Genfer Autosalon:Kleiner ist feiner

Vollmundige Absichtserklärungen sind passé: Auf dem 80. Genfer Autosalon, der diese Woche beginnt, stehen ernsthafte Serienmodelle im Mittelpunkt.

Jörg Reichle

Ein Klischee nutzt sich ab. Jahrzehntelang wurde die Autoshow in Genf, die traditionell Anfang März über die Bühne geht, mit allerlei Frühlingsmetaphern bedacht. Immer war da von Aufbruch die Rede, von Optimismus der Branche, von Blütenträumen und lockerer Stimmung. Und lange, selbst noch in der heraufziehenden Krise, stimmte das Bild.

Die Zeiten sind vorbei. Der Branche stehen beinharte Zeiten bevor. Nach Auslaufen der Abwrackprämie rechnet man allgemein mit einem Einbrechen der Verkäufe in Europa, das bedeutet für die Autobauer Überkapazitäten und wachsenden Preisdruck.

"Das kritischste Jahr der Krise liegt noch vor uns", warnte VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch unlängst in einem vertraulichen Brief an das Management. Dabei gilt Volkswagen noch als relativ gut aufgestellt für die kommenden Jahre - nicht zuletzt, weil man zahlreiche kleinere und sparsamere Modelle mit effizienten Motoren entweder bereits anbieten kann oder in nächster Zukunft auf den Markt bringt. Genau solche werden künftig verstärkt gefragt sein - dank wieder zu erwartender Preiserhöhungen für Mineralöl, dank CO2-Diskussion und weiterer Umweltgesetze.

Audis A1 soll das Umweltimage der Marke aufpolieren

Was die angekündigten Autopremieren in Genf angeht, schließt sich offensichtlich langsam die Lücke zwischen Erwartung der Öffentlichkeit und neuen Modellen, die man tatsächlich kaufen kann. In den vergangenen Jahren erschöpften sich viele Hersteller mit der Demonstration von grün angestrichenen Studien und vollmundigen Absichtserklärungen. Parallel dazu hatten die präsentierten Serienmodelle meist noch an Gewicht und Leistung kräftig zugelegt.

Beispiel Audi. Mit A5 Cabrio, A4 Allroad und dem bärenstarken TT RS herrschte 2009 keine Spur von grün. In diesem Jahr sieht das anders aus. Zwar feiern in Genf auch der luxuriöse A8 und der RS5 mit 450 PS ihren Einstand. Doch der interessanteste neue Kleinwagen steht ebenfalls auf dem Stand der VW-Tochter. Der A1, ein attraktiv gezeichneter Mini-Konkurrent im Polo-Format, soll nicht nur junge Kunden zur Marke holen, sondern endlich auch das angekratzte Umwelt-Image der Marke aufpolieren - mit klarem Kurs in Richtung Elektromobilität. Konsequenterweise ist in Genf der A1 auch gleich mit E-Antrieb zu sehen. Er soll von 2012 an zu kaufen sein. Mit konventionellem Antrieb steht der Mini aus Ingolstadt bereits im Mai bei den Händlern.

Ein Herz für die Kleinen demonstriert auch Konzernmutter Volkswagen. Neben der neuen Generation des Familienautos Sharan gibt es zwei neue Polo-Varianten zu sehen: der 180 PS starke GTI, der mit einem neuen 1,4-Liter-TSI-Motor mit Benzindirekteinspritzung samt Turbo- und Kompressoraufladung zwar fast 230 km/h schnell sein, aber nur 6,0 Liter Treibstoff auf 100 km verbrennen soll. Der neue CrossPolo, der mit seinem um 1,5 Zentimeter höhergelegten Fahrwerk und dem farblich abgesetzten Unterleib auf rustikal macht (ebenso wie der ebenfalls neue CrossGolf), komplettiert als Vierter im Bunde die Baureihe. Er kann auf ein breites Motorenspektrum zurückgreifen mit einem Leistungsangebot zwischen 70 und 105 PS.

Kleine Hülle, schicke Form, flotte Motoren - das scheint sich als Trend zu verfestigen. Bemerkenswerte Beispiele zeigen die Franzosen. Citroën stellt mit der Hybridstudie HighRider und dem sportlich aufgemotzten, 200 PS wilden Racing gleich zwei Spielarten des auffallend designten Lifestyle-Modells DS3 vor. Renault wiederum wendet sich in diesem Jahr ganz dem Fahren unter freiem Himmel zu. An der Seite der Neuauflage des offenen Mégane mit voll versenkbarem Panoramaglasdach überrascht ein 3,83 Meter kurzer zweisitziger Roadster auf Twingo-Basis namens Wind. Ein "hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis" verspricht der Hersteller, zunächst ohne allerdings Zahlen zu nennen. Von 15.000 Euro wird gemunkelt.

Opel setzt auf den Meriva

Wenn es um Lifestyle im Taschenformat geht, darf natürlich Mini nicht fehlen. Der neue Countryman, den es in allen bekannten Mini-Spielarten - One, Cooper, S und D - sowie wahlweise mit einem neu entwickelten Allradantrieb gibt, schlägt mit seinem Wanderschuhdesign eine flotte Brücke zum SUV, ohne eines sein zu müssen. Dafür soll der Countryman mehr Platz zum Reisen und mehr Komfort bieten als der normale Mini. Mit mindestens 20.200 Euro ist man dabei.

Dass man auf geringer Verkehrsfläche nicht nur mit schönem Design der puren Lust Raum einräumen, sondern auch erstaunlich viel Platz für erstaunlich viele Menschen schaffen kann, zeigt Opel in Genf. Die im Ringkampf mit GM gebeutelte Marke hofft, mit der hübsch gezeichneten, neuen Meriva-Generation den positiven Trend der letzten Modelle fortzusetzen. Neben dem besonders variabel gestalteten Sitzkonzept sind vor allem die hinten angeschlagenen Fondtüren auffällig. Wie praktisch das im Alltag ist, muss sich freilich erst noch erweisen.

Während man bei Ford mit dem neuen Focus einen wichtigen Mitspieler in der Golfklasse begutachten kann, tritt nun auch die Premium-Tochter von Toyota in diesem Marktsegment an. Der neue Lexus CT 200h ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil er der erste Vollhybrid unter den Kompakten mit Premiumanspruch ist. Der 1,8-Liter-Benziner, der den kleinen Lexus im Verbund mit einem starken Elektromotor antreibt, soll, so verspricht es Lexus, "herausragende Verbrauchswerte" erreichen.

Überhaupt Hybrid. Er dürfte in diesem Jahr zum Begriff des Jahres werden auf dem Genfer Salon. Und wer sich erinnert, wie lange sich die deutschen Premiumhersteller gegen diesen Antrieb wehrten, registriert mit Erstaunen, wie viele Hybridmodelle auch deutscher Marken auf der Messe Premiere feiern. Während Toyota mit dem neuen Prius bereits die dritte Hybridgeneration auf den Markt bringt, zeigt man bei BMW nach Siebener und X6 nun auch den neuen Fünfer als Studie mit kombiniertem Antrieb und bei Audi schiebt man eilig ein Hybridmodell des A8 nach.

Der Trend geht zu Klein-SUVs

Mutter VW spendierte dem neuen Touareg, der optisch übrigens deutlich schlanker wurde als der Vorgänger, schon zur Einführung einen sogenannten Parallelhybrid. Bis zu 50 km/h soll das große SUV rein elektrisch und damit emissionsfrei fahren können. Das gilt auch für die neueste Generation des Porsche Cayenne, die ebenfalls in Genf zum ersten Mal gezeigt wird. Obwohl der Gelände-Porsche optisch nun schlanker wirkt und tatsächlich 180 Kilo weniger wiegt als sein Vorgänger, ist er größer als der alte, 4,8 Zentimeter um genau zu sein. Das soll zusammen mit einer verschiebbaren Rückbank dem Platzangebot drinnen zugutekommen, auch wenn es dem allgemeinen Trend zur Kompaktheit zuwiderläuft.

Den vertreten in Genf eine ganze Reihe von bemerkenswerten Klein-SUVs, auch das ein Trend, wenn man so will. Allen voran das Sonderangebot der Renault-Marke Dacia. Der Duster mit betont grobstolliger Optik und abschaltbarem Allradantrieb soll in der einfachsten Version nur etwa 12.000 Euro kosten. Deutlich modischer ist dagegen der Juke von Nissan geraten, ein recht extrovertiertes, sogenanntes Crossovermodell im Golf-Format, das im Sommer nach Europa kommen soll. Charakterlich zwischen den beiden finden ein neuer Kia Sportage, Toyota RAV4 und der kompakte Mitsubishi ASX noch ihren Platz.

Doch Kleinwagen hin, Crossover her, die klassische Limousine ist nicht tot, das zeigen unter anderem die Neuauflagen von BMW Fünfer oder Audi A8. Aber auch eine Designstudie von Peugeot - mit Hybridantrieb, was sonst - nimmt sich des Themas Stufenheck an. Der Nachfolger des 407 überrascht mit einem deutlich geschrumpften Kühlergrill und endlich schmaleren Scheinwerfern. Den formalen Trend zum Weicheren, allerdings muskulöser als bei Peugeot, hat auch Volvo aufgenommen. Die neue S60 Limousine mit edlem Interieur soll sich in der Mittelklasse behaupten.

Die Limousine der Zukunft schließlich wird man bei Mercedes finden. Der "Forschungsfahrzeug" genannte F 800 Style bietet einen Blick auf intelligente Sitz-, Bedien- und Anzeigenkonzepte und eine neue Multiantriebsplattform. Und nicht zuletzt lässt sein Design bereits Rückschlüsse auf die nächste C-Klasse zu. Die kommt aber erst 2013.

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