Es ist ein Proteststurm ordentlicher Stärke, der gerade über eines der wenigen wirklich nützlichen Internet-Start-ups hinwegfegt. "Ich mach das Abzocken nicht mit - abgemeldet!", schreibt etwa Markus auf Facebook. Lieber stehe er mit "'nem Schild vorm Bahnhof", als diese angeblich unverschämte Vermittlungsgebühr bei mitfahrgelegenheit.de zu zahlen.
Tausendfach ist so etwas derzeit zu lesen, seit die mächtigste Mitfahrzentrale unvermittelt eine Provision erhebt: Ab Strecken von mehr als 100 Kilometern müssen Fahrer seit Ostern elf Prozent des Fahrpreises an den Seiten-Betreiber, die Münchner Carpooling GmbH, zahlen. Nur wer einwilligt, kommt an die entscheidenden Telefonnummern - dafür wird unter anderem eine größere Sicherheit für Fahrer und Mitfahrer versprochen.
Zwei Fragen stellen sich nun: Wird da ein sozialistisches Prinzip kapitalisiert, wie Nutzer klagen? Und ist die per Internet kumulierte Macht der Kunden so groß, das Geschäftsmodell zu Fall zu bringen?
2020 wird ein Fünftel der Fahrenden kein eigenes Auto mehr haben
Fest steht: Wenn von Mobilität in Deutschland die Rede ist, geht es nicht mehr nur um das eigene Auto oder die Bahn. "Seit vier, fünf Jahren stellen wir einen rasanten Anstieg fest bei Serviceangeboten wie Carsharing, aber auch Mitfahrportalen", sagt Wolfgang Schade, Leiter Verkehrssysteme beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. Vor allem die Vernetzungsmöglichkeit per Smartphone schaffe Angebote, die früher nicht möglich waren: Schnelles und spontanes Buchen von Autos oder Fahrgelegenheiten ist möglich geworden, verbunden etwa mit Bewertungsmöglichkeiten zum Fahrer. Dazu kommt der wirtschaftliche Aspekt: Die Spritkosten steigen.
Im Jahr 2020 werde ein Fünftel der Autofahrenden keinen eigenen Wagen mehr nutzen, sondern ein Carsharing-Auto oder eben eine Mitfahrgelegenheit, schätzt die Unternehmensberatung Arthur D. Little. Mitfahrgelegenheit.de hat eigenen Angaben zufolge bereits etwa viereinhalb Millionen Nutzer gewonnen. Und es ist tatsächlich so, dass dieses Angebot zu Geld gemacht werden soll. Um Sozialismus geht es da kaum mehr, sondern um das, was neudeutsch "Shareconomy" genannt wird, das geteilte Nutzen von Wirtschaftsgütern.
Auch der Daimler-Konzern mischt da mit: Jüngst hat sich der Konzern an Carpooling beteiligt und bietet über Car2go auch noch viele Hundert Mietautos in den Städten an. Sogar auf der Hauptversammlung an diesem Mittwoch widmete Konzernchef Dieter Zetsche dem Thema viel Raum, erklärte es gar zu einem der vier strategischen Wachstumsfelder: Die Angebote der geteilten Mobilität "werden unser Unternehmen verändern". Bereits im kommenden Jahr will Daimler die 100-Millionen-Euro-Marke beim Umsatz knacken.
Selbst der ADAC ist ein bisschen verstimmt
Die Frage ist dabei, ob die Kunden mitspielen. Gerade für Mitfahrgelegenheiten gibt es auch andere Anbieter, die einen digitalen Marktplatz für Angebote und Nachfragen programmiert haben. Carpooling rechtfertigt sich mit hohen Datenschutzstandards und einer intensiven Pflege der Daten, die von insgesamt 60 Leuten geleistet werde - und die mit Werbebannern allein eben nicht mehr zu finanzieren sei.
Aber selbst der ADAC ist ein wenig verstimmt. Ähnlich wie Daimler hat beim Club der Autofahrer ein Umdenken begonnen: Einen Mitfahrklub gibt es mittlerweile - betrieben gemeinsam mit mitfahrgelegenheit.de. "Wir müssen ein solches Angebot bereitstellen", sagt ADAC-Projektleiter Christian Hafensteiner. Denn die Nachfrage nach alternativer Mobilität bei den Mitgliedern sei so stark, dass man das Thema "inzwischen sehr ernst" nehme.
Sehr ernst nehme man jedoch auch die Beschwerden, heißt es. Deshalb will der Club alsbald das Gespräch mit seinem Kooperationspartner suchen und über die Preisgestaltung beraten. Ein Vorschlag, der wohl diskutiert werden dürfte: eine Freifahrt verbunden mit einer moderaten Jahresgebühr für häufige Fahrer. Der Anbieter selbst hat auf seiner Facebook-Seite mittlerweile übrigens Gesprächsbereitschaft angekündigt: "Wir werden das Buchungssystem selbstverständlich weiter optimieren."