Gottlieb Daimler zum 175.:Bewegung der Welt

Vor 175 Jahren, am 17. März 1834, wurde der Mobilitätspionier Gottlieb Daimler in Schorndorf geboren.

Thomas Wirth

Es strahlt und funkelt, was Gottlieb Daimler in den Himmel über die Dächer von Köln-Deutz zeichnet. Die Postkarte schickt der Ingenieur nach Hause ins Schwäbische, an seine Frau. "Von hier aus", schreibt er geheimnisvoll dazu, "wird ein Stern aufgehen." Ob sie ahnt, dass in diesen Worten viel mehr als eine vage Hoffnung steckt? Sie kennt den Ehrgeiz ihres Mannes.

Gottlieb Daimler Motorkutsche

Daimlers motorisierte Kutsche von 1886: Der Motor - die sogenannte "Standuhr" - sorgt mit 1,1 PS (0,8 kW) für den Antrieb. Für mehr Bilder: bitte klicken.

(Foto: Foto: Daimler)

Gottlieb Daimler, gelernter Büchsenmacher, hatte am Polytechnikum in Stuttgart studiert und mehrere Jahre in Frankreich und England gearbeitet. Dann erhält er 1872, mit 38 Jahren, das Angebot der Gasmotorenfabrik Deutz, die Position eines Technischen Direktors zu übernehmen. Die Deutzer sind Weltmarktführer für stationäre Antriebe, man verdient gut in den Zeiten aufstrebender Industrien. Einer der Firmeninhaber ist Nikolaus Otto, der vier Jahre nach Daimlers Eintritt das bis heute gültige Viertakt-Prinzip erfindet.

Daimler, der Sohn eines Schorndorfer Bäckermeisters, ist fasziniert. Doch er denkt weiter, viel weiter. In den Motoren sieht er gewaltiges Potential: Alles könnten sie antreiben, nicht nur die Maschinen der Industrie. Motoren, so ist er überzeugt, werden schon bald den Transport von Menschen und Waren revolutionieren. Er skizziert den großen Traum einer allumfassenden Mobilität, zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Noch allerdings gibt es viele Hürden: Denn die riesigen, tonnenschweren, langsam laufenden Stationärantriebe scheinen gänzlich ungeeignet für mobile Einsätze.

Immer konkretere Visionen formt Daimler aus seinem Traum von der Mobilität. Nur: In Deutz kommt er nicht weiter. Trotz seiner leitenden Position, trotz der fürstlichen Entlohnung wird er nicht glücklich. Er streitet sich immer heftiger mit Otto, den er für technisch unbegabt hält. 1882 kündigt er und lässt sich, mit erst 48 Jahren, als wohlhabender Privatier in Cannstatt nieder. Lange hält er die Ruhe nicht aus, viel zu sehr treiben ihn seine Gedanken um: Im Gartenhaus seiner feudalen Villa richtet er diskret eine Forschungswerkstatt ein und holt seinen Kollegen und Weggefährten Wilhelm Maybach, der ihn schon nach Deutz begleitet hatte, ein weiteres Mal zu sich. Er schätzt ihn als Mensch und als hoch talentierten, brillanten Konstrukteur.

Die ersten Erfolge

Die beiden bilden ein unschlagbares Duo. Ihr Ziel ist es, kompakte und schnelllaufende Motoren zu entwickeln. Eines der größten Probleme ist die Zündung. Sie versuchen es mit einem von außen beheizten Glührohr, verbessern gleichzeitig die Drehzahlregulierung. Schließlich läuft ein nur 100 Kubikzentimeter großer Versuchsmotor mit stolzen 600 U/min - ein erstaunlicher Wert. Im August 1885 kündigt sich der erste Erfolg an. Daimler baut als erstes Versuchsfahrzeug ein hölzernes Zweirad, montiert seinen Motor und lässt den Reitwagen per Patent als "Fahrzeug mit Gas- bzw. Petroleum-Kraftmaschine" vor Nachahmern schützen. Daimlers 14-jähriger Sohn Adolf ist dann als erster Mensch auf einem motorisierten Gefährt unterwegs. Er wählt die Strecke von Cannstatt nach Untertürkheim, rund drei Kilometer lang. Das an die 90 Kilogramm schwere Gefährt lässt sich zwar kaum lenken, doch es beweist, dass der neuartige Motor ein Fahrzeug antreiben kann: Der Durchbruch ist geglückt.

Gottlieb Daimler zum 175.: Den Stern vom Himmel geholt: Der Schwabe Gottlieb Daimler, geboren in Schorndorf erfüllte sich und der Welt den Traum vom Mobilsein - zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Verbrennungsmotor, der er entwickelte (oben), trieb 1886 die Motorkutsche an.

Den Stern vom Himmel geholt: Der Schwabe Gottlieb Daimler, geboren in Schorndorf erfüllte sich und der Welt den Traum vom Mobilsein - zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Verbrennungsmotor, der er entwickelte (oben), trieb 1886 die Motorkutsche an.

(Foto: Foto: Daimler)

Besessen arbeiten Daimler und Maybach weiter. Nun statten sie eine vierrädrige Kutsche mit dem Motor aus, erste Probefahrten folgen im Sommer 1886. Etwas über ein PS liefert der Motor an die Hinterräder. Genug, um das Vehikel auf eine Geschwindigkeit von 18 km/h zu beschleunigen. Ein atemberaubendes, abenteuerliches Tempo ist das, besonders mit der traditionellen Drehschemellenkung, die sich als äußerst tückisch erweist.

Die Ereignisse in jenen Jahren überstürzen sich und 1886 wird das Automobil gleich zwei Mal erfunden: In Mannheim gibt es einen Karl Benz, der als handwerklich begabter Ingenieur ebenfalls fasziniert von der Idee eines selbstlaufenden Fahrzeugs ist. Der Wagen, an dem der Fahrrad-Liebhaber Benz arbeitet, soll keine schwere, herkömmliche Kutsche sein. So schweißt und lötet er im zweiten Halbjahr 1885 aus hochfestem Stahlrohr ein Dreirad, weil er weiß, dass es für das sichere Lenken einer Achse noch keine Lösung gibt. Ende Januar 1886 meldet er sein "Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb" zum Patent an, die Geburtsurkunde des Automobils.

Rund fünf Monate vorher hatte Gottlieb Daimler sich den Reitwagen schützen lassen. Doch das war noch kein Automobil, und seine Cannstatter Kutsche fährt erst ein halbes Jahr nach dem Benz'schen Velociped. Während der Mannheimer seine Probefahrten immer weiter ausdehnt, denkt Daimler bereits über weitere Nutzungen nach. Rasch ist sein Schnellläufer in einem Boot montiert, das auf dem Neckar fährt. Er findet sogar mehrere Dutzend Käufer.

Der Stern schreibt Geschichte

Sein Motor, den er nun in Serie baut, entpuppt sich als das erhoffte Universaltalent. 1887 treibt er eine Straßenbahn an, die zum Cannstatter Volksfest und zurück in die Stadt pendelt: Das ist eine große Belustigung fürs Volk, und - sehr clever - eine erstklassige PR-Aktion. 1889 fährt die erste Straßenbahn mit Daimler-Motor in Paris, 1891 in Palermo. Daimler baut Feuerspritzen, Draisinen und rüstet 1888 sogar ein Luftschiff aus, das erste motorisierte der Welt. Erstaunliche zehn Kilometer weit schwebt es durch die Lüfte.

Doch auch am Thema Automobil arbeitet Daimler intensiv weiter. Er konstruiert mit Maybach einen Stahlradwagen, rüstet ihn mit einem Zweizylinder aus und lässt das Kühlwasser in den Stahlrohren des Rahmens zirkulieren. 1,5 PS leistet er, und es gibt bereits ein richtiges Getriebe mit Zahnrädern. 1889 steht dieses "Motor Quadricycle" auf der Weltausstellung in Paris. Und sorgt umgehend für Furore: Die Firma Panhard & Levassor erwirbt die Nutzungsrechte, und noch 1889 beginnen sie mit der Produktion des Motors. So schiebt Gottlieb Daimler die Gründung der französischen Automobilindustrie maßgeblich mit an.

Schlag auf Schlag geht es weiter. Auch wirtschaftlich. Gemeinsam mit Geldgebern gründet Daimler 1890 die Daimler-Motoren-Gesellschaft, kurz DMG. Doch es zeigt sich, wie unterschiedlich ihre Zielsetzungen sind. Wilhelm Maybach verlässt das neue Unternehmen schnell wieder, 1894 folgt ihm Daimler - tief enttäuscht über seine Partner, die ihm sogar den Konkurs androhen. Dass beide Ende 1895 zurückkehren können, ist Folge eines glücklichen Umstands: Englische Lizenz-Interessenten machen ihre Unterschrift von einer Mitarbeit der Konstrukteure im Unternehmen abhängig.

Mit dem sogenannten "Riemenwagen" startet in den 1890er Jahren eine neue Generation von Automobilen. Weiter geht es mit dem ersten Omnibus, 1895, und dem ersten Motor-Taxi in Stuttgart, 1897. Bis zu fünf Tonnen können die Lastwagen bereits schleppen, für Brauereien und Spediteure bricht eine neue Ära an.

So schreibt der Stern tatsächlich Geschichte: Er wird zu einem der bekanntesten Markenzeichen der Welt. Daimler glaubte an die Motorisierung der Massen, doch erleben darf er sie nicht mehr: Der Mobilitäts-Pionier stirbt am 6. März 1900, kurz vor seinem 66. Geburtstag. Mit Karl Benz übrigens, seinem Konkurrenten, hat Gottlieb Daimler zeitlebens nie gesprochen.

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