Süddeutsche Zeitung

Alternative Antriebe:Glaubenskrieg

Elektro- gegen Hybridantrieb, Frankreich gegen Deutschland: wie Renault seine Wettbewerber abhängen will.

Thomas Fromm

Rupert Stadler ist locker an diesem Abend auf Sardinien. Gerade hat der Audi-Chef den A7 Sportback vorgestellt, nun plaudert er in kleiner Runde über die Branche. Nur einmal wird er für einen Moment nachdenklich - als die Rede auf Renault kommt. Erst wenige Tage zuvor hatte der französische Autobauer angekündigt, als erster und einziger Hersteller die Hybridtechnologie einfach zu überspringen. Und von Anfang an gleich voll auf batteriebetriebene Autos statt auf die Mischung von Verbrennungs- und Elektromotor zu setzen.

"Ich glaube nicht, dass wir auf Hybridmotoren als Überbrückungstechnologie verzichten können", sagt Stadler. Er habe "in den nächsten Jahren jedenfalls lieber drei Eisen im Feuer als nur eines".

Drei Eisen oder eines, Hybrid oder Elektro. Es ist eine Wette auf die Zukunft, von der keiner genau weiß, wann sie beginnt. Es geht um die Frage, wer zur richtigen Zeit auf die richtige Technologie setzt. Und es geht dabei nicht zuletzt auch um nationale Fragen.

Spätestens beim Pariser Autosalon Anfang Oktober werden Renault-Nissan und Peugeot-Mitsubishi Modelle wie den Nissan Leaf, den Renault Fluence oder den Mitsubishi i-Miev auf die Bühne heben. Und Frankreich wird sich als Pionierland der Elektromobilität stilisieren. Die deutsche Konkurrenz könnte dann leicht als überholt da stehen. "Wir wollen der erste Hersteller sein, der E-Autos als Massenprodukt anbietet", kündigte Renault-Vizechef Patrick Pélata jüngst an.

Dennoch bleiben die Deutschen bei ihrer Strategie; Stadler ist keine Ausnahme. Alle setzen sie auf den Hybridantrieb - als Übergangstechnologie. Teuer für Hersteller und Kunden, aber nach Meinung vieler Experten so lange notwendig, bis Elektroautos technisch ausgereift sind und zur Massenware werden können. "Auf dem Weg zur E-Autos brauchen wir erst mal die Hybridtechnik, weil die Batterien für reine E-Fahrzeuge noch zu groß und zu teuer sind", heißt es beim Renault-Rivalen VW.

Großes Vorbild der Branche: Hybrid-Veteran Toyota, der seinen Luxuswagen Lexus schon seit 2005 mit Hybridantrieb ausliefert. Beim Renault-Partner Daimler heißt es, man setze "bewusst auf eine breit angelegte Antriebsstrategie"; man werde auch in Zukunft an der Hybrid-Technologie weiterarbeiten. Die Planungen geben den Herstellern Recht: Laut Bundesregierung sollen im Jahre 2020 eine Million reiner E-Autos auf deutschen Straßen fahren. Das wäre nur ein Bruchteil aller Fahrzeuge überhaupt.

Dennoch: Während deutsche Autobauer gerade noch Milliarden in neue Verbrennungsmotoren und die Hybridtechnologie investieren, setzt Renault alles auf eine Karte und will allein zwischen 2009 und 2013 rund vier Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren. Laut Renault sei die Hybridtechnologie nur für große Autos interessant - teure Premiumwagen etwa, wie sie in Deutschland, aber nicht in Frankreich gebaut und in den USA besonders stark nachgefragt werden.

Das Problem der Franzosen: Sie werden in den nächsten zwei Jahren zwar eine Reihe von E-Modellen auf den Markt werfen. Nur ob ihre Kunden dann auch schon die entsprechende Infrastruktur haben, um ihre Autobatterien aufzuladen, ist eine andere Frage.

Das Batteriewechsel-Unternehmen Better Place des israelischen Unternehmers Shai Agassi kooperiert eng mit Renault. So liefert Renault Elektroautos für zwei große Pilotprojekte in Israel und Dänemark; bis 2016 will Renault insgesamt 100.000 Elektro-Coupés vom Typ Fluence an Better Place liefern.

Renaults Strategie stelle daher "einen spannenden Ansatz dar", findet Peter Bosch, Autoexperte und Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Allerdings hänge der Erfolg der rein batterie-elektrischen Autos am Ende "stark von den Geschäfts- und Vertriebsmodellen ab". "Better Place ist nur einer der möglichen Wege", so Bosch. "Intelligente Lösungen wie Batterieleasing oder Car-Sharing müssen aber erst bei den Kunden erprobt werden."

In der Zwischenzeit kämpfen die Hersteller an allen Fronten. Audi gab am Donnerstag bekannt, man werde künftig in großem Stil Elektroautos in München testen. Und der südkoreanische Hersteller Hyundai kündigte an, 2012 in die Massenproduktion von Elektroautos einzusteigen.

Sicher ist nur: Die Elektromobilität ist kaum aufzuhalten. "Nur wenn morgen jemand um die Ecke kommt und sagt, er habe 20 riesige Ölfelder entdeckt, dann könnte die Sache schnell wieder vorbei sein", sagt Audi-Chef Stadler. Doch es werde wohl niemand mit dieser Nachricht um die Ecke kommen.

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SZ vom 10.09.2010/gf
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