Das Kombinieren von Benzin- und Elektromotoren zu sparsamen Hybridantrieben hat sich in den vergangenen knapp 20 Jahren zur Kernkompetenz von Toyota entwickelt. Dabei setzt längst nicht mehr nur der Vorreiter Prius auf die Technologie der zwei Antriebsquellen, sondern Toyotas Hybrid-Portfolio wächst kontinuierlich. Doch ausgerechnet eine der erfolgreichsten Baureihen der letzten Jahre blieb dabei außen vor. Bis jetzt. Nun gönnen die Japaner auch dem RAV4, 1994 immerhin ein Vorreiter des SUV-Booms, nicht nur ein Facelift, sondern erstmals auch einen Hybridantrieb.
Allerdings hat Toyota nicht etwa die Prius-Technik für den RAV4 adaptiert, sondern die des NX 300h, eines Modells der Schwestermarke Lexus. Auf Anhieb avanciert das SUV damit zum stärksten Hybrid im Toyota-Angebot. Verbrenner und E-Maschine(n) - die Allradversion verfügt über eine zusätzliche an der Hinterachse - erreichen eine Systemleistung von 197 PS. Die sind auch nötig, schließlich steht der RAV4 mit seiner erhöhten Karosserie aufrechter im Wind als der Prius und ist als Allradler deutlich mehr als 300 Kilogramm schwerer.
Tatsächlich gibt sich der RAV4 Hybrid längst nicht so lethargisch wie der Prius. Zwar fühlt sich die Beschleunigung ähnlich Gummiband-artig an, aber auch spürbar vehementer. 8,3 Sekunden von null auf hundert? Ja, das ist glaubwürdig. Der Elektromotor ist deutlich stärker als bei Toyotas anderen Hybridmodellen und wiegt den Drehmomentnachteil des Saugmotors im niedrigen Drehzahlbereich auf. Kommt die E-Maschine an ihre Grenzen, macht sich der große Hubraum des Benziners bemerkbar. 2,5 Liter, so viel bietet kaum ein anderer Vierzylinder. Allerdings klingt auch kaum ein anderer Motor so angestrengt, sobald er gefordert wird. Und die niedrige Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h zeigt, dass es bei einem Hybriden doch in erster Linie um einen möglichst geringen Kraftstoffverbrauch geht.
Die Ressourcen soll der RAV4 Hybrid vor allem im Stadtverkehr schonen. Hier kann der Elektromotor besonders in jenen Situationen seine Stärken einbringen, in denen ein Verbrennungsmotor am durstigsten ist: beim Beschleunigen aus dem Stand. Tritt man sanft auf das Gaspedal, beschleunigt das Toyota-SUV beim Losfahren fast immer lautlos und nur mit der Kraft der E-Maschine. Rein elektrisch fährt es wegen der geringen Batterie-Speicherkapazität von 1,59 Kilowattstunden zwar nur sehr kurze Etappen, dennoch lässt es sich innerorts sehr sparsam bewegen.
Dass der RAV4 Hybrid im Test 6,6 statt der versprochenen 5,1 Liter Benzin pro 100 Kilometer schluckt, liegt an den Überland- und Autobahnetappen. Im dreistelligen Geschwindigkeitsbereich ist der Benzinmotor weitgehend auf sich allein gestellt und muss den hoch aufbauenden 1,8-Tonner meist ohne elektrische Hilfe durch den Wind schieben. Dennoch ist das ein Wert, den andere benzinbetriebene 200-PS-SUVs erst einmal schaffen müssen. Im Antriebskapitel überzeugt der große Toyota-Hybrid - wenn auch mit der Einschränkung, dass der 3000 Euro teure Allradantrieb verzichtbar ist. In dieser Variante hat der RAV4 einen weiteren Elektromotor an der Hinterachse, der die beiden Räder bei Bedarf zuschaltet. Wirklich interessant ist das nur für Fahrer, die öfter im Gelände oder mit Anhänger unterwegs sind. Für alle anderen dürften zwei angetriebene Räder völlig reichen.
Es sind andere Eigenschaften, die das Toyota-SUV zu einem mittelmäßigen Auto machen. Zum Beispiel sein Innenraum, für den Toyota offensichtlich bestrebt war, die Materialien möglichst günstig einzukaufen. Das Armaturenbrett besteht aus schwarzem Hartplastik und beherbergt viele billige Kunststofftasten und -elemente. Die angeblich größtenteils mit echtem Leder bezogenen Sitze fühlen sich künstlich an, das Lenkrad liegt zittrig in der Hand, der Getriebe-Wählhebel rastet laut zwischen den einzelnen Fahrstufen hin und her.
Wenig überzeugend ist auch das Multimediasystem. Die Menülogik des Sieben-Zoll-Touchscreens ist kompliziert, die Bedienflächen sind weit vom Fahrer entfernt, teilweise zu klein und deshalb schlecht erreich- und steuerbar. Die grafische Ausgabe des Bildschirms und des 4,2-Zoll-Displays zwischen den Instrumenten erinnert an Spielekonsolen - jedoch aus der Ära des Nintendo Entertainments Systems, nicht der Playstation 4. Hilfreich ist das 360-Grad-Kamerasystem. Dann, wenn es nicht verdreckt ist, was aber ziemlich schnell passiert. Externe Geräte wie Smartphones oder Tablets können in das System eingebunden werden, aber nicht so vielfältig und selbsterklärend wie bei vielen Konkurrenten.
Das alles wäre verzeihbar, wenn der RAV4 Hybrid etwas praktischer wäre. Obwohl die Daten des Kofferraums - 501 Liter im Normalzustand plus 100 Liter des unter dem Boden liegenden Extra-Staufachs - ein variables Auto suggerieren, sollte man sperriges Transportgut nicht mit dem Toyota-SUV transportieren müssen. Bei umgeklappter Rücksitzlehne entsteht nicht nur eine Stufe zwischen Koffer- und Innenraum, sondern die Lehne lässt sich nicht komplett auf die Sitzflächen legen. Dadurch entsteht eine Rampe, die den Platz bis zum Dachhimmel stark einschränkt. Schade auch, dass sich der Beifahrersitz nicht kompakt zusammenfalten lässt. Die Hauptschuld an der eingeschränkten Variabilität trägt ausgerechnet der Hybridantrieb. Dessen Batterie hat Toyota im Bereich der Rücksitze untergebracht. Im Normalfall ein angemessener Platz, aber eben nicht, wenn der Einkauf im Baumarkt oder Möbelhaus etwas üppiger ausgefallen ist.
SUV-Fahrer - zumal die eines japanischen Hybridmodells - sind eher wenig an dynamisch-kurvigen Landpartien interessiert. Einen Tick gefühlvoller dürfte die teigige Lenkung aber schon agieren. Ebenso wie die Bremse, die einen langen Pedalweg erfordert, bis sie den RAV4 konsequent verzögert. Das Fahrwerk ist ausreichend komfortabel abgestimmt, doch über manche Unebenheit rumpelt der Soft-Geländewagen trotzdem ziemlich unbeholfen. Immerhin ist das aufpreispflichtige Fahrassistenz-Paket mit Kollisionswarner samt Fußgängererkennung, Auspark-, Totwinkel- und Spurhalteassistent inklusive Lenkimpulsen, automatischer Fernlicht-Bedienung und Geschwindigkeits- sowie Abstandsregelung und Verkehrszeichenerkennung ordentlich bestückt. Allerdings lassen sie Sicherheitssysteme das Auto immer wieder nervig piepsen.
Knapp 32 000 Euro kostet der Toyota RAV4 Hybrid ohne Allradantrieb in der "Comfort"-Grundausstattung. Die bringt bis auf eine Einparkhilfe und eine Sitzheizung alles nötige mit, was die teureren Linien "Edition" und "Executive" verzichtbar macht. Damit ist der Japaner viel billiger als das kleine Häufchen der Konkurrenten. Das etwas edlere Schwestermodell Lexus NX 300h kostet mindestens 39 800 Euro, der Mitsubishi Outlander Plug-in-Hybrid mit extern aufladbarer Batterie startet ebenfalls bei etwa 40 000 Euro. Mercedes hat den mindestens 52 000 Euro teuren Plug-in-Hybriden GLC 350 e im Angebot. Der VW Tiguan GTE, ebenfalls ein Hybrid-SUV mit Ladestecker, kommt erst in einigen Monaten auf den Markt und ist noch nicht eingepreist.
Der Toyota RAV4 Hybrid ist also alternativlos - zumindest dann, wenn man unbedingt ein Hybrid-SUV in dieser Preisklasse möchte. Soll es dagegen ein möglichst ausgewogenes Auto mit wohnlichem Innenraum, einer der Größe angemessenen Variabilität und ordentlicher Fahrdynamik sein, kommen viele SUVs infrage. Der Toyota RAV4 gehört nicht dazu. Technische Daten Toyota RAV4 Hybrid 4x4: R4-Benzinmotor mit 2,5 Litern Hubraum (Leistung 114 kW / 155 PS) und permanent erregter Synchron-Elektromotor vorne (Leistung 105 kW / 143 PS) und hinten (Leistung 50 kW / 68 PS); Systemleistung Hybridantrieb: 145 kW (197 PS); max. Drehmoment: 210 Nm bei 4200 - 4400/min (Benzinmotor), 270 Nm (Elektromotor vorne) und 139 Nm (Elektromotor hinten); Leergewicht: 1765 - 1860 kg; Kofferraum: 501 - 1733 l; 0 - 100 km/h: 8,3 s; Vmax: 180 km/h; Testverbrauch: 6,6 l / 100 km (lt. Werk: 5,0 - 5,1; CO2-Ausstoß: 117 - 118 g/km); Euro 6; Grundpreis: 34 990 Euro. Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.