Hydraulik statt Elektrik:Antrieb aus der Pressluftflasche

Hydraulik, Hybrid-Air-System

Der Vorteil der robusten Hydraulik vom Hybrid-Air-System: Sie kommt ohne spezialisierte Hochvoltmechaniker aus.

(Foto: Erik Falk)

Langlebig und leicht zu warten: Ab 2016 soll ein neues Hybrid-Air-System der Kombination aus E-Antrieb und Verbrenner Konkurrenz machen. Funktioniert das System, könnten Benziner die niedrigen Verbrauchswerte von Dieselmotoren erreichen.

Von Joachim Becker

Heiße Luft oder eine wegweisende Antriebsalternative? Peugeot/Citroën (PSA) und der Zulieferer Bosch wollen bis 2016 den weltweit ersten hydraulischen Hybrid mit pneumatischem Druckspeicher zur Serienreife entwickeln. Bis zu 45 Prozent Kraftstoffersparnis im Stadtverkehr stellen die Projektpartner in Aussicht, im europäischen Normzyklus sind es bis zu 30 Prozent. Kompaktwagen wie der Peugeot 208 oder der Citroën C3 sollen von dem Hydraulik-Hybrid als Erste profitieren. Geeignet ist das System aber auch für größere Modelle und für städtische Lieferwagen.

"Unser Hybrid-Air-System bringt alle Voraussetzungen mit, um die Effizienz zu vernünftigen Kosten weiter zu steigern", sagt Citroën-Pressesprecher Stephan Lützenkirchen, "ein 100-PS-Benziner in der Vergleichsklasse des VW Polo erreicht damit einen Verbrauch von weniger als drei Liter auf 100 Kilometer." Die Kombination eines Dreizylinder-Benziners mit einem CVT-Getriebe und einer Hydraulikeinheit passt in relativ kleine Motorräume. Als Energiespeicher dient ein röhrenförmiges Druckluftreservoir im Mitteltunnel. Eine Hydraulikpumpe am Getriebe baut Druck auf, wenn der Wagen verzögert. Die gespeicherte Energie genügt, um den Wagen nach einem Ampelstopp per Hydraulikmotor wieder auf Touren zu bringen.

Kosten wie beim Diesel mit Automatikgetriebe

Der neue Assistenzantrieb soll Benziner auf die Verbrauchswerte von hocheffizienten Dieselmodellen bringen. Mit dem angekündigten CO2-Ausstoß von 69 Gramm pro Kilometer im Normzyklus wäre der Hydraulik-Hybrid allerdings konventionellen Antrieben weit überlegen. Ein vergleichbarer 100-PS-Benziner stößt derzeit über 100 Gramm CO2 pro Kilometer aus. Dafür ist er günstiger als der Doppelantrieb: Laut Lützenkirchen soll ein Hybrid-Air-Fahrzeug so viel kosten wie ein Selbstzünder mit Automatikgetriebe. Beim C3 Diesel mit 90 PS und einem automatisierten Schaltgetriebe beginnt die Preisliste derzeit bei knapp 21.000 Euro.

Bislang ist der Toyota Yaris Hybrid mit rund 17.000 Euro das günstigste Vollhybrid-Fahrzeug. Mit einem Verbrauch von 3,7 Liter auf 100 Kilometer ist der Kleinwagen zwar der sparsamste 100-PS-Benziner von Toyota. Um den Spritverbrauch unter die magische Drei-Liter-Marke zu drücken, müsste er aber mehr Energie beim Bremsen zurückgewinnen. Möglich wäre das beispielsweise mit den Lithium-Ionen-Akkus des Toyota Prius+. Der Siebensitzer kostet allerdings 30 000 Euro aufwärts.

Batterien bleiben teuer

Da leistungsstarke Hochvoltbatterien im Auto noch keine großen Stückzahlen erreichen, bleiben sie relativ teuer. "Wir erwarten nicht, dass die Preise für automobiltaugliche Lithium-Ionen-Akkus bis 2015 unter 500 Euro pro Kilowattstunde sinken werden", so Lützenkirchen.

Doppelantriebe sind ein teures Vergnügen - die Betonung liegt beim Hybrid-Air-System auf dem zweiten Wort. Neben dem Effizienzgewinn steht besonderer Fahrspaß im Lastenheft der Entwickler: "Der Hydraulik-Hybrid ermöglicht einen Boost-Effekt, den sonst nur aufwendige elektrifizierte Antriebe bieten", lässt Bosch durchblicken. Die Stuttgarter liefern unter dem Markenzeichen Rexroth seit Jahrzehnten Hydraulikantriebe für Linienbusse, Müllfahrzeuge, Stapler und Hafenkräne.

Die Vorteile

Vorteil eines angeschlossenen Drucklufttanks: Im Vergleich zu dem Lithium-Ionen-Akku eines Elektrofahrzeuges hat er zwar eine geringere Kapazität und Reichweite. Allerdings lädt er sich deutlich schneller auf und kann die Zusatzenergie beim Anfahren schnell abrufen. Dabei bringt der Hydraulik-Hybrid rund 100 Kilo zusätzlich auf die Waage - das Hybrid-Air-System ist also ähnlich schwer wie der Assistenzantrieb in einem Toyota Vollhybrid.

Auf dem Genfer Automobilsalon war das Interesse an den neuartigen Hybridfahrzeugen jedenfalls groß. Ihr Charme liegt nicht nur in der Unabhängigkeit von Akkupreisen. Für kürzere Strecken kann der 300-bar-Drucklufttank das Auto auch ohne Verbrenner antreiben. Ein wesentlicher Vorteil ist auch, dass die robuste Hydraulik an den entlegensten Stellen der Welt ohne spezialisierte Hochvoltmechaniker auskommt. Außerdem soll das System auch dann noch zuverlässig arbeiten, wenn ein Hochvolt-Akku nach einigen Jahren deutliche Ermüdungserscheinungen zeigt.

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