Genfer Autosalon 2013:Fast alles von fast jedem

In dieser Woche beginnt der Genfer Autosalon, das traditionelle Frühlingstreffen der Branche. Doch überragende Neuheiten findet man in diesem Jahr kaum. Es dominieren immer mehr Modelle auf ein und derselben Basis.

Von Jörg Reichle

Auf Genf, so hieß es früher, freut sich die Autobranche. Nach dem traditionell eisigen Jahresauftakt in Detroit sehnte man sich nach den ersten Frühlingsboten zum Salon am Lac Lemain - auch, was die Vorzeichen für das jeweilige Geschäftsjahr anging. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht mehr so, und das nicht erst seit der Euro-Krise. Einstige Giganten wie Ford, Opel und PSA sind ins Taumeln geraten, andere, wie die Koreaner, auf dem Vormarsch.

Und Grund zum Optimismus haben allenfalls noch solche Hersteller, die auf den letzten Wachstumsmärkten dieser Welt gut aufgestellt sind. Dabei sind die Herausforderungen gewaltig. Die Entwicklung von alternativen Antrieben und damit die Vorbereitung für die Zeit nach dem Öl verschlingt unzählige Milliarden - Mittel, die praktisch kein Konzern mehr alleine aufbringen kann. Wer keine Partner findet, hat kaum Überlebenschancen.

Und auch nicht, wer seine neuen Modelle nicht kostensparend aus konsequent entwickelten Baukästen auf die Räder stellen kann. Ob Motoren, Getriebe oder ganze Architekturen: Gleichteile heißt das Mantra der Entwickler - und Kosten senken, denn Spielraum für nennenswerte Preiserhöhungen haben selbst die Premiummarken nur noch beschränkt. Was neue Produkte angeht, lässt sich dieser Trend schon seit einigen Jahren erkennen, doch er verstärkt sich zusehends. Auf einheitlichen Architekturen werden immer mehr Modelle angeboten, die selbst noch die kleinste Bedarfsnische der Kunden ausfüllen sollen. Auch in Genf wird man das heuer sehen.

Beispiel Volkswagen. Vorbehaltlich der einen oder anderen Überraschung, die der Konzern traditionell erst am Vorabend der Messe aus dem Hut zaubert, ist hier dem weiteren Ausbau der Golf-Familie beizuwohnen, allen voran dem - deutlich hübscher gewordenen - Variant, außerdem den sportlichen Versionen GTI und GTD und vermutlich wird es sich auch der Elektro-Golf in einer Ecke des traditionell riesigen Messestands gemütlich machen.

VW: optische Retuschen und PR-Coups

Als vorerst letzte Spielart des vergnüglichen Up! ist eine optisch aufgemotzte Version namens Cross Up zu sehen. Das gerade noch vor dem Salon präsentierte, sogenannte Einliter-Auto namens XL1 dürfte dagegen bloß die Rolle eines Technologie-Trägers (und PR-Coups) spielen. War zuerst noch die Rede von einer Kleinserie zu 100.000 Euro das Stück, hieß es zuletzt, die 50 geplanten Exemplare würden gar nicht verkauft, sondern verleast und das auch nicht an Privatleute.

Nicht weit entfernt bei Konzerntochter Audi ein ähnliches Bild. Nachdem man gerade die beiden Elektromodelle R8 e-tron und A2 e-tron in aller Stille beerdigt hat, gehört in Genf, technologisch gesehen, der A3 e-tron, ein Plug-in-Hybrid (mit VW-Technik) zu den Highlights, außerdem eine für Europa wohl ziemlich überflüssige Kraftprotzvariante des Q3 mit 310 PS sowie der kaum schwächere S3 Sportback.

Etwas mehr Aufsehen ist den Konzerntöchtern Škoda und Bentley zuzutrauen. Während die Tschechen mit dem sehr ansehnlichen und sehr geräumigen Kombi des sehr vernünftigen Octavia antreten, vermittelt der neue Flying Spur der Briten eine Ahnung von einer - überfälligen - Designreform der Marke. Einstiegspreis: um die 200.000 Euro.

Die Premiumkonkurrenz von BMW und Mercedes übt sich gleichfalls in Basisarbeit. Dabei stehen die Bayern schon ganz im Zeichen der neuen Elektro-Zeit, i3 und i8 warten in Sichtweite. Dreier GT, M6 Gran Coupe und selbst das Van-Concept namens Active Tourer überbrücken die Wartezeit. Für die x-ten Varianten des Mini-Programms gilt das sowieso. Unterdessen sagt Mercedes immer noch A, wenn es von der Zukunft redet. In Genf ist die Kompaktlimousine CLA zu sehen, der mit Spannung erwartete Kompakt-SUV namens GLA steht dagegen erst in Shanghai im April. Dafür reicht man nächste Woche mit dem 360-PS-Modell A45 AMG den Bleifuß-Fans einen Appetithappen.

Opel hat wieder reizvolle Produkte

Etwas weniger spektakulär, aber durchaus reizvoll ist nach der Papierform zu urteilen, der neue Cascada von Opel (auf Basis des Astra), ein viersitziges Cabrio. Das wird zwar trotz seines verhältnismäßig günstigen Grundpreises von um die 26.000 Euro keinen Verkaufsboom auslösen, aber zumindest etwas fürs Image der Marke tun. Damit endgültig klar ist: Sollte Opel eines Tages vom Markt verschwinden, dann lag es wenigstens nicht an reizlosen Produkten. Und wenn wir schon bei den klassischen deutschen Volumenmarken sind: Ford zeigt in Genf den neuen EcoSport, einen kleinen SUV auf Basis des Fiesta und natürlich mit markentypisch weit aufgesperrtem Kühlerrachen.

Auch die Import-Marken schließen sich dem fröhlichen Derivate-Reigen an. Eines der hübschesten Modelle gibt es am Alfa-Stand zu sehen. Der 4C, ein Zweisitzer mit Kohlefaserchassis, Heckantrieb und Mittelmotor könnte den Fans der zuletzt doch arg ausgebluteten Marke wieder ein begeistertes Hoppala entlocken. Und selbst Konzernmutter Fiat scheint an den Flitzer zu glauben. Mit ihm tritt man erstmals auf dem (überlebens-)wichtigen US-Markt an - nach fast 20 Jahren Abstinenz.

Doch die Hoffnung auf bessere Zeiten blüht auch sonst allenthalben. Citroën zum Beispiel hat aus dem bislang hochbeinigen Van Picasso einen flacheren Fünfsitzer gemacht, der in Genf als Studie präsentiert wird, Renault zeigt das hübsche SUV Capture und den erfolgreichen Scénic mit neuem Markendesign sowie eine Spielart mit SUV-Optik namens Xmod. Bei Peugeot wiederum ist man stolz auf den hochgelegten Ableger des neuen 208. Mit einer Null mehr in der Mitte soll das Mild-SUV mit Vorderradantrieb eine Antwort auf den Opel Mokka geben. Erwähnenswert sind außerdem: Toyota GT86 Cabrio und RAV4, Honda Civic Break und der neue Lexus IS.

Für Millionäre und minder bemittelte Tagträumer liefern die üblichen Verdächtigen neue Nahrung: McLaren mit dem 900 PS starken Hybrid-getriebenen P1, Ferrari hält mit dem neuen Enzo dagegen und selbst Rolls-Royce versucht sich sportlich. Auch wenn der Silver Wraith ein bisschen so aussieht, als habe man auf ein englisches Schloss ein Flachdach aufgezogen.

Infos über den Salon unter www.salon-auto.ch

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