Harley-Davidson-Treffen in Österreich:Familienfest statt Rockerkrieg

Faaker See, Harley-Davidson, European Bike Week, Kärnten

Unterwegs zum Familientreffen: Biker auf dem Weg nach Faak am See

(Foto: Harley-Davidson)

Auf der European Bike Week treffen sich mehr als 100.000 Harley-Davidson-Fans. Doch vor Rockerkrieg zwischen Hells Angels und Bandidos braucht sich niemand fürchten. Auf dem Treffen herrscht Volksfeststimmung.

Von Sascha Gorhau, Faak am See

Andi sitzt auf einer Bierbank. Es ist vier Uhr Nachmittag. Sein Blick ist leer, sein Kopf hochrot, sein Bodybuilding-Körper solarium-dunkelbraun ist. "Der Andi hat a weng zvui drunkn", sagt ein Freund von ihm. Andi wankt mit starrem Blick und Stiernacken zum Unisex-WC.

Mehr als 100.000 Motorradfahrer strömen in diesen Tagen zur European Bike Week nach Faak am See in Kärnten. Sie besuchen ein Festival, einen Zirkus. Die erste Attraktion beim Betreten des Geländes ist ein Italiener, der mit seiner alten Vespa knallorange gestrichenen Vespa im Kreis fährt - ohne Vorderreifen. Um ihn herum johlen und klatschen etwa zwanzig belustigte Biker. Spektakulärere Fahrmanöver werden sie heute nicht mehr sehen, denn das "Abrauchen" von Hinterreifen, die sogenannten Burnouts, hat der Hersteller auf dem Gelände untersagt. Es sei zu gefährlich.

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Show muss sein - auch wenn das Zweirad keine Harley ist.

(Foto: SOM)

Wo sind die Enkel?

Gefahr. Das ist wohl einer der ersten Gedanken, die einem beim Anblick zotteliger Kuttenträger auf ihren brüllend lauten Motorrädern durch den Kopf schießen. Immerhin gehören die Maschinen aus der Werkstatt von Harley-Davidson bei Motorradgangs wie den Hells Angels oder Bandidos fast schon zur Standardausstattung. Diese Rockerclubs fallen oftmals eher durch Verstrickungen in Prostitution, Drogenhandel oder Schutzgelderpressung auf.

Gefahr verströmt das Treffen am Faaker See aber so gar nicht. Es gleicht eher einem Familientreffen - zu dem die Enkel aber wohl nicht kommen wollen. Die Besucher des Festivals sind größtenteils schon älter, die T-Shirts spannen sich über Wohlstandsbäuchen und viele der Tättowierungen sind zusammen mit ihren Trägern gealtert.

Harleyfahren ist auch nichts für Geringverdiener. Zwar kostet das Einstiegsmodell weniger als 9000 Euro, doch die Unterhaltskosten für die hubraumstarken Zweizylindermotorräder und die obligatorischen Umbauten gehen ins Geld. Speziell für Individualisierungen geben Enthusiasten viel Geld aus. Stephan Ehlers aus Krefeld ist sein Hobby besonders viel wert, er besitzt die teuerste Maschine des Treffens. Für 130.000 Euro hat er sie sich in einer Spezialwerkstatt anfertigen lassen. Außer Motor und Getriebe ist an dem futuristischen Bike nichts mehr, wie es einmal war.

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Stephan Ehlers und sein 130.000-Euro-Bike

(Foto: SOM)

Die wertvollen Bikes ziehen auch Diebe an. Schon vor dem Beginn der Veranstaltung sind Maschinen im Wert von fast 400.000 Euro verschwunden. Erik aus Holland sichert deshalb seine Maschine mit Spezialschlössern, die er an sein Wohnmobil gekettet hat. Der Mittfünfziger hat wie viele andere sein Motorrad auf dem Anhänger nach Österreich transportiert. Die weiß-rot-lackierte Maschine ist poliert, sie sieht aus wie neu. Erik hat eine Glatze, trägt eine Sonnenbrille und hat ein Kreuz wie ein Hafenarbeiter. Mit weicher Stimme sagt er, dass er die freundliche Atmosphäre schätzt. Die Polizei bestätigt das: Bisher habe es bis auf die Diebstähle auf dem Gelände keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben.

Auch Alex will, dass das so bleibt. Er ist Mitglied bei den Holy Riders, einem christlichen Motorradclub. Alex steht in der Sonne und verteilt Bibeln für Biker. Er predigt Nächstenliebe. Bereitwillig erzählt er seine Geschichte. Er stamme aus Kasachstan, habe als Unternehmer gearbeitet und Schulden gemacht. Sein Egoismus sei ihm über den Kopf gestiegen, dann habe er begonnen zu geben statt zu nehmen. Heute sei er erfolgreich und glücklich. Nachdem er seine Geschichte erzählt hat, nimmt er seine oft verdutzten Gesprächspartner an der Hand und betet für sie.

Rock aus den 80ern

Am Abend füllt sich das Festivalgelände rund um den See. Die Jugend aus der Umgebung will ein Spektakel sehen. Sie sieht alte Männer mit langen grauen Bärten und überdimensionalen Kopfbedeckungen in Form eines Bierkruges. Sie sieht reife Damen, deren schwarze Lederkluft zu eng und deren Makeup zu dick ist. Und sie sieht eine Band, die Lieder von Guns N' Roses nachspielt.

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Alles auf Achtziger: im Bild eine Guns-N'-Roses-Coverband

(Foto: SOM)

Später spielt ein Elvis-Imitator, danach eine Band, die Achtziger-Rocksongs covern wird. Im Hintergrund blubbern viele Motoren, weil die Hersteller von Zubehörauspuffanlagen mit ihren aktuellen Produkten um die Wette röhren. Rund um den See fahren dann Tausende Bikes auf der für Autos gesperrten Seerunde. Alte Milde werden beim Kaffee über Umbauten an ihren Maschinen plaudern. Andi ist dann bestimmt nicht mehr hier. Er passt irgendwie nicht hierher.

Die Reisekosten zur European Bike Week wurden teilweise von Harley-Davidson übernommen.

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