Gefahr:Gebremstes Vertrauen

Die Anzeichen für ein Versagen des Antiblockier-Systems bei BMW-Motorrädern häufen sich.

Von Jörg Reichle

Ausgerechnet BMW als Pionier der Fahrsicherheit hat ein Problem. Das Bremssystem ABS, das im Pkw seit langem lebenswichtige Dienste leistet, verhindert seit neuestem auch beim Motorrad das Blockieren der Räder bei Notbremsungen. Die Sturzgefahr wird dadurch deutlich reduziert. So jedenfalls der Idealfall.

Tatsächlich steht derzeit der Münchner Motorradhersteller unter massiver Kritik. Bereits mehrere Kunden wurden vom teilweisen Versagen des Antiblockier-Systems überrascht. Zuletzt war vor wenigen Wochen ein Fahrer im Rahmen eines Sicherheitstrainings des ADAC nach Ausfall des ABS gestürzt und dabei erheblich verletzt worden.

BMW weiß spätestens seit August 2004 von der Anfälligkeit des Systems. Damals hatte das von einem Betroffenen informierte Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg den Konzern schriftlich um eine Stellungnahme gebeten. "Die Antwort", erinnert sich Wolfgang Kurzhals von der KBA-Abteilung Produktsicherheit und Rückruf, "war ausweichend."

Ein Spannungsabfall ist offenbar der Grund

Der Grund des Problems ist offenbar, dass es bei dem so genannten Integral-ABS gelegentlich zu einem Spannungsabfall und damit zum Ausfall des ABS kommen kann. Die Bremswirkung wird dann deutlich verringert und der Fahrer zugleich von einer Verhärtung des Bremshebels überrascht.

"Das ist in einer Notsituation fatal für den Fahrer", sagt der Kfz-Gutachter Peter Goltzsche in der Sendung Plusminus (21.55 Uhr in der ARD), auch wenn der Spannungsabfall und damit der Ausfall des ABS von einer Warnleuchte angezeigt wird.

Gebremstes Vertrauen

Ein betroffener BMW-Besitzer hat inzwischen bei der Münchner Staatsanwaltschaft I Anzeige gegen den Hersteller eingereicht. Staatsanwalt Christian Schmidt-Sommerfeld bestätigt der Süddeutschen Zeitung: "Wir ermitteln wegen Gefährdung des Straßenverkehrs." Angesichts der Brisanz werde man "möglichst noch vor der Sommerpause" einen vereidigten technischen Sachverständigen zur Prüfung der Vorgänge einsetzen.

Geschockte Fahrer

Untersucht wird das Bremssystem derzeit auch beim Kraftfahrtbundesamt. Dort wird vor allem auch der Frage nachgegangen, ob das Warnlicht den Fahrer rechtzeitig vor einem Spannungsabfall warnt oder ob es zu einem plötzlichen Versagen des Bremskraftverstärkers ohne Vorwarnung kommen kann, wie eine Reihe von geschockten BMW-Motorradfahrern im Internet berichtet haben.

Bei BMW "ignoriert man das Problem nicht", sagt Konzernsprecher Jürgen Stoffregen. Man sehe jedoch keine Veranlassung zu technischen Nachbesserungen oder gar zu einer Rückrufaktion, von der bis zu 260.000 Maschinen betroffen wären. Die Zahl der Vorfälle liege im Rahmen dessen, was bei technisch komplexen Systemen üblich sei.

Dennoch scheint es BWM-intern durchaus Zweifel an der Funktionssicherheit des Bremssystems zu geben. So heißt es in einer fehlgeleiteten E-Mail des Leiters Qualitätsmanagement, Robert Kahlenberg, vom 13. September 2004 unter anderem: "Das System ist in seinen Auswirkungen und Rückfallebenen ungenügend konzipiert."

Dass BMW für das Nachfolgesystem des von der Firma FTE stammenden ABS, das bereits entwickelt wird, einen anderen Zulieferer sucht, will man weder bestätigen noch dementieren.

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