Frontscheibenkameras:Ungetrübter Blick nach vorn

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Dashcams werden in Deutschland immer beliebter. 2014 wurden etwa 79 000 Geräte verkauft. (Foto: WGO)
  • Dashcams werden in Deutschland immer beliebter. Allein 2014 wurden 79 000 Geräte verkauft.
  • Manche halten die Frontscheibenkameras für ein gutes Beweismittel. Bei Datenschützern sind sie jedoch höchst umstritten.
  • Forscher suchen nun nach Wegen, wie mit Dashcams die Verkehrssicherheit erhöht werden kann.

Von Steve Przybilla

Beim Blick auf die Tankanzeige wurde Ingo Thomas zum ersten Mal stutzig. "Als mein Auto aus der Werkstatt zurückkam, war kaum noch Benzin drin", erinnert sich der Zahntechnikmeister aus Köln. Dabei hatte er vor dem Termin extra vollgetankt - kann ja sein, dass eine Probefahrt nötig wird. In diesem Fall ließ der Kilometerstand erahnen, dass das Personal mehr als nur eine Runde um den Block gedreht hatte. "Die sind mit meinem Auto durch die ganze Stadt gerast", schimpft Thomas. Mehr als 500 Kilometer habe ein Mechaniker in seinem Sportwagen zurückgelegt - "volle Pulle, mit aufheulendem Motor und sogar über rote Ampeln".

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Das alles hat ihm die Tankanzeige natürlich nicht verraten. Zu verdanken hat Thomas seine Entdeckung einer sogenannten Dashcam. Die Minikameras werden an der Windschutzscheibe oder am Armaturenbrett (Englisch: dashboard) befestigt, damit sie jede Fahrt filmen können. "Bei mir läuft die immer", sagt Thomas, der sich die Blackbox vor anderthalb Jahren angeschafft hat. Die 100 Euro, die er für das Gerät investierte, hätten sich längst ausgezahlt: "Nachdem ich dem Werkstatt-Chef das Video gezeigt hatte, hat er mir die Kosten sofort erstattet. "Ist doch ein tolles Beweismittel", lobt der Dashcam-Fan seine Blackbox.

Dashcams kollidieren mit dem Datenschutz

Doch ist sie das wirklich? Der Streit darüber, ob die Aufnahmen rechtlich zulässig sind, wogt hin und her. Umstritten sind Dashcams vor allem, weil sie mit dem Datenschutz kollidieren. Schließlich hegen bei Weitem nicht alle Nutzer hehre Motive. Manche filmen munter drauflos, lästern über andere Verkehrsteilnehmer, erfassen ihre Nummernschilder und stellen das Material auf Youtube.

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In Russland Alltag, hierzulande in der Kritik: Videokameras auf Armaturenbrettern oder an Frontscheiben können bei Autounfällen Beweise liefern. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Einsatz von Dashcams nun unter bestimmten Bedingungen für unzulässig erklärt.

In vielen EU-Ländern ist das legal, in Deutschland verstößt die Praxis gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der ADAC warnt daher: "Wer mit der Dashcam Verstöße anderer aufnehmen und zur Anzeige bringen will, verstößt in den allermeisten Fällen gegen geltendes Recht."

Selbst innerhalb Deutschlands wird das Thema unterschiedlich gehandhabt. Als in Berlin im Oktober 2014 ein Geldtransporter überfallen wird, nutzt die Polizei ein Dashcam-Video zur Fahndung. In Bayern hingegen warnt das Landesamt für Datenschutz, es werde in Zukunft gegen jeden vorzugehen, der Aufnahmen weitergibt - sei es an die Polizei, an Versicherungen oder an Videoplattformen. Bis zu 300 000 Euro Bußgeld stehen im Raum.

Die Versicherungsbranche ist daher vorsichtig. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung gibt sich eine Sprecherin der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zunächst auskunftsfreudig. Manche Versicherer, sagt sie, griffen bei der Schadensregulierung durchaus auf Dashcam-Videos zurück. Später korrigiert sie ihre Aussage, das Thema "spiele bisher keine Rolle." Und wenn es doch mal eine Aufnahme gibt, wird sie dann benutzt oder nicht? Dies, sagt sie, sei eine "Einzelfallentscheidung."

Viele Autofahrer sind weniger zögerlich: 2014 wurden rund 79 000 Dashcams in Deutschland verkauft - noch etwas mehr als 2013. Zum Einsatz kommen die Geräte für unterschiedliche Zwecke. Mancher Hobbyfilmer will eine schöne Landschaft dokumentieren. Taxifahrer richten die Geräte gerne mal nach innen, um sich vor Pöbeleien und Überfällen zu schützen. Offiziell dementieren die Taxiverbände solche Maßnahmen; in Internetforen tauschen sich die Fahrer aber regelmäßig über das Für und Wider der Technik aus. Und zuletzt: Spaß-Videos. Wer im Netz nach "German Road Stories" sucht, findet ein ganzes Archiv mit Dränglern, Rasern und Parksündern - immerhin sind die Nummernschilder verpixelt.

Es gibt auch sinnvolle Anwendungsgebiete

Dabei gibt es für Dashcams längst Anwendungsgebiete, die mit Voyeurismus und Denunziantentum nichts zu tun haben. An der Universität von Valencia haben Wissenschaftler ein System entwickelt, das Überholmanöver sicherer machen soll. Beim Projekt "EYES" überträgt eine Frontkamera ihre Aufnahmen auf die Bildschirme nachfolgender Autos. In einer Kolonne wird das erste Fahrzeug also zum "Auge", weil es den Blick auf die Gegenfahrbahn ermöglicht. "Wir testen das System zurzeit mit unseren eigenen Autos", sagt Juan Carlos Cano, Informatikprofessor und Entwickler von EYES. Die Ergebnisse seien vielversprechend; der Autohersteller Ford und der Zulieferer Magna Mirrors hätten bereits Interesse angekündigt. "In zwei bis drei Jahren könnten wir Serienreife erlangen", sagt Cano.

Der Technikkonzern Samsung hat Bildschirme an den Türen von Lkw-Anhängern installiert, damit nachfolgende Autos einen freien Blick nach vorne haben. Der "Samsung Safety Truck" ging als virales Video durchs Internet, und es war offenbar mehr als nur ein PR-Gag. In Argentinien, wo besonders viele Landstraßen einspurig verlaufen, will der Konzern den Einsatz der Dashcams forcieren. "Wir prüfen einen landesweiten Einsatz an Lastwagen, die Samsung-Produkte transportieren", sagt eine Sprecherin. Das hat mit Spaß-Videos nichts zu tun - wohl aber mit Verkehrssicherheit.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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