Hoffnung Elektroauto:Revolution aus Berlin

Nicht weniger als eine "Zeitenwende in den Städten" verspricht die Bundesregierung, und das binnen elf Jahren: Sie will bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen holen.

Michael Bauchmüller

Einsam und verlassen finden sich in Berlin neuerdings schmale Säulen, Zapfsäulen für Elektroautos. Sie sind gut einen Meter hoch, tragen das Logo des Stromkonzerns RWE und haben eines gemeinsam: Benutzt werden sie so gut wie nie. Sie sind Symbol einer Zukunft, in der Autos nicht Sprit tanken, sondern Strom; sie sind die Edelstahl gewordene Version des Slogans "Weg vom Öl".

Hoffnung Elektroauto: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, SPD, posiert mit einem Mini Elektro-Auto in Berlin. Das Kabinett hat am Mittwoch den Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität verabschiedet.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, SPD, posiert mit einem Mini Elektro-Auto in Berlin. Das Kabinett hat am Mittwoch den Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität verabschiedet.

(Foto: Foto: AP)

Auch die Bundesregierung will weg vom Öl, in ferner Zukunft jedenfalls. Am Mittwoch verabschiedete sie ihren "nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität". Die Länge des Titels steht in schlechtem Verhältnis zu den konkreten Inhalten, aber der Plan ist Symbol wie die Säulen: Elektroautos sind kein Spinnerthema mehr, sie sind Regierungsthema. Eine Million dieser Autos sollen bis 2020 auf deutschen Straßen rollen. Der Bund lädt zur Revolution.

Der Charme von Elektroautos ist immens. Sie bringen die Energie weitaus effizienter auf die Straße, sie stinken nicht, sie machen keinen Lärm. Einmal angeschlossen an das Stromnetz, können ihre Batterien als gigantischer Stromspeicher dienen, immer dann, wenn keiner die Autos braucht.

Als angenehmer Nebeneffekt bahnen sie der Nation damit den Weg in die erneuerbaren Energien: Stürmt es in der Nacht, laden die Batterien sich auf. Flaut der Wind ab, speisen die Autos das Stromnetz, zumindest solange niemand damit fahren will. Gelingt es, die Autos nur mit Öko-Strom zu betreiben, wäre Verkehr erstmals ohne Klimaschäden möglich. Selbst die Batterien sind in den vergangenen Jahren deutlich besser geworden, sie fassen mehr Strom bei geringerem Gewicht, sie entladen sich kaum noch von selbst. Elektroautos könnten große Zukunft haben.

Das Elektroauto ist keine neue Idee

Ob sie diese Zukunft bekommen, liegt nicht allein in Händen von Regierungen, auch nicht in denen der Stromkonzerne, die neues Geschäft wittern. Es wird Aufgabe der Industrie. Die aber wird nicht wegen staatlicher Fördermittel auf Elektroautos setzen, sondern der Märkte, der Nachfrage wegen. Und die Chancen stehen gut, dass die Märkte es regeln. Der Ölpreis wird absehbar wieder dreistellig. Strom als Kraftstoff wird attraktiver.

Ganz neu ist die Idee ohnehin nicht. Noch Ende des 19. Jahrhunderts war der Elektroantrieb Stand der Technik. Das französische Modell La Jamais Contente ("die Unersättliche") knackte 1899 als erstes Auto die Marke von 100 Stundenkilometern. Doch flüssige Kraftstoffe ließen sich im Tank besser speichern als Strom in der Batterie. Otto- und Dieselmotor zogen davon. Die Infrastruktur folgte - vom Ölfeld bis zur Tankstelle.

Innerhalb weniger Jahrzehnte eine solche Infrastruktur umzubauen, Tankstellen gegen Ladekabel und Millionen mobile Kleinstkraftwerke gegen eine Struktur mehr oder weniger großer Kraftwerke einzutauschen, das ist in der Geschichte beispiellos. Gelänge es, wäre das mehr als nur eine Revolution der Mobilität. Es wäre der erste Beweis, dass sich Industriegesellschaften erneuern können.

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