von Porsche (911) und Audi (R8 GT). Einen Augenblick wenigstens sollte man aber innehalten vor der Schönheit des neuen Ferrari 458 Spider (4,5 Liter-V8, 570 PS, 320 km/h) in flammendem Rot mit versenkbarem Aluminium-Hardtop oder die Eleganz des - ebenfalls offenen - Bentley Continental GTC (12 Zylinder, 575 PS, 314 km/h, 202.371 Euro) bewundern.

Die meisten Besucher der IAA - 2009 waren es zuletzt etwa 845.000 - werden solche Meisterwerke wohl nur dieses eine Mal zu Gesicht bekommen. Aber genau dafür gehen ja viele überhaupt erst auf eine Messe. Elektroautos hin oder her.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2011/gf
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