Süddeutsche Zeitung

Automobilbranche:"Ich hätte auch nicht gedacht, dass der Boom so lange anhält"

Nur mit E-Autos sind die Klimaziele zu schaffen, betonen die Hersteller. Trotzdem stehen auf dem Genfer Autosalon vor allem SUVs. Autoexperte Stefan Reindl über den Zwiespalt der Branche.

Interview von Christina Müller

Vor einem Jahr dominierte noch der Diesel den Genfer Autosalon, auf dem die Branche Anfang März das neue Modelljahr einläutet. Dieses Jahr schicken sich Hersteller an, irgendwie den Spagat zu schaffen zwischen CO₂-Zielen auf der einen Seite und dem Wunsch der Kunden nach großen, schweren SUV-Modellen auf der anderen Seite. Stefan Reindl, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule in Geislingen, erklärt im Interview, was passieren muss, damit Autokäufer auf E-Wagen umsteigen und warum auch er gerne SUV fährt.

SZ: In Genf gibt es kaum einen Hersteller, der nicht mindestens ein Elektro- oder Hybrid-Modell vorstellt. Ist die Branche wirklich aufgewacht oder sind das alles nur haltlose Versprechen, die sich am Ende kaum einer leisten kann?

Stefan Reindl: Ein Elektroauto ist dann massentauglich, wenn es nicht mehr kostet als ein vergleichbarer Verbrenner. Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Die Milliarden-Investitionen von VW und anderen Herstellern zeigen aber, dass man es jetzt konsequent angeht. Das Motto kann allerdings auch nur lauten: Wenn, dann jetzt Vollgas.

Wie bekommt man die Leute dazu, sich von ihrem Verbrenner zu verabschieden?

Ich war schon immer dafür, einen Termin zu nennen, ab dem keine Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. Die Politik, aber auch die Autokonzerne haben die Thematik viel zu lange ergebnisoffen diskutiert. Ein machbarer und gleichzeitig zuverlässiger Termin gibt den Herstellern, Zulieferern und Automobilkunden die notwendige Entscheidungssicherheit. Menschen reagieren nur dann, wenn es eine verlässliche Ansage gibt. Wenn ich weiß, in fünf Jahren oder zehn Jahren ist Schluss mit dem Verbrenner, dann mache ich mir jetzt schon Gedanken darüber, was vielleicht das passende Elektroauto für mich sein könnte.

Würden Sie jetzt ein Elektroauto kaufen?

Ich würde tatsächlich noch ein bis zwei Jahre warten. Die Reichweiten werden sich dann noch einmal deutlich verbessern und dann hat man auch technisch ein Niveau erreicht, bei dem die Kinderkrankheiten behoben sind.

Neben Elektroautos werden auch in Genf wieder viele SUVs präsentiert. Warum ist dieser Trend immer noch ungebrochen, obwohl große Autos mit dicken Motoren weder gut für die Umwelt sind, noch für die Enge in den Städten taugen?

Ich gebe zu, ich fahre selbst auch einen SUV. Es ist eine Gefühlssache - man fühlt sich schon wegen der höheren Sitzposition und des größeren und gedrungeneren Fahrzeugaufbaus überlegen - er suggeriert zusätzliche Sicherheitsreserven. Man könnte eben, wenn man wollte ... Es ist rational schwer zu begreifen. Und was sollen die Hersteller machen, wenn die Nachfrage einfach da ist? Ich hätte auch nicht gedacht, dass der Boom so lange anhält. Mittlerweile sehe ich eher die Gefahr, dass sich Hersteller - fabrikatsbezogen, aber auch markenübergreifend - selbst kannibalisieren, wenn sie immer noch weitere SUV-Modelle in unterschiedlichen Fahrzeugklassen in ihr Portfolio aufnehmen. Aber solche Autos sind natürlich aus Herstellerperspektive profitabel. Bei der Vermarktung von Elektroautos fehlen aktuell die notwendigen Deckungsbeiträge, das heißt, der Anteil der Entwicklungskosten fällt noch relativ hoch aus. Es fehlen die notwendigen Stückzahlen, um diese auszugleichen.

Wäre es nicht sinnvoll, da regulierend einzugreifen? Also größere Autos, die mehr verbrauchen, extra zu besteuern?

Ich bin gegen politische Steuerungsinstrumente, die den Kauf bestimmter Fahrzeuge sanktionieren. Und ich glaube auch, dass Kunden, die ohnehin hohe Summen in große SUVs investieren, sich auch durch höhere Abgaben nicht abschrecken lassen. Geld ist da oft nicht der limitierende Faktor. Gerade beim Autokauf ist die Zahlungsbereitschaft der Menschen in den vergangenen Jahren sogar angestiegen. Das heißt, den Leuten geht es gut und sie geben mehr Geld für den Autokauf aus.

Mal wird sein Ende prophezeit, mal wird er als zu Unrecht verteufelt beschrieben. Was wird aus dem Diesel?

Der Dieselmotor wird verhältnismäßig schnell aus kleineren Autos verschwinden. Der Preisaufschlag für die aufwändige Abgasreinigung von etwa 2000 Euro auf einen Kleinwagen, der mit 10 000 bis 15 000 Euro ausgepriesen ist, wäre nicht vertretbar. Bei den größeren Fahrzeugen, vor allem bei SUVs, wird es den Diesel weiterhin geben, weil die Verbrauchswerte - und damit der CO₂-Ausstoß - einfach niedriger ausfallen als bei Benzinern. Der Preisaufschlag für die Abgasnachbehandlung fällt also bei insgesamt höheren Preisen für große SUVs weniger stark ins Gewicht.

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