Großsegler:Zurück in die Zukunft

Hohe Schwerölpreise und strenge Umweltschutzauflagen zwingen die Seeschifffahrt zum Umdenken - plötzlich sind Großsegler wieder gefragt.

Ingo Petz

Wenn man über die Zukunft der Seefahrt spricht, muss man vielleicht wieder am Anfang beginnen - beim Wind. Ihn gibt es gratis, er ist zu 100 Prozent umweltverträglich und er ist als Antrieb unschlagbar effizient. Steigende Schwerölpreise und strenge Umwelt- und Klimaschutzauflagen zwingen die Reeder dazu, verstärkt über alternative Antriebe nachzudenken.

Großsegler: Hart am Wind: Mit Schiffen wie dem Großsegler "Cape Horn"  soll eine neue Epoche der Schifffahrt beginnen.

Hart am Wind: Mit Schiffen wie dem Großsegler "Cape Horn" soll eine neue Epoche der Schifffahrt beginnen.

Der Wind steht gut für Visionäre

Im Moment bläst die Seefahrt rund fünf Prozent der weltweiten CO2-Emissionen in die Atmosphäre, außerdem Schwefel- und Stickoxide. Emissionszertifikate und hohe Steuern und Gebühren für schwere Frachter sollen den Schadstoff-Ausstoß künftig verringern. Im April hat die internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) das sukzessive Verbot des giftigen Schweröls beschlossen.

Der Wind steht also gut für Visionäre wie Hartmut B. Schwarz. Er war Segeloffizier auf der Gorch Fock, dem Segelschulschiff der Bundesmarine und steuerte als Kapitän das Segelkreuzfahrtschiff Sea Clould of Cayman. Anfang der Achtziger hatte der gebürtige Berliner eine Idee. "Warum die Auftriebskräfte, die man bei Flugzeugen nutzt, nicht als Vortriebskräfte für große Segelschiffe nutzen?"

Er konzipierte ein 134 Meter langes Segelkreuzfahrtschiff. Der Clou: Die gesetzten Rahsegel bildeten eine durchgehende Fläche und erinnerten ihrer Form nach an Flugzeugtragflächen. Das Schiff sollte damit extrem hoch am Wind segeln, also auch dann noch Vortrieb entwickeln, wenn der Wind fast schon von vorne blies. Windkanal-Tests ergaben, dass die Pinta rund 22 Knoten schaffen würde - so viel wie ein moderner Motorfrachter.

Schwarz hatte die Idee des Hamburger Schiffsbauingenieurs Wilhelm Prölss aufgegriffen und weiterentwickelt. Der hatte bereits 1968 einen riesigen Segelfrachter konstruiert - mit einem revolutionären Rigg, dem so genannten Dyna-Rigg, das ohne Takelage auskam und erstmals eine durchgehende Segelfläche an den Masten aufwies. Zwar gab es in den Achtzigern einige Projekte, Frachter mit Segeln auszustatten, aber das Öl war noch so billig, dass niemand zum langfristigen Umdenken gezwungen wurde. Prölss' Rigg wurde erstmals 2006 gebaut - für die Luxusyacht Maltese Falcon des US-Milliardärs Tom Perkins.

Zurück in die Zukunft

Schwarz, dessen Pinta seinerzeit an der Finanzierung scheiterte, glaubt, dass die Zeit nun reif sei, das Projekt wiederzubeleben. Es heißt jetzt Cape Horn und soll ebenfalls ein Kreuzfahrtschiff werden, das Schwarz mithilfe von 600 Enthusiasten aus den weltweiten Nobel-Yachtclubs finanzieren will.

Großsegler: Schon 1968 konstruierte Wilhelm Prölss einen Frachter mit Segeln.

Schon 1968 konstruierte Wilhelm Prölss einen Frachter mit Segeln.

Das giftige Schweröl wird sukzessive verboten

Bei touristischen Kreuzfahrten im oberen Preissegment haben diese Windschiffe, so Experten, durchaus das Potenzial, sich eine Marktnische zu erobern. Und weil sich der heutige 72-Jährige von seinem Projekt auch eine Vorbildfunktion verspricht, hat er Frachter mit Segeln und einem Hilfsmotor konzipiert, mit denen Massengüter wie Erz, Bauxit und Getreide transportiert werden könnten, die keinem Termindruck unterliegen.

Nach seinen Berechnungen würde ein solcher Frachter (rund 220 Meter Länge, etwa 32 Meter Breite) vom brasilianischen Tubarao zur chinesischen Stadt Qingdao ebenso schnell sein wie ein vergleichbarer Motorfrachter (rund 34 Tage), würde aber rund 544.000 US-Dollar Bunkeröl einsparen und entsprechend wenig die Umwelt belasten - bei 10.000 Tonne weniger Frachtraum.

Der Hamburger Schiffsbauingenieur Peter Schenzle hat solch ein Projekt in den Achtzigern schon mal in die Tat umgesetzt - die Maruta Jaya, einen Segelfrachter, der von einem deutsch-indonesischen Forschungsprojekt für den Warentransport zwischen den indonesischen Inseln entwickelt wurde. Nachweislich konnte sein Indosail-Rigg bis zu 70 Prozent Treibstoff einsparen.

"Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel", urteilt Wolfgang Bohlayer, Ingenieur von Thyssenkrupp-Marinesystems. "So ein Frachter muss nicht zu groß sein und ist für die Fahrt zwischen den indonesischen Inseln hervorragend geeignet." In solchen Nischen könne er sich deshalb auch gut den Einsatz von Frachtern mit Hybridantrieben vorstellen.

Zurück in die Zukunft

Wozu auch kleine Boote mit einem Solarantrieb gehörten. Bei Frachtern oder Bulk Carriern mit bis zu 20.000 Tonnen sei er, was eine "Renaissance der Windschiffe" angehe, nicht so optimistisch. "Denn für solche Schiffe mit riesigen Masten müssten die kompletten Hafen-, Lade- und Löschanlagen erneuert werden. Um solch radikale Änderungen herbeizuführen, müsste der Leidensdruck bei den Reedern immens sein."

Hybrid- und Solarantrieb - an alles wird gedacht

Schenzle stimmt dem zu. Die Seefahrt und die dazugehörige Logistik und Technik sei seit mehr als 100 Jahren auf den billigen Ölpreis ausgerichtet. "Deswegen passiert die Veränderung nur in sehr kleinen Schritten." Kurzfristige und unkomplizierte Lösungen, wie sie von "SkySails" angeboten würden, seien deshalb aktuell besonders attraktiv. Das Hamburger Unternehmen produziert Flug-Drachen, die herkömmliche Frachter mit der Kraft des Windes ziehen und auf diese Weise Treibstoff sparen. Viele Reedereien testen diese Drachen gerade.

Der Erfolg der Hamburger zeigt, dass alternative Antriebskonzepte nicht mehr nur als Spinnerei abgetan, sondern mittlerweile sehr ernst genommen werden. "Wir erwarten nicht, dass eine einzelne Antriebsart den Dieselmotor ablösen wird", sagt Max Johns, Pressesprecher des Verbandes Deutscher Reeder. "Vielmehr wird es in Zukunft eine Vielzahl von Hybridlösungen geben, die für einzelne Schiffstypen interessant sein können."

Schenzle fordert aber : "Wenn wir wirklich einmal ernsthaft die Chance zum emissionsfreien Seetransport nutzen wollen, dann muss sich vieles ändern. Nicht nur in der technischen Hardware, sondern auch vom Energie-Management der Erzeuger und Verbraucher an Bord, bis zur flexiblen Organisation Saison- und Wetter-abhängiger Reisezeiten und Hafenabfertigungen im Rahmen der Transportkette." Die Zukunft der Seefahrt hat also gerade erst begonnen.

Mehr Infos unter www.windschiffe.de

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