Honda DN-01:Aus der Art geschlagen

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DN-01 nennt Honda eine neue und weitgehend nutzwertfreie Motorrad-Gattung mit Automatikgetriebe.

Ulf Böhringer

Vielleicht ein Motorrad oder doch ein Roller? Und heißt das Gerät nun der DN-01 oder die DN-01? Die Verwirrung ist groß, steht man das erste Mal vor dieser merkwürdigen Honda. Denn gegen ein Motorrad sprechen der lange Radstand, die seltsame Karosserie sowie die elektrohydraulische Getriebeautomatik. Gegen die Charakterisierung als Roller wiederum steht, dass das Fahrzeug weder Stauraum noch Wetterschutz hat.

Ungewohnter Anblick: Eigentlich sprechen der lange Radstand und die Karosserie dagegen, dass DN-01 tatsächlich ein Motorrad ist. Der Fahrer kann es sich in einem tiefen Sitz und dank der weit nach vorne gelegten Trittbretter gemütlich machen. (Foto: Foto: Honda)

Motorrad oder Raumgleiter?

Unter solchen Umständen muss ein Zweirad allerhand draufhaben, um die erste Skepsis wettzumachen - und es fängt zum Glück gleich unkompliziert an: Starterknopf drücken, der aus Transalp, Deauville und Africa Twin bekannte V-Zweizylinder schnurrt sofort los, ohne dass der Fahrer rollertypisch Hand an eine Bremse legen muss. Denn: Grundsätzlich ist erst mal der Leerlauf eingelegt, was im Stand das Spiel mit dem Gasgriff ermöglicht.

Human Friendly Transmission, kurz: HFT, nennt Honda den Getriebeautomaten, der seine Sache tatsächlich ausgezeichnet macht. Zum Losfahren drückt man am rechten Lenkergriff auf die D-Seite eines roten Zweiwege-Tasters. D steht für Drive und ist, wie im Auto, das Normalfahrprogramm. Dabei schaltet die Automatik bei moderaten Drehzahlen und wirft vor allem das Drehmoment des 680 Kubikzentimeter großen Motors in die Waagschale.

Die Schaltstufe D ist erste Wahl fürs Gleiten, wobei der Benzinverbrauch recht günstig ausfällt, weil extreme Drehzahlen ausgeschlossen sind. Das Temperament von DN-01 ist angesichts des Leergewichts von 270 Kilogramm zwar nicht gerade überschäumend, doch genügen die 45 kW (61 PS) für ausreichend zügiges Fortkommen. Optional zur Stufe D kann mit einem grauen Taster auf der linken Lenkerseite das S-Programm aktiviert werden; dann liegen höhere Drehzahlen an, der Raumgleiter wird agiler.

Die dritte Möglichkeit besteht im manuellen Schalten per Taster; zur Auswahl stehen sechs Gangstufen. Auch dieses Verfahren funktioniert tadellos, allerdings verliert DN-01 dadurch einen Gutteil des Gleiter-Status, weshalb der manuelle Getriebeeingriff schon bald als überflüssig empfunden wird. Die beiden Automatikprogramme können es ohnehin ähnlich gut wie ein geschickter Fahrer. Was jeder, der Automatikgetriebe nicht rundherum ablehnt, inzwischen vom Personenwagen her weiß.

Insgesamt 2500 dieser ungewöhnlichen Fahrzeuge sollen im ersten Jahr nach Europa kommen, allein 1500 davon nach Italien. Deutschland hat eine vergleichsweise geringe Zahl erhalten, hört man von den deutschen Honda-Leuten. Denn dort ahnt man schon, wo die Achillesferse von DN-01 liegt, nämlich in der extrovertierten Formgebung und der damit verbundenen Sitzposition. Diese ist cruiserartig ausgefallen, mit recht tiefem Sitz und nach vorne orientierten Füßen, die auf Trittbrettern ruhen. Der Lenker ist ellenlang, zum Ablesen der Digitalinstrumente darf es gerne die Fernbrille sein. Daraus resultiert die von Honda gewünschte unaggressive Einstellung zum Fahren von DN-01, was einerseits vernünftig, andererseits aber bestimmt nicht jedermanns Sache ist.

Stolze 11.790 Euro ruft Honda für DN-01 auf, Sinnvolles wie das Kombi-Bremssystem mit ABS inklusive. Viel Geld für ein ansonsten weitgehend nutzwertfreies Vehikel, das in seinem ganzen Wesen ein chromloser Cruiser und ganz sicher kein Roller ist. Bleibt also die Frage, welche Klientel sich für DN-01 gewinnen lassen wird. Vielleicht wenige Motorradfahrer, die mit der steten Leistungsspirale abgeschlossen haben. Aber vielleicht greifen auch Leute zu, denen ihr Cabrio zu profan geworden ist, denn: Mehr Exklusivität ist für knapp 12.000 Euro derzeit kaum zu haben. Gänzlich unbeantwortet aber bleibt die Frage, ob DN-01 nun ein Er oder eine Sie ist.

© SZ vom 25.10.2008/gf - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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