Giant TCR Advanced SL 1:Rennrad im Magerwahn

Das Giant TCR Advanced SL 1 ist beängstigend leicht und perfekt für den Amateursportler. Wenn da nicht der Preis wäre.

Test von Sebastian Herrmann

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Quelle: Jake Orness; Giant

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Für Diäten interessieren sich Menschen immer. Das Segment der sogenannten Frauenmagazine würde ohne Abnehm-Tipps erschreckend an Umfang verlieren. Doch auch manche Männer fokussieren ihre Aufmerksamkeit schier zwanghaft darauf, immer mehr Gewicht einzusparen. Rennradler zum Beispiel. Je leichter ihr Equipment, desto stolzer der Gang der Herren in Funktionswäsche. Die neuen Flaschenhalter der Firma So-und-so wiegen zehn Gramm weniger als das Vorgängermodell? Grund genug zu investieren und am Rad herumzuschrauben. Das finden auch viele Rennradler selbst bizarr - bis sich plötzliche Aha-Erlebnisse einstellen.

So ein Aha-Erlebnis ergibt sich zum Beispiel, wenn man das erste Mal das Giant TCR Advanced SL1 am Oberrohr packt und anlupft. Das Ding wiegt fast nichts. Um genau zu sein: Ohne Pedale bringt das Fahrrad (in der Rahmengröße M) 6,6 Kilogramm auf die Waage. In Worten: sechskommasechs. Dieses Rennrad ist absurd leicht.

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Quelle: Jake Orness; Giant

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Seine Magersucht sorgt dafür, dass man mit dem Giant die kleinen Glücksmomente, in denen sich freudiges Erstaunen über den eigenen Antritt einstellt, etwas häufiger erlebt. Das TCR vermittelt das Gefühl, schnell zu sein (auch wenn man das lieber auf die eigenen Beine als das Rad unter dem Hintern schieben mag). Und trotz der auf Rennen ausgerichteten Geometrie des Fahrrads, erlaubt die Sitzposition auch lange Alltagsausfahrten, ohne, dass sich zu viele Körperzonen wegen Überstreckung oder Überlastung beschweren.

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Quelle: Giant

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Der Magerwahn fordert jedoch auch seinen Preis, beim Bremsverhalten zum Beispiel. Mit den superleichten Laufrädern aus Carbon lässt sich die Geschwindigkeit weniger griffig regulieren als mit gängigen Aluflanke-Felgen. Das gilt natürlich für alle Carbonlaufräder und besonders bei Nässe. Nach kurzer Eingewöhnung kommt man damit aber gut zurecht. Die Kombination aus speziellem Bremsbelag und Carbonfelge scheint doch zu den besseren zu zählen.

Die Laufräder aus Carbon stammen ebenfalls von Giant und sind wie das ganze Rad so leicht, dass ihnen das Gewicht des Schlauchventils eine leicht vertikale Unwucht zu geben scheint. Gibt man einem Rad einen kräftigen Schwung und lässt es in der Luft drehen, zieht es rhythmisch nach unten. Beim Rollen auf der Straße ist das aber nicht spürbar.

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Quelle: Giant

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Dennoch ist das Fahrgefühl auf dem Giant gelegentlich etwas schwammig. Liegt das doch an der Ventil-Unwucht oder vielleicht an der Sattelstütze? Diese besteht ebenfalls aus Karbon und ist mit dem Rahmen verbunden. Sie ist etwas weniger steif als der Rest - das reduziert Erschütterungen, womöglich aber manchmal etwas zu sehr. Beim Transport in einer Fahrradtasche oder in einem Auto mit niedrigem Innenraum kann die Sattelstütze auf jeden Fall im Weg sein.

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Quelle: Jake Orness; Giant

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Das Giant TCR Advanced SL1 ist trotz dieser Mäkelei ein sehr feines Rennrad, das vielleicht für den Alltagseinsatz ein wenig zu schlank ist. Dafür kann es aber gut auf den Laufstegen des Rennradwesens ausgeführt werden: bei einem der vielen Amateurrennen, wo die ganzen überambitionierten mittelalten Rennrad-Herren irgendwann landen, zu denen man natürlich selbst auch zählt. Genau dort kann es bei der nächsten Bergauftortur durchaus helfen, ein paar Gramm Gewicht zu sparen.

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Quelle: Jake Orness; Giant

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Gar nicht so schlank ist dafür der Preis für das Rad: 5499 Euro. Absurderweise ist das mittlerweile ein Preis, wie er für viele Rennräder gefordert wird, die wie das Giant mit Mittelklasse-Komponenten (Shimano Ultegra) ausgestattet sind. Für diese Preisklasse ist das Rad zumindest auffallend gut ausgestattet. Sehr viel Geld bleibt das trotzdem. Aber ambitionierte, mittelalte Männer in Funktionswäsche sind wohl einfach eine zahlungskräftige Zielgruppe.

Hinweis der Redaktion: Das Fahrrad wurde der Redaktion zu Testzwecken leihweise zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/reek
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