Geburtstag eines Autodenkmals:Weiße Entscheidung

In diesem Sommer wird der BMW 328, Urbild des Sportwagens, 70 Jahre alt: Eine Ausfahrt zu zwei Kultstätten des Motorsports.

Jörg Reichle

Tiefgraue Wolken über der Insel, glänzender Asphalt spiegelt samtiges, grenzenloses Grün, der Gegenverkehr schüttet den Regen sturzbachweise ins Cockpit.

Geburtstag eines Autodenkmals: Eine Legende auf Geburtstagstour: der BMW 328

Eine Legende auf Geburtstagstour: der BMW 328

(Foto: Foto: Gudrun Muschalla)

Die Nässe kriecht so tief in meine Jacke wie die Sehnsucht nach einem trockenen Platz vor dem Hotelkamin. Über die winzige Scheibe vor meinem Gesicht übt der Scheibenwischer ein eher mitleidheischendes Stakkato. Und noch sind es gut 100 Kilometer bis Goodwood.

Schöner war eine Geburtstagsausfahrt nie. 70 Jahre wird der BMW 328 in diesem Sommer alt, ein Autodenkmal, weil er so etwas ist wie der Urahn des deutschen Sportwagens.

Leicht, minimalistisch, die Karosse von eleganter Passform. Eine Schönheit, ohne Frage. Beim Eifelpokal-Rennen 1936 fegte der weiße Roadster noch als Prototyp zum ersten Mal über den Nürburgring, Ernst Henne saß damals am Volant und sollte am Ende überlegen gewinnen.

Exzellente Straßenlage

Deutschland staunte nicht schlecht: Konsequenter Leichtbau, ideale Gewichtsverteilung, exzellente Straßenlage. Und was für ein Motor! 80 PS bringt der Sechszylinder mit seinen zwei Liter Hubraum (für den Einsatz im Rennen waren es noch 10, 20PS mehr), gut 150 km/h machte der 328 damit schon damals.

Was lag also näher, sich für die Geburtstagstour eine ganz besondere Kulisse auszusuchen? So entstand ein im Grunde unmögliches Programm für die kleine Gruppe von Gratulanten - die Betreuer der Mobilen Tradition von BMW und die beiden Piloten, ein amerikanischer Kollege und ich, sollten an einem einzigen Wochenende auf den beiden Top-Veranstaltungen des historischen Motorsports antreten - dem "Festival of Speed" im südenglischen Goodwood und den historischen 24 Stunden von Le Mans in Nordfrankreich.

Stressprogramm für Auto und Besatzung

Das Procedere der Ausfahrt gestaltete sich aufwendig. Flug nach London und Weiterfahrt zu BMW (GB) nach Bracknell, von da im 328 gut 120 enge Landstraßenkilometer nach Goodwood, dort Teilnahme am ersten Training mit dem Mille-Miglia-Roadster von 1940.

Dann mit dem Busch-Flieger über den Kanal, während unser 328 per Fähre nach Frankreich gleiten würde. Übernahme des Roadsters in Caen, dann wieder 160 Kilometer Landstraße nach Le Mans. Samstag Teilnahme am historischen Korso vor Beginn der Rennen. Rückflug Sonntag. Ein Stressprogramm für Auto und Besatzung.

Weiße Entscheidung

Aber leicht hatte es der BMW 328 seinerzeit ja bei Gott auch nicht. Er sollte die Sportwagenwelt auf den Kopf stellen, doch er war, zumindest in den Augen seiner Schöpfer, ein Kompromiss, weil schlicht das Geld für Entwicklung und Herstellung fehlte.

Nur Konkurrenz war Anfang der dreißiger Jahre reichlich vorhanden: Fiat, DKW und MG, Aero, Singer und Mathis, Adler, Frazer Nash, Bugatti und Alfa Romeo, dazu Austro-Daimler, Mercedes-Benz, Delage und Delahaye.

" Unter geringstem Aufwand"

Als Fritz Fiedler und Rudolf Schleicher den BMW 328 schufen, der eine Entwicklungschef bei BMW in Eisenach, der andere Entwicklungschef für Motorräder in München, entstand das Auto in kürzester Zeit, "unter geringstem materiellen und personellen Aufwand", wie der 328-Biograf Rainer Simons erinnert.

Nur knapp ein Jahr dauerte die Entwicklung des 328. Das Rohrrahmenchassis mit oben liegenden Querblattfedern vorn und längs liegenden Blattfedern hinten stammte vom Vorgängermodell 319/1, auch Radstand und Spur waren gleich.

Nur die Seilzugbremsen des 319 hatte man durch eine hydraulische Anlage ersetzt. Auch beim Antrieb regiert der Kompromiss: "Ich hätte so gerne einen neuen Motor mit zwei oben liegenden Nockenwellen gebaut", sagte Entwicklungschef Schleicher später, "aber dazu hatten wir keine Mittel."

Also nahm man den Block des Zweiliters vom 319 samt seiner komplizierten Ventilsteuerung: Die unten seitlich angeordnete Nockenwelle betätigte die im Zylinderkopf hängenden Ventile über Stoßstangen und Kipphebel, die auf der anderen Seite liegenden Ventile über einen zweiten Kipphebel und eine Zwischenstoßstange. Echte Hochleistungsmotoren sahen auch damals schon anders aus.

Gieriges Röhren

Trotzdem fährt sich der 328 auf den engen britischen Landsträßchen für ein Vorkriegsauto mustergültig. Die Maschine röhrt gierig, dreht willig und leicht. "4500" haben uns die Leute von der Mobilen Tradition ans Herz gelegt, die 1996 überarbeitete Maschine soll schließlich keinen Herzkasper bekommen.

Also behalten wir den Drehzahlmesser penibel im Auge. Die Bremsen arbeiten problemlos, Konzentration verlangt nur die Lenkung, denn die bleistiftdünnen Scheibenräder laufen gierig wie Jagdhunde jedem Schlagloch, jeder Bodenwelle nach. Dann sind Kurskorrekturen angesagt, je schneller, desto besser.

Weiße Entscheidung

Szenenwechsel: Goodwood, Freitag früh. Mein Mit-Fahrer Matt Davis klettert ins Cockpit des Mille-Miglia-Roadsters von 1940, der auf dem 328 basiert, aber mit seiner silbernen Stromlinienkarosse von Touring wirkt er wie aus einer anderen Welt.

300 der berühmtesten Rennautos der Geschichte treffen sich dieses Jahr im Schlosspark und absolvieren brüllend, kreischend und sprotzend das Showprogramm fürs Publikum: einmal pro Lauf mit Vollgas bergauf, über die Doppel-Links bei Crossroads, vorbei an Goodwood House hinauf zu Molecomb und The Flintwall bis ins Ziel. Nick Heidfeld hält seit 1999 hier den Streckenrekord: 41,6 Sekunden brauchte er mit dem McLaren-Formel1.

464 Exemplare

Matt lässt sich mehr Zeit mit dem BMW. Die Sportfahrer in den Dreißigern vergötterten ja den 328, aber nicht nur die. Was für die Rennpiste gebaut war, umgab seine Besitzer im richtigen Leben mit der Aura des Erfolgs - für 7400 Reichsmark, erst nur in Weiß, dann auch in Grau, Grün, Schwarz, Rot oder Elfenbein.

464 Exemplare wurden vom 328 insgesamt gebaut, fast 200, so vermutet Rainer Simons, sind heute noch erhalten.

Die weiße Beechcraft King Air ist die nächste Station auf unserer Zeitreise - aus den Dreißigern zurück mitten in die Gegenwart. In einer guten Stunde bringt uns der Vogel (17,65 Meter Spannweite, Startgewicht 6,8 Tonnen, Reisegeschwindigkeit 439 km/h) über den wolkenverhangenen Kanal nach Frankreich.

Es winkt Le Mans, drei Stunden Fahrt noch Schulter an Schulter im offenen Roadster dann sind Matt Davis und ich dort angekommen, wo vor 1939 das 328 Touring Coupé seine Weltpremiere feierte.

Der schmale Rennwagen, nur 780 Kilogramm schwer und 136 PS stark, beherrschte mit Max Prinz zu Schaumburg-Lippe und Hans Wencher am Steuer die Zweiliter-Klasse souverän.

Kein Wunder, dass uns beim Corso auf der legendären Piste zwischen Dunlop-Bogen und Hunaudières-Geraden der spätere Siegerwagen der Mille Miglia 1940 schnell enteilt. Aber das ist ja keine Schande unter Brüdern.

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