Freistellung beim Automobilclub:Déjà-vu beim ADAC

  • Der ADAC hat am vergangenen Freitag einen seiner Topmanager mit sofortiger Wirkung freigestellt.
  • Ihm werden mehrere Vergehen vorgeworfen. Er soll unter anderem in die eigene Tasche gewirtschaftet und sich der Vorteilsnahme schuldig gemacht haben.
  • Der Mitarbeiter war einer der Geschäftsführer der ADAC Service GmbH, die schon 2014 wegen der geringen Bezahlung ihrer Partnerunternehmen in der Kritik stand.

Von Bastian Obermayer und Uwe Ritzer

Das alles kommt einem so bekannt vor: Ein hochrangiger ADAC-Manager wird an einem Freitagvormittag zum Geschäftsführer zitiert. Es folgt ein ernstes Gespräch; danach wird der Mann mit sofortiger Wirkung freigestellt. Er muss umgehend das Hochhaus im Münchner Westend verlassen, sein Büro wird gesperrt, seine Akten, sein Postverkehr und seine Computerdateien werden in den nächsten Wochen akribisch durchforstet.

Exakt so begann vor 13 Monaten die größte Krise in der bis dahin 111-jährigen Geschichte des ADAC. Damals musste Kommunikationschef Michael Ramstetter zum Rapport bei Geschäftsführer Karl Obermair antreten. Es ging um Manipulationen beim ADAC-Autopreis "Gelber Engel", die zunächst Ramstetter und später auch Obermair den Job kosten sollten.

Massive Vorwürfe gegen einen Topmanager

Aber der eingangs beschriebene Vorgang datiert vom vergangenen Freitag, und nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind die Vorwürfe gegen den diesmal freigestellten Topmanager wiederum massiv: Er soll sich zumindest selbst bereichert haben. Der ADAC steht vor einer neuen Affäre, deren Ausmaß noch in keiner Weise abzusehen ist.

Das unangenehme Freitagsgespräch führte dieses Mal Geschäftsführer Mahbod Asgari, und nachdem der freigestellte Manager Asgaris Büro und wenig später das Hochhaus verlassen hatte, verbreitete der Flurfunk die Sache in wenigen Stunden. Kein Wunder: Der geschasste Manager bekleidet im ADAC seit vielen Jahren eine Schlüsselposition, angesiedelt direkt unterhalb der Konzernspitze.

Mehrere Anschuldigungen

Mit dem Manager wurde am vorigen Freitag auch eine Mitarbeiterin aus seiner Abteilung vom Dienst suspendiert. Auf beide erstreckt sich nach SZ-Informationen der Verdacht, über Jahre hinweg kräftig in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Interne Revisoren werfen ihnen offenbar unter anderem vor, auf ADAC-Rechnung Waren oder Gutscheine eingekauft, sie dann aber für sich selbst verwendet zu haben. In diesen Fällen wäre der ADAC selbst der Geschädigte.

Gleichzeitig steht aber auch der Verdacht im Raum, die Betroffenen könnten unerlaubt Vergünstigungen angenommen haben. Dabei soll es etwa um Urlaube in Spanien und ein zur Verfügung gestelltes Cabriolet gehen, angeblich bezahlt von einem Unternehmen, das wiederum als großer Dienstleister für den ADAC arbeitet.

Insgesamt handle es sich "um sehr viele einzelne Fälle über Jahre hinweg, und daher in der Summe auch um sehr viel Geld", sagt ein ADAC-Insider. Der genaue Schaden sei noch nicht zu beziffern; man stünde erst am Anfang der Untersuchung. Offiziell hält sich der Automobilclub zurück. Ein Sprecher bestätigte auf Anfrage, dass der Topmanager "bis auf Weiteres freigestellt" wurde. "Zu Hintergründen und Details können wir keine Stellung nehmen, da Personalfragen im ADAC grundsätzlich nicht öffentlich diskutiert werden." Der Betroffene selbst war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Offiziell ist er im Urlaub.

Schon im vergangenen Jahr wurde Kritik laut

Innerhalb des ADAC-Kosmos würde die Sache vor allem dann dramatisch, wenn sich der Verdacht auf Annahme von Vergünstigungen erhärten sollte. Der Manager steht einer ADAC-Sparte vor, welche für die Zusammenarbeit mit etwa tausend privaten Pannenhilfe- und Abschleppdiensten zuständig ist, die bei Bedarf im Auftrag des ADAC ausrücken. Die externen "Gelben Engel", sozusagen.

Aus den Kreisen genau dieser Unternehmen wird seit langer Zeit heftige Kritik am Gebaren dieser ADAC-Sparte und speziell ihres Leiter laut, dem jetzt suspendierten Mann. Eine Kritik, die 2014 in einen neunseitigen Wutbrief gipfelte, der hundertfach verschickt wurde und auch an die Konzernspitze ging. Darin wird die viel zu niedrige Bezahlung der ADAC-Partnerbetriebe gegeißelt und der herablassende und rücksichtslose Ton eben jenes Managers.

Der Fall kommt zur Unzeit

Aber, und jetzt wird es problematisch für den ADAC, auch der Vorwurf, die Abteilung sei ein "Sumpf an Korruption und Vorteilsnahme", ist schon lange in der Welt. Offenbar ist der ADAC diesen Vorgängen bis vor Kurzem aber nicht ernsthaft nachgegangen. Erst als nun sehr konkrete Hinweise auf etwaiges Fehlverhalten des Managers aufkamen, offenbar aus dem ADAC selbst, wurde man aktiv. Geschäftsführer Asgari habe daraufhin umgehend die internen Revisoren auf den Fall angesetzt, heißt es. Diese hätten relativ schnell "umfangreiches belastendes Material" gefunden.

Sollten sich nun die jahrelang bekannten Vorwürfe erhärten, wäre das im Binnengefüge des ADAC ein Problem, das kaum schnell in den Griff zu bekommen wäre.

Der Fall kommt für den Automobilklub ohnehin zur Unzeit. Nicht nur, weil der Verein sich eigentlich mit aller Kraft der eigenen Erneuerung widmen wollte. Sondern auch, weil der ADAC zudem den überraschenden Abgang seines Geschäftsführers Thomas Kagermeier verkraften muss, der - als Heilsbringer von außen in den krisengeplagten Club geholt - Ende Februar den ADAC bereits nach neun Monaten wieder verlässt. Kagermeier galt als einer der wichtigsten Reformer, der vor allem neue Compliance-Strukturen beim ADAC aufbauen und den ADAC damit auf ein moralisch unangreifbareres Fundament stellen sollte. Damit und mit seiner direkten Art, so heißt es, machte er sich nicht überall Freunde. Vor allem nicht unter den Ehrenamtlichen.

Die Reform dürfte nun länger dauern

Gerüchte kursieren, Kagermeiers Abgang sei schon länger beschlossene Sache und ursprünglich bereits zum Jahresende 2014 geplant gewesen. Angeblich habe man ihn dann aber auf Ende Februar verschoben, um keinen Schatten auf die Hauptversammlung am 6. Dezember fallen zu lassen.

An diesem Tag trafen sich bekanntlich in der weihnachtlich geschmückten ADAC-Zentrale 200 Delegierte, um nach dem Horrorjahr 2014 eine umfassende Runderneuerung des ADAC zu beschließen. Motto: "Reform für Vertrauen." Die Botschaft dahinter: Ab sofort wird alles gut.

Das allerdings dürfte nun doch noch etwas länger dauern.

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