Heinkel "He 178":Mehr als heiße Luft

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Vor 70 Jahren läutete der Jungfernflug der Düsenmaschine Heinkel He 178 das Jet-Zeitalter ein. Warum sich seither so viel nicht verändert hat.

Christopher Schrader

Es war der 27. August 1939, ein Sonntag, als früh morgens um vier Uhr bis dahin noch nie gehörter Lärm die Bürger von Rostock aus dem Schlaf schreckte. Doch bis sie sich aus dem Bett ans Fenster gequält hatten, war das Heulen und Fauchen schon vorbei - immerhin waren die Rostocker Ohrenzeugen eines historischen Ereignisses geworden. Denn über dem Gelände der Heinkel-Werke im Stadtteil Marienehe kreiste mit unerhörter Geschwindigkeit die erste Düsenmaschine der Welt auf ihrem Jungfernflug: die Heinkel He 178 - 7,50 Meter lang und mit 7,20 Meter Spannweite.

Die Heinkel würde heute in den Rumpf eines A380 passen. (Foto: Foto: Eads.net)

Sie könnte heute bequem im Rumpf eines Airbus A380 parken, ihrem jüngsten Nachkommen. In den 70 Jahren seit dem Testflug hat sich die offiziell Turboluftstrahlantrieb genannte Technik von einer strategischen Waffe des Militärs zur Grundlage des zivilen Luftverkehrs entwickelt. Die He 178 trug nur einen Menschen wenige Minuten lang, den deutschen Testpiloten Erich Warsitz. Der A 380 bringt als erster Doppeldecker unter den Großraumjets mehr als 500 Passagiere nonstop in zehn Stunden von einem Kontinent zum anderen.

Die Strahltriebwerke sind in den sieben Jahrzehnten technischer Entwicklung immer leistungsfähiger, zuverlässiger, sparsamer und leiser geworden, die Flügel und Rümpfe größer und leichter. Doch für jeden, der im Cockpit eines Jets sitzt, ist es ein Abenteuer geblieben. "Es ist von einer manuellen zu einer mentalen Aufgabe geworden, aber immer noch sehr schön", sagt Norbert Wölfe, seit 38 Jahren bei Lufthansa und Chef der Langstreckenflotte.

Erich Warsitz war die Bedeutung des ersten Düsenflugs durchaus bewusst. "Wir dachten damals mit Recht, eine Welt erobert und eine neue Epoche mit Erfolg eingeleitet zu haben", erinnert sich Warsitz.

"Wir" - das waren neben Warsitz vor allem der Flugzeugbauer Ernst Heinkel und Hans Joachim Pabst von Ohain, der Konstrukteur des Düsenaggregats. Doch die neue Epoche ließ auf sich warten. Fünf Tage nach dem Erstflug begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Die "goldbetressten Herren", so Warsitz, "hielten das Ganze lediglich für eine eindrucksvolle Spielerei". Erst gegen Ende des Krieges schickten die Nazis mit der Messerschmidt Me 262 den ersten Düsen-Jäger aus. Die Versorgung im von den Alliierten bedrängten Deutschland war jedoch so schlecht, dass die Triebwerke mangels hitzefestem Stahl nach nur 25 Flugstunden ruiniert waren.

Ein Aggregat als Lösung

Währenddessen schaffte es auch von Ohains englischer Konkurrent Frank Whittle in die Luft: Sein erstes Düsenflugzeug, die Gloster E 28/39, hob am 15. Mai 1941 zum Jungfernflug ab. Beide Männer hatten unabhängig voneinander die gleiche Idee gehabt und verwirklicht.

"Für den Strahlantrieb war die Zeit reif", sagt Hans Holzer, der beim Deutschen Museum in München die Luftfahrttechnik bis 1945 betreut. "Propellerflugzeuge stießen an eine Grenze. Die Spitzen der Luftschraubenblätter erreichten allmählich Schallgeschwindigkeit, die Vibrationen der Motoren, in denen sich Kolben auf und ab bewegten, waren kaum noch zu beherrschen."

Von Ohains Lösung war ein Aggregat, in dem die bewegten Teile nur noch rotierten. Ein Kompressor vorn verdichtete die Luft, Treibstoff wurde eingespritzt und gezündet, die Verbrennung drückte ihre Abgase mit hohem Tempo hinten aus einer Düsen, dabei drehten sie die Schaufeln einer Turbine, die wiederum den Kompressor antrieb.

Ein Nachbau, an dem der Konstrukteur selbst mitgearbeitet hat, steht im Deutschen Museum - die He 178 selbst wurde nach der Erprobung demontiert und dann im Krieg zerstört.

Heinkel "He 178"
:Mehr als heiße Luft

Vor 70 Jahren eröffnete der Flug der Düsenmaschine Heinkel "He178" das Jet-Zeitalter. Seither haben sich die Flieger nicht nur optisch verändert.

Christopher Schrader

Whittles Aggregat funktionierte im Prinzip genauso, nach Kriegsende wurde sein Labor zum Zentrum der lange dominierenden englischen Triebwerksindustrie. Und so war das erste Verkehrsflugzeug mit Düsenantrieb ein englisches Fabrikat: die de Havilland Comet.

Ein englisches Fabrikat: Das erste Verkehrsflugzeug mit Düsenantrieb. (Foto: Foto: Getty Images)

Sie eröffnete am 2. Mai 1951 mit einem BOAC-Linienflug von London nach Johannesburg das Jet-Zeitalter; an Bord war Platz für 44 Passagiere. Die Comet besaß vier Rolls-Royce-Triebwerke, die an der Wurzel der Flügel eingebaut waren. Die elegante Konstruktion, weiß Ludwig Dorn, beim Deutschen Museum für Luftfahrzeuge nach 1945 zuständig, machte die Wartung aufwendig - fünf bis sechs Mechanikerstunden pro Flugstunde.

Erste tödliche Abstürze

Gravierender waren die Probleme mit den Fenstern. "Sie waren rechteckig, an den Ecken konzentrierten sich die Spannungen in der Rumpfstruktur", sagt Dorn, was der Dauerfestigkeit des Rumpfs geschadet habe. Der erste Passagierjet verursachte daher auch die ersten tödlichen Abstürze des Jet-Zeitalters - die Maschine des Debüt-Fluges zum Beispiel krachte im Januar 1954 ins Mittelmeer. Von 1954 bis 1958 zogen sich die Untersuchungen und das Re-Design hin. Und obwohl die Comet 4 am 4. Oktober 1958 als erste Düsen-Maschine den Atlantik überquerte, brachte ein anderes Flugzeug den Durchbruch.

Die Boeing 707 wurde 1958 von PanAm in Dienst gestellt; der erste Flug führte am 26. Oktober des Jahres von New York nach Paris. In den sechziger Jahren dominierte die 707 den kommerziellen Luftverkehr; sie konnte 150 Passagiere aufnehmen, die vier Motoren hingen unter den Flügeln. Und diese brachten eine wichtige Neuerung mit: den Turbofan. Er machte die Motoren leiser und sparsamer und ermöglichte so Interkontinentalflüge ohne Zwischenlandung.

Flug ins All
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Die Reise ist kurz, aber teuer: 200.000 Euro sollen Touristen für drei Minuten in der Schwerelosigkeit zahlen. Dafür ist die Aussicht spektakulär.

"Bei einer 707 brauchte man für die Strecke vom mittleren Atlantik nach Frankfurt 30 Tonnen Kerosin", sagt Lufthansa-Kapitän Norbert Wölfle. "Bei der 747 ist die Menge zwar gleich groß, sie ist aber auch viel schwerer und befördert zweieinhalbmal so viele Passagiere und Fracht."

Die Boeing 747 wurde im Februar 1969 vorgestellt, das erste Großraumflugzeug mit bis zu zehn Plätzen pro Reihe. Der erste Linienflug führte am 15. Januar 1970 von New York nach London. "Eine große Waffe für den Frieden" soll der Boeing-Chef die Maschine genannt haben - wohl kein anderes Flugzeug hat zu so vielen Kontakten zwischen Kontinenten geführt.

Die Concorde kann in dieser Kategorie nicht mithalten. Sie war nicht das größte, aber das schnellste Verkehrsflugzeug. Mit fast 2200 Kilometer pro Stunde transportierten die Maschinen von 1976 bis 2003 etwa 100 Erster-Klasse-Passagiere von London oder Paris nach New York - in nur vier Stunden. Doch ein spektakulärer Crash beim Start in Paris läutete im Juli 2000 das Ende der 15 Maschinen ein.

Starten auf Knopfdruck

Heute fliegen Passagiere in der Regel billiger, mit besserem Unterhaltungsprogramm, in engeren Sitzreihen - aber eigentlich hat sich wenig geändert. Der Job im Cockpit indes hat sich radikal gewandelt. Allein das Starten der Triebwerke erforderte früher sehr hohe Aufmerksamkeit, erzählt der Museum-Kurator Ludwig Dorn, der selbst Frachtmaschinen der Typen Douglas DC-8 und Boeing 747 flog.

Heute regele der Computer den ganze Vorgang, der Start geschehe quasi auf Knopfdruck. Trotzdem packt den Kapitän Wehmut, wenn er eine alte Boeing 707 sieht. "Hört man die starten, kann man das gar nicht verwechseln." Denn wie 1939 fällt dann Heulen und Fauchen vom Himmel.

© SZ vom 24.08.2009/gits - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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