Gefahren: Audi RS 4:Quattrotur der Kreise

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Der Herr der Ringe geht in die nächste Runde: Statt mit aufgeladenem Sechszylinder wartet er jetzt mit hoch drehendem V8-Saugmotor auf.

Von Georg Kacher

Schnelle Audi heißen RS. Der erste RS war ein gemeinsam mit Porsche entwickelter 80 Avant, der 315 PS unter der Haube hatte. Der zweite RS war ein 380 PS starker A4 Avant mit Darth-Vader-Optik. Nummer drei basierte auf dem A6 und schüttelte in der plus-Variante 480-Turbo-PS aus dem Ärmel.

RS 4 von der Seite (Foto: Foto: Audi)

Im Herbst markiert nun die Neuauflage des RS 4 die Quattrotur des Kreises. Die vierte RS-Deklination basiert wieder auf dem A4, doch motorisch haben die Audianer alle Brücken hinter sich abgebrochen: statt eines aufgeladenen Sechszylinders nun ein hoch drehender V8-Sauger.

Obwohl vom Vorgänger weniger als 6500 Einheiten vom Band liefen, wurde der Power-Kombi über Nacht zum Kultauto. Diesen Status, den selbst eine perfekte Marketing-Maschinerie nicht einfach so prolongieren kann, strebt Audi auch für die neue RS-4-Generation an.

Markiger Habitus

Deren Erscheinungsbild wirkt zwar deutlich knalliger als bisher; der Mix aus bösen Schürzen, breiten 19-Zöllern und bauchigen Kotflügeln addiert sich zu jenem Alpha-Männchen-Habitus, der bei eiligen Besserverdienern offenbar gut ankommt.

Auch das Interieur erinnert eher an ein exklusives Fitness-Studio - Aluminium und Carbon sollen einen Hauch DTM vermitteln, die Sitze sind mit Aussparungen für Hosenträgergurte versehen, der Motor wird per Start-Engine-Knopf angelassen. Viel Effekt, wenig Wirkung: Das Gestühl ist schlichtweg zu dünn gepolstert, vor dem Starter-Knopf muss man ganz profan am Zündschlüssel drehen, und das unten abgeflachte Lenkrad läuft in engen Kurven nicht so sauber durch die Hände wie ein konventioneller Rundling.

Als besonderes Bonbon hat die Quattro GmbH dem RS 4 eine S-Taste im Lenkrad spendiert. Wer sie drückt, erlebt noch spontaneres Ansprechverhalten, kernigeres Geräuschniveau und noch extremeres Sitzgefühl, das durch pneumatisch zupackende Seitenwangen bedingt ist.

Vorbildkupplung

Einen wirklichen Schritt nach vorne hat Audi mit der Kupplung des neuen RS 4 gemacht. Das teigige Pedalgefühl und die Verspannungen im Antriebsstrang sind kein Thema mehr - stattdessen wird spontan zugepackt, ganz zu schweigen von der neu entdeckten Synthese aus Leichtgängigkeit, Rückmeldung und Tempo, die es dem linken Fuß erfolgreich verheimlicht, dass hier ein Allradantrieb befehligt wird. Auch das Getriebe funktioniert so aufmerksam und präzise, wie wir es sonst nur in sportlichen Hecktrieblern erleben.

Entdrosselung

Die unproblematische Bedienung entspannt den Umgang mit der 309 kW (420 PS) starken Limousine. Statt das Kleinhirn mit Petitessen wie Einkuppeldrehzahl und Druckpunkt zu belästigen, wird einfach losgefahren, ohne akustischen Stress mit den Reibwerten und ohne Lastwechselschlag beim Hochschalten in den Zweiten.

Zur Lockerheit der neuen Quattrophilie passt der entdrosselte Motor, der im Gegensatz zum Turbo nicht das gesamte Muskelschmalz schon bei 2000 Umdrehungen aus der Tube presst. Der Spannungsbogen, der früher die Form des Tafelbergs hatte, erinnert nun eher an ein erhabenes Mittelgebirge.

Der 4,2-Liter-V8 nutzt den gesamten Anstieg bis zum Drehmoment-Gipfelkreuz bei 5500 Touren, um Endorphine freizusetzen und dabei nicht nur den BMW M3 und den Mercedes C55 AMG zu verblasen, sondern auch veritable Sportwagen wie den Porsche 911.

Die Paradedisziplin von Null auf 100 km/h absolviert der 1650 Kilo schwere Fünfsitzer in 4,8 Sekunden; Tempo 200 ist nach 16,6 Sekunden erreicht, doch bei 250 km/h ist Schluss. Der 280 km/h schnelle RS 6 plus bleibt ein einmaliges Experiment.

Fulminanter Durst

Obwohl Audi für den RS 4 einen Durchschnittsverbrauch von 13,7 Litern je 100 Kilometer nennt, ist es uns nicht gelungen, die 20-Liter-Marke zu unterschreiten. Im Gegenteil: Der Testwagen saugte im Schnitt 25,3 Liter aus dem pathetisch kleinen 63-Liter-Tank und musste schon nach 250 Kilometern zur Zapfsäule.

Besonders der Volllastverbrauch ist bedenklich - trotz optimierter Reibleistung und gewichtsreduziertem Ventiltrieb fordern vor allem die hohen Kolbengeschwindigkeiten Tribut.

Entlohnt wird der hoffentlich betuchte Besitzer nicht nur durch souveräne Fahrleistungen, sondern auch durch die akustische Erlebniswelt, die mit vollen Bässen und phonstarken Tiefen einen Klangteppich webt, an dem man sich kaum satt hören kann.

Heckbetonungen

Um den sportlichen Audi die angeborene Kopflastigkeit zu nehmen und das Untersteuern abzugewöhnen, wurde dem Allradantrieb eine asymmetrische Drehmomentverteilung von 40:60 spendiert. Dieser dezent heckbetonte Kräftesplit macht aus dem RS 4 zwar keinen übersteuernden Spring-ins-Feld, aber: Er entlastet die Lenkung, die leichter dreht und weniger anfällig gegenüber fahrdynamischen Störkräften ist.

In Verbindung mit der breiteren Spur, dem abgesenkten Schwerpunkt, der ausgewogeneren Gewichtsverteilung und dem dank DRC optimierten Dialog zwischen den Dämpfern ergibt sich ein deutlich neutraleres Eigenlenkverhalten, das für mehr Transparenz und Eindeutigkeit im Grenzbereich sorgt.

Sportsgeist allenthalben

Leider hat Audi die Federung vergessen. Der RS 4 legt sich mit jeder Längsrille, jedem Schlagloch und jeder Querfuge an; er neigt auf schlechten Straßen zum Versetzen und zum Gieren um die Hochachse; er konterkariert klassische Stärken wie Grip und Traktion, indem er immer wieder das notwendige Minimum an kinematischer Flexibilität unterschreitet.

Absolut über jeden Zweifel erhaben sind die Bremsen, die aus dem Lamborghini Gallardo stammen und mit einer fesselnden Mischung aus Verve und Standfestigkeit verzögern.

Licht und Schatten also beim Audi; dazu gehören auch der mit rund 70.000 Euro hohe Grundpreis und die unerklärlich späte Einführung der Kombi-Variante. Der neue RS 4 mag mitreißender sein als der super-coole RS 6, aber: Er dürfte sich schwer tun, wenn BMW beim M3 die V8-Karte zieht und Mercedes den C63 AMG nachschiebt.

© SZ vom 4. Juni 2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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