Autonomes Fahren:Jetzt kommt James

Autonomes Fahren - Google-Auto im Straßenverkehr

Ohne Fahrer, aber mit guten Zukunftschancen: Das eiförmige Google-Auto im Straßenverkehr.

(Foto: dpa)

Google-Manager sagen, sie wollen keine Autos bauen, sondern Partner der alteingesessenen Hersteller sein. Beruhigend? Nicht unbedingt.

Von Thomas Fromm, Frankfurt

Das Auto der Zukunft heißt James und ist nur ein halbes Auto. Im Grunde ist da nur ein Cockpit und die vordere Sitzreihe. Denn in der Studie, die Audi gerade in Frankfurt zeigt, geht es ja erst mal nicht ums Fahren auf der Straße, sondern um die Beziehung zwischen Auto und Fahrer. Genauer: Darum, zu zeigen, wie sich die Beziehung zwischen den beiden in den nächsten Jahren verändern wird. Jahrelang war das eine Art Chef-Beziehung, wobei der Fahrer der Chef war. Das ist vorbei.

Um das zu zeigen, dafür reicht auch ein halber James, da sich die Beziehung ja vor allem vorne, im Cockpit, verändert. Fährt James selbst, klappt das Lenkrad zusammen, der Bildschirm steht auf Auto-Pilot. Will James gefahren werden, weil Straße und Verkehr zu kompliziert für ihn werden, fährt das Lenkrad wieder aus. Dann müssen die Hände des Fahrers wieder ran.

Die Beziehung zu James ist ziemlich klar geregelt.

Klarer jedenfalls als die Beziehungen derjenigen, die in Zukunft solche Autos bauen. Zulieferer, Autokonzerne, IT-Unternehmen - um ein Auto zu bauen, braucht es immer mehr, die mitmachen. Und jeder von ihnen will möglichst viel vom Gewinn eines verkauften Autos für sich einstreichen. Da aber Software- und Computerhersteller immer stärker ins Auto drängen, fließt am Ende auch mehr Geld in ihre Kassen. Die Autobauer treibt also eine Frage um: Wer verdient hier eigentlich was?

Viele Anomalitäten, viele Aufträge

Der amerikanische IT-Konzern IBM zum Beispiel. Der Konzern, der vor mehr als 100 Jahren mit Lochkarten anfing, Schreibmaschinen baute und Computer, hat längst erkannt, dass man auch mit Autos Geld verdienen kann, wenn die immer mehr mit dem Internet zusammenwachsen. IBM liefert heute Technologien, ohne die Autos nicht vernetzt und autonom fahren könnten. Ohne die ein Auto nicht das Auto hinter ihm vor Unfällen oder Staus warnen kann. Deshalb sind die Leute von IBM auch bei der IAA dabei und zeigen zusammen mit dem Chipkartenhersteller Giesecke & Devrient einen Spezial-Chip, mit dem vernetzte Autos gegen Hacker-Angriffe geschützt werden sollen.

Dirk Wollschläger, der für IBM das Geschäft mit der Autobranche macht, sagt: "Mit unsere Technologie werden Anomalitäten auf der Straße erfasst." Da es viele Anomalitäten gibt, gibt es viele Aufträge.

"Wir erwarten in den kommenden Jahren für die Mobility- Branche ein dreistelliges Wachstum", sagt Wollschläger. Dreistelliges Wachstum, das ist eine ganze Menge. So viel erwartet ein Konzern wie VW nicht, und es zeigt: Für IT-Konzerne ist die Aufrüstung der Autos zu rollenden Rechenzentren ein ziemlich lukratives Geschäft. Wo sonst lassen sich zurzeit so viele Anomalitäten erfassen wie auf der Straße?

"In Zukunft dürfte ein großer Teil der Wertschöpfung in datengetriebenen Geschäftsmodellen liegen", sagt Gabriel Seiberth von der Unternehmensberatung Accenture. Klingt kompliziert, heißt aber im Grunde: Das Geld wandert von denen, die Motoren bauen, zu den Software-Entwicklern. "Wer die Kundenbeziehung hat, macht einen großen Teil vom Profit. Das würde für die traditionellen Autohersteller bedeuten, dass weniger Geld bei ihnen hängen bleibt."

Früher kauften sich die Konzerne gegenseitig

So weit will es die Autoindustrie nicht kommen lassen - und deswegen geschehen seltsame Dinge. Die VW-Finanztochter hat am Mittwoch einen Erlangener Spezialisten für bargeldloses Bezahlen gekauft, der das Abwickeln von Parkplatzgebühren über Smartphones regelt. Deshalb kaufen Audi, BMW und Daimler den Kartendienst Nokia Here für 2,5 Milliarden Euro. Früher kauften sich Autokonzerne gegenseitig. Jetzt kaufen sie fränkische Bezahldienste und digitale Karten.

Es sind Investitionen in eine Zukunft, von der man nur so ungefähr ahnen kann, wie sie aussieht. Was die Konzerne vor allem beschäftigt, ist die Frage, wer demnächst noch alles Autos bauen wird. Untereinander kennen sich die Daimlers und Audis ja gut. Aber was ist mit den Googles und Apples, wenn die erst mal anfangen, Autos zu bauen?

Insofern war das, was ein Google-Manager bei einer Podiumsdiskussion am Dienstagabend sagte, nicht uninteressant. Es geschah in Halle 3.1, da, wo sich IT-Firmen und Anbieter von alternativer Mobilität zu ihren eigenen Veranstaltungen treffen. Philipp Justus, Chef von Google in Deutschland, Österreich und der Schweiz, soll darüber sprechen, was Google überhaupt mit Autos zu tun hat. Und Justus sagt: "Google ist kein Automobilhersteller, und Google hat auch nicht vor, ein Automobilhersteller zu werden."

Raunen im Publikum, fragende Gesichter. Das sagt also der Manager eines Konzerns, der seit langem an selbstfahrenden Elektroautos forscht, der seine kleinen Vehikel medienwirksam auf amerikanischen Parkplätzen testet und in Szene setzt und der den einen oder anderen gestandenen Automanager damit schon ins Schwitzen brachte. Und jetzt also doch nur Partner der Autobauer? Mehr nicht? Kein neuer Konkurrent?

Google interessiert sich für diese Autos, will aber keine bauen

Google ist jetzt schon Partner und Zulieferer für sämtliche Autobauer, die das Smartphone-System Android in ihren Autos nutzen, und dabei könnte es bleiben. Vielleicht ist es so: Google interessiert sich für diese Autos, will aber keine bauen, weil es der Konzern alleine wohl nie so gut machen würde wie ein Porsche oder Audi. Also will er die anderen bauen lassen. Mit einer solchen Arbeitsteilung aber könnten sich die wenigsten Automanager anfreunden.

Deshalb warten am Tag darauf alle auf: Chris Urmson. Er ist zum ersten Mal bei der IAA, und es wurde wahrscheinlich auch Zeit, denn er ist derjenige, der bei Google in Kalifornien das Auto-Projekt leitet. Der junge Mann mit dem dunklen Anzug und dem blauen Hemd sieht nicht aus wie einer, der gekommen ist, um den Autokonzernen das Geschäft wegzunehmen.

Er zeigt Videos von kleinen Google-Autos auf großen sonnigen Straßenkreuzungen, spricht über Sicherheit im Straßenverkehr, über Fahrräder und Vögel, und er zeigt Bilder seiner beiden Söhne. Warum interessiert sich Google für Autos? "Google ist ein Technologieunternehmen", sagt Urmson. "Unser Ziel ist, das Fahren sicherer zu machen." Vom Autobauen spricht auch er nicht. Er spricht von "Partnern". Jetzt geht es wohl nur noch darum: Wie kann eine solche Partnerschaft aussehen?

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