Brennstoffzelle:Der Stoff, aus dem Bewegung wird

Wasserstoff kontra batteriebetriebene Elektroautos: Um den Antrieb der Zukunft wird hart gerungen - und um Fördergelder

Joachim Becker

"Wasser ist die Kohle der Zukunft", schrieb Jules Verne schon 1874. Tatsächlich galt Wasserstoff lange als heißer Favorit für den Treibstoff von morgen - und die deutsche Automobilindustrie als Vorreiter. 2008 gründete Wolfgang Tiefensee daher die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW): Regierung und Industrie wollen in den nächsten neun Jahren jeweils 500 Millionen Euro bereitstellen, um Forschung und Entwicklung zu fördern.

Brennstoffzelle: Unter Dampf: In der Mercedes B-Klasse F-Cell liegen die Antriebs- und Speicherkomponenten geschützt und platzsparend im Sandwichboden. Dadurch bleiben Kofferraumvolumen und Innenraum in vollem Umfang erhalten.

Unter Dampf: In der Mercedes B-Klasse F-Cell liegen die Antriebs- und Speicherkomponenten geschützt und platzsparend im Sandwichboden. Dadurch bleiben Kofferraumvolumen und Innenraum in vollem Umfang erhalten.

(Foto: Foto: oh)

Die CO2-Emissionen im Verkehr ließen sich bis 2050 mit Brennstoffzellen und Wasserstoffmotoren um bis zu 80 Prozent senken, so der Bundesverkehrsminister. Das kohlenstofffreie Gas dafür soll per Elektrolyse aus dem Strom von Offshore-Windanlagen erzeugt werden. Immer mehr Experten fragen sich freilich, warum die saubere Energie in die Wasserstoffherstellung fließen soll, statt batteriebetriebene Elektroautos direkt anzutreiben.

"Man hat die letzten 15 Jahre intensiv am Wasserstoffantrieb geforscht. Dies hat interessante Erkenntnisse gebracht, aber das angekündigte Wasserstoffzeitalter wird es nach meiner Einschätzung nicht geben", sagt Uwe Lahl. Der Ministerialdirektor im Bundesumweltministerium sieht die E-Fahrzeuge in Führung: "In der Autoindustrie ist inzwischen erkannt worden, dass die Elektromobilität die Zukunft ist."

Endet damit die Utopie von der deutschen Vorreiterrolle bei alternativen Antrieben, bevor sie richtig angefangen hat? Thomas Weber widerspricht vehement: "Es wäre fatal, die Brennstoffzelle so kurz vor dem Ziel aufzugeben", sagt der oberste Daimler-Konzernforscher und Mercedes-Entwicklungschef. "Wir haben schon bei anderen Technologien erlebt, dass sie in Deutschland erfunden und dann in Asien zum Markterfolg gebracht werden."

Mehrere Hunderttausend Euro pro Stück

Hersteller wie General Motors, Toyota und Daimler haben seit der ersten Ölkrise in den siebziger Jahren Milliarden in den Brennstoffzellenantrieb investiert. Die Resultate waren ein paar hundert Versuchsfahrzeuge und die Erkenntnis, dass Brennstoffzellen noch einige Jahre bis zur Serienreife benötigen. Bis 2015 rechnet Weber immerhin mit einer Gesamtflotte von mehreren hunderttausend Wasserstoffautos.

Neben diesen Firmen haben sich auch Ford, Honda, Hyundai, Kia, die Renault-Nissan-Allianz jüngst in einer gemeinsamen Erklärung zur Entwicklung und Markteinführung von elektrischen Fahrzeugen mit Brennstoffzellenantrieb bekannt. "Reine Elektromobile werden auch mittelfristig nur rund 200 Kilometer weit kommen, während unser BlueZero F-Cell in drei Minuten für eine Reichweite von 400 Kilometer aufgetankt werden kann", so Weber. In den nächsten Monaten soll eine erste Kleinserie von 200 Fahrzeugen auf Basis der Mercedes B-Klasse gebaut werden - für den Testbetrieb bei ausgewählten Firmen.

Noch kosten solche Fahrzeuge mehrere hunderttausend Euro pro Stück, obwohl sie zu 80 Prozent baugleich mit reinen Batteriefahrzeugen sind. Der Strom wird aber nicht an der Steckdose getankt, sondern an Bord per Brennstoffzelle erzeugt. Stacks aus mehreren hundert hauchdünnen Zellen im A4-Papierformat sorgen im 100 kW (136 PS) starken BlueZero F-Cell für Fahrleistungen auf dem Niveau eines 2,0-Liter-Benziners.

Die chemische Reaktion von Wasserstoff und Luftsauerstoff macht den Explosionsmotor überflüssig. Als Abgas entsteht Wasserdampf. Allerdings muss der Wasserstoff in Druckbehältern mit 700 bar komprimiert werden, um eine halbwegs akzeptable Energiedichte zu bekommen. Die Speicherung als Flüssigwasserstoff für einen Verbrennungsmotor, wie BMW sie im Hydrogen 7 demonstriert hat, kostet noch viel mehr Energie. Der minus 253 Grad kalte Wasserstoff ist zudem nur begrenzt im Autotank lagerbar, weil bisher keine Isolationsschicht das langsame Aufwärmen und Abdampfen verhindern kann.

Das zentrale Problem bleibt: die Infrastruktur

Bis zum Jahr 2020 soll der Preis des Brennstoffzellenantriebs deutlich sinken: "Wenn wir mehr als hunderttausend Stück bauen, wird die Brennstoffzelle in zehn Jahren nicht mehr kosten als ein Hightech-Diesel mit Elektrohybrid", ist sich Weber sicher. Damit wäre der Wasserstoffantrieb möglicherweise günstiger als das Fahren mit Hochenergiebatterien.

Doch ein zentrales Problem bleibt der Aufbau einer Infrastruktur. "Im allgemeinen Elektro-Hype wird leicht vergessen, dass Batteriefahrzeuge nicht nur in der heimischen Garage aufgeladen werden können. Aufgrund der kurzen Reichweite wird ein flächendeckendes Netz von (Schnell-)Ladestationen nötig, das teurer sein könnte als eine Wasserstoffinfrastruktur", erklärt Herbert Kohler, Leiter der Mercedes-Forschung und -Vorentwicklung: "Für den Aufbau von 1000 Wasserstofftankstellen veranschlagen wir 1,7 Milliarden Euro - das würde für den Verkehr in den großen Städten und die Autobahnverbindungen zunächst genügen", so Kohler.

Kurz vor der IAA haben sich Daimler, EnBW, Linde, OMV, Shell, Total, Vattenfall und die Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie mit der Initiative "H2 Mobility" zu Wort gemeldet. Damit sollen Möglichkeiten für den Aufbau einer flächendeckenden Wasserstoffversorgung hierzulande geprüft werden. Eine ähnliche Initiative hat sich jüngst in Japan gebildet, in den USA werden vergleichbare Bestrebungen laut.

Hinter den Kulissen geht es auch um die Verteilung von Forschungsgeldern: Während Verkehrsminister Tiefensee weiterhin die Brennstoffzelle propagiert, will Bundesumweltminister Gabriel die ersten 100.000 Batteriefahrzeuge mit jeweils 5000 Euro bezuschussen. Bleiben die Verfechter der Brennstoffzelle weiter in der Defensive, könnte der Batterieantrieb künftig alle Subventionen allein kassieren.

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