Genfer Autosalon 2018:Robotertaxis sollen durch Eleganz bestechen

VW I.D. Vizzion Genfer Autosalon 2018

2022 will VW die Konzeptstudie I.D. Vizzion als Serienauto auf den Markt bringen.

(Foto: dpa)
  • Renault und Volkswagen stellen auf dem Genfer Autosalon Konzeptstudien vor, die ähnlich groß, aber sonst völlig unterschiedlich sind.
  • Weder der EZ-GO noch der I.D. Vizzion zielen auf den privaten Gebrauch; dafür dürften sie viel zu teuer sein.
  • Ihre Perspektive liegt eher in der Nutzung als autonom fahrende Taxis.

Von Joachim Becker

Flauschteppich oder Holzfußboden? Auf dem Genfer Autosalon tobt ein Stilkampf der rollenden Wohnzimmer. VW und Renault zeigen völlig unterschiedliche Roboterfahrzeuge im 5,20 Meter-Format: VW die klassische Limousine mit vier Einzelsitzen, Renault ein halbrundes Lounge-Sofa für sechs Passagiere.

Heimelig soll es sein, selbst wenn es keine Privatautos mehr sind. Sowohl der VW I.D. Vizzion als auch der Renault EZ-GO verzichten auf den Fahrerarbeitsplatz mit Lenkrad und Pedalen, der Elektroantrieb schafft zusätzlichen Freiraum. Alle Passagiere genießen mehr Platz als in den meisten Chauffeur-Limousinen. Bezahlbar wird der Luxus durch das Autoteilen, was beim Flokati allerdings weniger appetitlich wirkt als beim Holz-Imitat auf dem Fußboden.

Der I.D. Vizzion soll der Nachfolger des Phaeton werden

Mindestens so wichtig: Die Roboterautos sind nicht nur komfortabler als öffentliche Transportmittel, sondern auch wesentlich cooler: "Meistens ist öffentlicher Nahverkehr nicht erstrebenswert, weil man in Busse und Bahnen wie in eine Sardinenbüchse eingezwängt wird", sagt Laurens van den Acker, "es ist viel menschlicher, in einer eleganten Form transportiert zu werden", fügt Renaults Design-Chef hinzu. Alles eine Frage des Stils also, auch beim autonomen Fahren.

Renault ist seit Jahrzehnten ein Trendsetter bei raumfunktionalen Autos. Der erste Espace wirkte 1984 mit seinem Kasten-Design wie ein Ufo unter den konventionellen Limousinen: "Er hat den Chic, die Schnelligkeit, die Wendigkeit und die Fahreigenschaften eines Pkw", hieß es damals in der Pressemappe. Durch die variable Anordnung der Sitze bot die Großraumlimousine viele verschiedene Nutzungsmöglichkeiten: "Der Renault Espace kommt den unterschiedlichsten Bedürfnissen moderner Freizeitgestaltung entgegen. Und mit 1,66 Meter Höhe dürfte auch ein großer Mann mit Hut beim Sitzen keine Probleme haben." Der EZ-GO verfügt über eine Innenhöhe von 1,60 Meter. Die Passagiere können mit leichter Verbeugung durch die große Heckklappe einsteigen - daher der Name "easy go", was für einfache Fortbewegung stehen soll.

Renault EZ-GO Genfer Autosalon 2018

Im Renault EZ-GO können die Passagiere ihre Plätze jederzeit wechseln.

(Foto: AP)

In Zukunft hat der Fahrer aber nicht mehr den Hut auf, weil alle Passagiere gleichberechtigt sind: Da der Renault mit maximal 50 Stundenkilometer unterwegs sein soll, brauchen sich die Insassen wie im Bus nicht anzuschnallen. Stattdessen können sie ihre Plätze und Gesprächspartner in der Sitzrunde während der Fahrt wechseln.

Sehen und Gesehenwerden ist für das Premium-Gefühl gleichermaßen wichtig. Deshalb haben der EZ-GO und der I.D. Vizzion nicht nur große Glasflächen, sondern auch ein gefälliges Erscheinungsbild, das dem modernen Menschen gut zu Gesicht steht. VW präsentiert mit dem I.D. Vizzion den Nachfolger des eingestellten Phaeton. Das Serienmodell soll 2022 nur noch so groß wie ein Passat sein, aber innen das Platzangebot des mehr als fünf Meter langen Ex-Topmodells bieten.

Das Auto verändert sich grundlegend

Umdenken ist angesagt, auch für den Vorstandsvorsitzenden des Volkswagen- Konzerns: "Im Großraum Peking werden im Jahr 2030 schon rund 130 Millionen Menschen leben, dafür braucht es eigene Schnellstraßen für autonome Fahrzeuge", sagte Matthias Müller in Genf, "wir müssen Mobilität neu denken und neu definieren. Und dafür werden wir unsere Anstrengungen noch deutlich verstärken."

Vor einem Jahr hatte der frühere Porsche-Chef in Genf die autonome Großraumlimousine Sedric vorgestellt. In diesem Jahr wurde der Transporter als Schulbus ausstaffiert: Auf der interaktiven Videowand erinnert ein persönlicher Assistent an die anstehende Klassenarbeit und gibt während der Fahrt letzte Nachhilfe-Tipps. Elektro-Mobilität, autonomes Fahren und digitale Vernetzung verändern das Auto also grundlegend - passend zu den jeweiligen Fahrgästen wandeln sich auch die digitalen Tapetenmuster.

"Die selbstfahrenden Systeme gehen noch in die Fahrschule"

Das alles ist kein Spaß: Müller unterstrich in Genf, dass der Volkswagen-Konzern bis 2022 mehr als 34 Milliarden Euro in diese Zukunftstechnologien investieren wird. Fragt sich bloß, welcher Hersteller bis dahin das autonome Fahren in den Griff bekommt. Experten schätzen die Komplexität mindestens so hoch ein wie beim ersten Mondflug im vorigen Jahrhundert. Wie weit der Weg noch ist, zeigt das jährliche Ranking der kalifornischen Verkehrsbehörde: Jedes Jahr im Dezember müssen die Firmen mit einer Testlizenz für Roboterautos melden, wie viele Eingriffe von Sicherheitsfahrern es noch gibt. Bei der Google-Schwesterfirma Waymo sind es selbst im schwierigen Innenstadtverkehr nur noch 0,2 Eingriffe auf 1000 Meilen. Die Kalifornier liegen derzeit weit vor allen Konkurrenten aus Europa.

"Die selbstfahrenden Systeme gehen noch in die Fahrschule", sagt VW-Digitalchef Johann Jungwirth. Sein Ziel: Spätestens 2022 will er mit Waymo gleichziehen und Robotertaxi in den ersten fünf bis zehn Städten im Regelbetrieb einsetzen. Für ein rein privat genutzten I.D. Vizzion wird die aufwendige Technik dann noch viel zu teuer sein.

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