Süddeutsche Zeitung

Hymer Troll:Wer damit unterwegs ist, sollte stets einen Lappen griffbereit haben

Mit dem Campinganhänger Troll starteten viele Deutsche nach dem Krieg in die Ferien. Gebaut wird der Wohnwagen bis heute, auch in zwei edlen Retro-Versionen.

Von Marco Völklein

Er ist klein und knuffig - und war in den Sechzigerjahren der Traum vieler Camper. Damals entwickelten die beiden Campingpioniere Erich Bachem und Erwin Hymer im oberschwäbischen Bad Waldsee den Troll, einen kompakten Wohnanhänger mit ausklappbaren Betten, einer aerodynamischen Formgebung und einer sehr leichten Bauweise. Das Konstruktionsprinzip hatte der Ingenieur Bachem dem Flugzeugbau entlehnt, schließlich war er ausgebildeter Flugzeugingenieur und hatte kurz vor Kriegende an der Entwicklung von Raketensystemen mitgewirkt. Nach 1945 widmete er sich dann fried- und freudvolleren Themen.

So entwickelte er mit dem Troll fast schon eine Ikone der Campingbranche. Vor allem die abgerundete Form und das aufstellbare Hubdach waren für den Troll charakteristisch - und sind es bis heute. Denn der kompakte Camper wird nach wie vor gebaut, wenn auch mittlerweile deutlich modernisiert. Seit etwa mehr als einem Jahr gibt es zudem die Sondermodelle "Ocean Drive" und "Rockabilly", die sich vor allem mit ihrer zweifarbigen, knalligen Lackierung von den meisten anderen Wohnanhängern deutlich unterscheiden. Beim Rockabilly dominiert die Farbe rot, der Ocean Drive ist vorwiegend in hellblau gehalten - das sind zwei echte Hingucker auf jedem Campingplatz.

Beide basieren auf dem kompakten Eriba Touring Troll 530 mit einer Länge von 4,71 Meter und einer Breite von 2,10 Meter, auch die Höhe von (bei eingezogenem Hubdach) nur 2,26 Meter macht das Fahrzeug sehr handlich. Vor allem aber sind die beiden bunten Brüder mit 1300 Kilogramm Gesamtgewicht so leicht, dass man sie auch mit einem kleineren Zugfahrzeug über anspruchsvolle Pässe wuchtet. Lediglich beim Preis ist die Leichtigkeit dahin: 24 990 Euro - 4300 Euro mehr als der Basis-Troll - sind für einen Wohnanhänger dieser Größenordnung schon eine stolze Summe.

Den 30-Liter-Wassertank gibt es ab Werk

Der Großteil des Aufpreis' ist der Zweifarben-Lackierung zuzuschreiben, der Rest setzt sich aus vielen kleineren Extras zusammen. So montieren die Oberschwaben bei Ocean Drive und Rockabilly ab Werk eine Fliegenschutztür, einen 30-Liter-Wassertank unter der Sitzbank vorne links, eine Spülenabdeckung, eine Außenstauklappe rechts hinten sowie ein Reserverad im Unterboden.

Den wirklich großen Unterschied aber gegenüber anderen Caravans macht der in Weiß gehaltene Innenraum aus, der im von der SZ getesteten Ocean Drive mit blauen Akzenten durchsetzt ist. Durch die helle Anmutung wirkt der Camper sehr großzügig; zahlreiche Schränkchen und Schubladen bieten viel Stauraum.

Die Sitzgruppe im Bug gewährt zudem ausreichend Platz für zwei Bewohner, und auch hier sind die überwiegend in weiß gehaltenen, mit Streifenstepp versehenen Sitzpolster ein Hingucker. Das Ganze erinnert ein wenig an einen US-Diner aus den Fünfzigerjahren. Der Tisch ist mit einer weißen Arbeitsplatte in Hochglanz versehen und ebenfalls blau akzentuiert- und hier zeigt sich auch ein Manko des durchgestylten Campers: Die hellen Oberflächen sind, insbesondere an Stellen, an denen öfter mal Teller oder Gläser abgestellt werden, deutlich pflegeintensiver als manch andere Modelle. "Reich mal den Lappen rüber" - diesen Satz sagt man oft, wenn man mit dem Ocean Drive auf Tour geht. Immerhin: Die weißen Polster haben die Oberschwaben nach eigenen Angaben mit einem besonderen Fleckenschutz versehe - dass ein Campingplatz selten eine blitzsaubere Umgebung bietet, war offenbar auch den Designern von Hymer klar.

Wer sich dann am Abend zur Ruhe bettet, kommt im Ocean Drive ebenfalls auf seine Kosten. Das quer im Heck eingebaute Doppelbett misst 1,98 Meter auf 1,40 Meter und bietet so zwei Bewohnern ausreichend Platz, die Kaltschaummatratzen ist bequem, ebenso der Lattenrost. Die Sitzgruppe im Bug kann mit wenigen Handgriffen zum Bett für einen weiteren Mitreisenden umgebaut werden; auch der schläft auf der 1,98 Meter mal 93 Zentimeter großen Fläche passabel. Somit legen die Hymer-Leute in ihrer Produktbeschreibung den Ocean Drive für maximal drei Bewohner aus. Das gilt aber nur für die Nacht: Spätestens beim Frühstück zeigt sich, dass auf den relativ schmalen Sitzbänken im Bug zwar zwei Leute gut Platz finden, für den dritten wird es aber eng. Der muss sich irgendwie dazuquetschen.

Das Fahrzeug wurde der Redaktion zu Testzwecken vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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Quelle:
SZ vom 05.10.2019/cku
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