Geliebt und unvergessen:Ciao Bella

Mofas bewegten eine ganze Generation. Doch inzwischen sind sie fast ausgestorben. Eine Hommage.

Susanne Höll

Es gibt Momente, in denen man sich etwas albern findet. Jedenfalls dann, wenn man kein Teenager mehr ist, in einer Großstadt lebt und das Fahrzeug ein Mofa ist.

Mofa; dpa

Saint Tropez im Jahre 1975: Damals konnte man sich noch mit einem Mofa blicken lassen.

(Foto: Foto: dpa)

Das sind jene Momente, in denen siebenjährige Buben vor dem Eingang zur Grundschule mit ausgestrecktem Zeigefinger auf das Gefährt samt Fahrerin zeigen, grinsen und wissen wollen, ob das Geld für "was Richtiges" fehle.

Wenn man zierliche Mädchen sieht, die auf formschönen Italo-Rollern thronen, ähnlich wie Audrey Hepburn einst in "Ein Herz und eine Krone". Oder wenn man von Fahrradfahrern überholt wird - ganz normale Menschen wohlgemerkt, keine durchtrainierten Botenradler - und einen Seitenblick erntet: "Lächerlich... Sie mit Ihrem Ding."

Überhaupt nicht schick

Dann schämt man sich ein wenig. Sagt sich, dass Mofafahren unvernünftig ist, gefährlich, unbequem, und überhaupt nicht schick. Also fällt der Entschluss, künftig die U-Bahn zu nehmen, den Helm, dessen Umfang sowieso in keiner Relation zum Fahrzeug steht, zu verschenken, das Mofa bei Ebay zu versteigern und sich vor allem nie wieder von Schulbuben auslachen zu lassen.

Dann am nächsten Tag, Sonne vorausgesetzt, steigt man wieder auf, schämt sich ein wenig, dass man sich gestern geschämt hat, tuckert mit Tempo 25 durch die Stadt und lässt sich von ganz normalen Radfahrern überholen.

Denn Mofafahren ist trotz mancher Unbill - Linksabbiegen auf dreispurigen Straßen, ruinierte Pumps, blaue Flecke am Schienbein - eine durchaus freudvolle Erfahrung, eine Rückkehr in die Jugend.

Popper in Karottenhosen und Dorfknaben

In die siebziger Jahre - jene Zeit, in der es, grob gesagt, vier Sorten von Mofafahrern gab. Städtische Popper in Karottenhosen und College-Schuhen, die Fahrräder spießig und Mopeds vulgär fanden; Dorfknaben, die lieber ein Moped gehabt hätten, es sich aber nicht leisten konnten; stämmige Rentner, die oft einen Anhänger hinterm Mofa herzogen.

Und all jene Noch-Teens und Gerade-Twens, die sich kein Auto leisten konnten und Angst vor schnellen Motorrädern hatten. Zu Letzteren zählte damals ich - nach einer schmerzhaften Erfahrung mit einem nicht zu bändigenden Roller auf einer griechischen Insel.

Mein erstes Mofa war blau, himmelblau. Auf dem Kopf trug ich einen alten Skihelm, verziert mit gelben und blauen Abzieh-Blumen. Der Unterhalt, für eine Studentin im schon damals teuren München ganz wichtig, kostete nicht die Welt: zweieinhalb Liter Gemisch langten für 100 Kilometer.

Man hatte keine Parkplatzsorgen und konnte auf vielen Fahrradwegen fahren. Mofafahren war ein Lebensgefühl. Symbol der Unbeschwertheit jener Jahre, in denen man sich nicht vor Arbeitslosigkeit fürchtete oder Hungerrenten. Viele in der Clique hatten ein Mofa; Elke eine ziemlich heimtückische Velo Solex, Peter eine schlanke gelbe Vespa Ciao.

Ciao Bella

Beschwingt eroberten wir unser kleines Stück von der Welt, vom Siegestor bis ins Alpenvorland. Mein himmelblaues Mofa war zäh und zuverlässig, kurzum treu. Es zog mit mir nach Brüssel um, trug mich ein Jahrzehnt über viele tausend Kilometer. Leider endete unsere Beziehung abrupt, als es unter nie geklärten Umständen spurlos vom Hof einer flämischen Werkstatt verschwand.

Längst ist Mofafahren out, und als Mofafahrer ist man heutzutage sehr allein. Vor den Gymnasien stehen keine Ciaos, keine Mobiletten, keine Solos mehr; dafür trendige Fahrräder, schicke Roller oder gar Autos. Das Mofa stirbt aus. Das sagen auch die Experten.

Noch gar keine verkauft

Der Herr aus dem Vespa-Laden im trendigen Münchner Stadtteil Schwabing beispielsweise ist ziemlich erstaunt, fragt man ihn nach dem Ciao-Absatz. In diesem Jahr habe er noch gar keine verkauft, habe auch keine im Laden - Lieferung nur nach Bestellung für 1160 Euro.

Und Christoph Gatzweiler, Leiter der Abteilung Technik beim Industrieverband Motorrad spricht vornehm von einem "Nischenprodukt", sagt, dass Mofas wohl zu langsam und zu unkomfortabel seien für den Zeitgeschmack. Was die Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamt stützen: 1976 waren in Deutschland 1,27 Millionen Mofas unterwegs, zehn Jahre später noch 912.000. Heute sind es nur noch 489.000.

Und gerade weil sie so selten geworden sind, wie aus grauer Vorzeit sozusagen, beschert das Mofa heitere Erlebnisse. Menschen, die älter als sieben Jahre sind und nicht zu den überzeugten Radlern zählen, überkommen beim Anblick einer Vespa Ciao anrührend nostalgische Gefühle.

So wie den Fahrer einer großen Limousine, der an einer Ampel ein Verkaufsgespräch begann. Was ich denn für mein Mofa haben wolle - jetzt, auf der Stelle. Er habe früher auch "so ein Ding" gehabt, sei aber beschäftigt und könne deshalb nicht lang in Motorradläden suchen. Oder jener nette Herr, der vor dem Supermarkt laut überlegte, ob er auch aufs Mofa umsteigen solle, weil er von Natur aus eigentlich tretfaul sei.

Tatsächlich damit rumfahren

Andere kann man allein mit dem Geständnis fesseln, dass man so ein Gefährt besitzt und auch tatsächlich damit rumfährt. Denen muss man dann erklären, dass man wirklich nur lahme 25 Stundenkilometer fahren mag und nicht schneller - wegen der Sache damals in Griechenland.

Und dann erinnern sie sich plötzlich doch, dass sie früher auch mal ein Mofa hatten - getunt natürlich. Mit Tempo 40 ging's zum Baggersee, ohne Helm, dafür mit Freundin. Und fragen, was die Versicherung heutzutage kostet und ob es an den Tankstellen noch die kleinen Zweitakt-Säulen gibt.

Dann sagen sie all das, was man sich oft selber sagt - dass ein Mofa eine herrliche Sache ist. Obwohl gefährlich, wenig kommod und ein wenig albern. Doch es beschwingt. Immer noch.

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