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Hyundai Ioniq im Fahrbericht:Hyundai baut den besseren Prius

Er sieht gut aus, ist sparsam und günstig: Mit dem Ioniq leitet Hyundai eine Hybrid- und Elektroauto-Offensive ein. Und profitiert dabei von seiner innovativen Batterie-Technologie.

Test von Joachim Becker

Tschüss Diesel, wir werden dich vermissen. Zumindest den Titel des Sparmeisters muss der Ölbrenner wohl abgeben. In der Mittelklasse tauchen vermehrt Benziner auf, die beim Durst mindestens genauso genügsam sind. Das müssen keine teuren Plug-in-Hybride sein, die alternativ an der Steckdose oder der Zapfsäule tanken können. Im Falle des neuen Hyundai Ioniq genügt eine kleine E-Maschine mit 32 kW (44 PS), um dem Ottomotor das Schlucken abzugewöhnen. Mit einem Normverbrauch von 3,4 Liter auf 100 km bleibt der Hybrid dem neuen Toyota Prius auf den Fersen.

Nach der ersten Ausfahrt über tempolimitierte holländische Autobahnen und Landstraßen zeigt der Bordcomputer knapp über vier Liter auf 100 Kilometer an. Das kann ein sauberer Diesel kaum besser - geschweige denn billiger. Mit seinem Einstiegspreis von 23 900 Euro unterbietet der Ioniq den etwas geräumigeren Prius. Und das bleibt nicht der einzige Vorteil gegenüber dem Hybrid-Pionier. "Wir zünden die nächste Stufe unserer Markenoffensive und zielen damit auf neue Kunden im urbanen Umfeld ab", sagt Jochen Sengpiehl, Hyundai-Marketing-Chef in Europa.

Drei alternative Antriebsvarianten

Hyundai will künftig verstärkt emissionsarme oder -freie Fahrzeuge anbieten. Das ist auch bitter nötig, denn die Koreaner fahren beim CO₂-Flottenwert in Europa bisher hinterher. Der knapp 4,50 Meter lange Ioniq ist als erstes Modell für drei alternative Antriebssysteme ausgelegt: Nach dem Hybrid soll noch in diesem Jahr die Batterieversion mit 280 Kilometer elektrischer Reichweite nach Deutschland kommen. Einstiegspreis inklusive E-Prämie: 29 300 Euro. Im nächsten Jahr geht der Ioniq auch als Plug-in-Hybrid mit mehr als 50 emissionsfreien Kilometern an den Start - sein Preis dürfte zwischen den beiden anderen Varianten liegen.

Zum Technologiepaket gehört auch ein eigens entwickeltes Doppelkupplungsgetriebe und ein neuer Benzindirekteinspritzer mit einer Verdichtung von 13:1 und einem entsprechend hohen Wirkungsgrad von 40 Prozent. Anders als im Toyota Prius bietet der Ioniq also Hybrid-Fahrspaß ohne jaulendes CVT-Getriebe. Die prompte Reaktion auf Gaspedalbefehle gefällt ebenso wie das Design ohne Toyotas Kapriolen.

Umweltfreundlicher als ein Diesel

Angenehm ist auch der niedrige Schwerpunkt des Teilzeitstromers - er liegt noch ein paar Millimeter unter dem eines VW Golf GTI. Ein waschechter Sportler wird aus dem Koreaner aber selbst im Sportmodus nicht. Auf den Tritt ins Kreuz beim Ampelspurt müssen Ioniq-Fahrer genauso verzichten wie auf den Nachbrenner auf der Autobahn - die Höchsttempo des Hybrids liegt bei 185 km/h. Mehr ist bei einer Systemleistung von 104 kW (141 PS) und einem Drehmoment von 265 Nm nicht drin.

All das kann ein drehmomentstarker Diesel besser - allerdings nicht umweltfreundlicher. Während der Selbstzünder in der Kompakt- und Mittelklasse den Rückwärtsgang eingelegt hat, könnten sich Hochvolt-Hybride nach 20 Jahren und vier Prius-Generationen doch noch zum Standard entwickeln. "Es findet gerade eine Neubewertung in den Entwicklungsabteilungen aller Autohersteller statt", erklärt Ki Sang-lee, "der neue WLTC-Testzyklus fordert dem Motor mehr Last ab, da kommen Mildhybride mit 48 Volt schnell an ihre Grenzen."

Der Direktor des Hyundai Eco Technology Center sieht sich für die künftigen Entwicklungen gut aufgestellt: "Wir haben nur einen überschaubaren Dieselanteil, dafür haben wir seit 2006 Hybridfahrzeuge wie den Elantra entwickelt und dabei auch die Batterietechnologie mit LG Chem vorangetrieben. Im Ioniq kommen erstmals Lithium-Polymer-Batterien zum Einsatz, die 15 Prozent weniger Bauraum als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien benötigen."

Hyundai will es allen zeigen: Einerseits den europäischen Marken mit ihrem hohen Dieselanteil und andererseits Toyota mit seinen überholten Nickelmetallhydrid-Akkus. Hohe Investitionen in die Produktionsanlagen erschweren in beiden Fällen einen schnellen Technologiewechsel. Doch genau den hat Hyundai jetzt im Blick. Während sich der Ioniq - auch in den Augen vieler Hyundai-Manager - zu stark am Prius orientiert, wollen die Koreaner künftig aus dem Windschatten der Japaner fahren: "Wir wollen die führende asiatische Marke in Europa werden", sagt Jochen Sengpiehl und kündigt 20 neue Modelle bis zum Ende des Jahrzehnts an. Allen voran ein kompaktes SUV im B-Segment, das sich bei anderen Marken wie geschnitten Brot verkauft.

Hyundai plant ein E-Auto mit 500 km Reichweite

Begleitet wird die Modelloffensive von innovativer Antriebstechnik: Ki Sang-lee stellt fundamentale Fortschritte beim Brennstoffzellenantrieb und ein Elektrofahrzeug mit über 500 Kilometer Reichweite in Aussicht: "Wir nutzen unsere enge Kooperation mit LG Chem und die neue Zelltechnologie, um eine ganz neue Elektro-Antriebsplattform zu entwickeln."

Bei der Vorstellung des Ioniq ist viel von einer kompletten Neuentwicklung die Rede. Tatsächlich baut auch die reine Stromervariante auf der weiterentwickelten Verbrenner-Plattform des Hyundai i30 auf. Statt den Batterieblock auf der Hinterachse zu transportieren, soll künftig der komplette Raum unter der Passagierzelle genutzt werden. Mit einer maßgeschneiderten Elektro-Antriebsarchitektur kann die innovative Lithium-Polymer-Technologie zeigen, was sie wirklich drauf hat: Weniger Gewicht, höhere Energiedichte bei besseren Entlade- und Rekuperationsmöglichkeiten selbst für sportliche Fahrzeuge.

Damit könnten die deutschen Premiummarken und Toyota ihren Technologievorsprung bei alternativen Antrieben verlieren. "Wir rechnen bis 2025 mit rund 20 Prozent reinen Elektrofahrzeugen und 30 Prozent Plug-in-Hybriden. Den Rest teilen sich Hybride und Diesel. Anders sind die Flottenziele von 75 Gramm CO₂ pro Kilometer nicht zu schaffen", sagt Ki Sang-lee mit einem höflich-undurchdringlichen Lächeln. Der Koreaner scheint sich auf die nächste Runde im Technologie-Rennen schon zu freuen.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2016/harl
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