Formel Vau:Lebe wild und gefährlich

Die Formel Vau war einst Deutschlands heißeste Nachwuchs-Rennserie - jetzt erinnert eine Ausstellung an die verrückte Zeit.

Jörg Reichle

Nein, schön waren sie nicht. Als die ersten Formel-Vau-Autos in Deutschland auftauchten, rieben wir uns die Augen. 1965 hatten Ferry Porsche und sein Rennleiter Huschke von Hanstein die Volksrennwagen aus den USA mitgebracht. Aber, was heißt schon Rennwagen. Die Dinger sahen aus wie bunte Plastik-Badewannen. Die mickrigen Rädchen im Käfer-Format klebten hilflos an allen vier Enden und die Vorderachsen ließen die Stoßdämpferhalterungen aufragen wie dürre Geweihe.

Formel Vau: Formel-1-Stars wie Jochen Rindt begannen in der Formel Vau ihre Karriere.

Formel-1-Stars wie Jochen Rindt begannen in der Formel Vau ihre Karriere.

Bis zu 10.000 Mark kostete anfangs ein Renner

Das Publikum reagierte entsprechend. "Sollen wir schieben helfen", rief man bei den Bergrennen in Eberbach und am Rossfeld dem tapferen Gerhard Mitter höhnisch zu. Der hatte als Porsche-Werksfahrer die zweifelhafte Ehre, den eigenartigen Monoposto, dessen 1,2-Liter-Motörchen mit seinen 40 PS genauso vom VW Käfer stammte wie Fahrwerk und Getriebe, erstmals in Aktion zu präsentieren.

"Tolle, ausbaufähige Idee", lobte er hinterher. Hinter den Kulissen hörte sich das jedoch anders an, wie sich Rainer Braun, einer der Formel-Vau-Pioniere in Deutschland, erinnert. "Grauenvoll", klagte Mitter, "eine Straßenlage wie eine Kuh."

Trotzdem, die Formel Vau wurde Kult unter deutschen Motorsportfans. Denn sie war vor allem eines: billig. 8000 bis 10.000 Mark kostete ein rennfertiges Auto. Wer über ein bisschen handwerkliches Geschick verfügte, kaufte sich das Ganze als Bausatz, getreu dem Motto: "Wir basteln uns einen Rennwagen." Das versprach Motorsport und heißen Spaß für alle.

Lebe wild und gefährlich

Kein leeres Versprechen: Schon 1966, die Formel Vau ist bereits die erste, zentral organisierte Nachwuchs-Rennwagenklasse, wachsen die Starterfelder rapide, bald sind mehr als 1000 Autos registriert. Die sehen nicht mehr aus wie Badewannen, sondern schon fast wie richtige Rennwagen.

Formel Vau: Volks-Wagen: Die Formel Vau kam 1965 aus den USA zu uns, billige Rennwagen mit VW-Technik.

Volks-Wagen: Die Formel Vau kam 1965 aus den USA zu uns, billige Rennwagen mit VW-Technik.

Fuchs, Kaimann, Apal, Zarp, Austro V oder Olympic heißen die neuen Konstruktionen und bei Volkswagen in Wolfsburg ist man auf den tobenden Nachwuchs stolz wie Bolle. "Mit dem größten Teil dieses Wagens", heißt es in einer ganzseitigen VW-Anzeige unter einem Formel Vau-Foto, "fahren acht Millionen täglich zur Arbeit."

"Die wildesten waren die Österreicher"

Ein Heer von Heißspornen ging damit aber lieber auf die Pisten, wo dann kein Auge trocken blieb. "Die wildesten waren damals die Österreicher, Leute wie Huber, Quester, Pankl, Marko oder Lauda", erinnert sich Frank Michael Orthey, Vorsitzender der Historischen Formel Vau Europa e.V. Windschattenfahren ist schwer angesagt, Nahkampf im Pulk. Ohne Rücksicht auf Verluste. Spätestbremsen sowieso. Ein infamer, aber beliebter Trick ging so: dem Konkurrenten mit der Nase ins Heck fahren und dabei den Gang an dessen freiliegendem Getriebe rausdrücken.

Leider ist der Schutzengel nicht immer schnell genug unterwegs. Unfälle häufen sich, auch tödliche. Beim letzten Lauf zur Europameisterschaft 1970 auf dem Salzburgring verhaken sich die Führenden Schurti und Breinsberg im Ziel mit den Rädern. Rainer Braun erinnert sich: "Breinsberg, nach sattem Doppelsalto kopfüber auf der Fahrbahn liegend, ist Titelgewinner. Schurti klebt als Vizemeister an der Leitplanke." Lebe wild und gefährlich ist längst Wahlspruch der Generation Formel Vau.

Lebe wild und gefährlich

Traditionspfleger Orthey, der sich dem Weiterleben der Serie aus Passion widmet, ist auch einer der Initiatoren der Formel-Vau-Ausstellung, die derzeit im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München zu sehen ist. Da stehen sie dann artig in Reih und Glied, die wilden Hunde von einst: ein Beach von 1964, der mit Solex-Vergaser aus dem Käfer 45 PS leistete und etwa 165 km/h machte, dahinter ein Apal. Der lief mit 1300 cm3 bereits 180 km/h.

Über die Austro Vau, Kaimann, den von der Münchner Mahag gebauten Olympic von 1969 bis hin zum Maco von 1971 lässt sich der allmähliche Wandel der Formel nachvollziehen. Immer besser, immer teurer, auch das veranschaulicht die Ausstellung. Wurden anfangs noch moderat modifizierte Käfermotoren mit 1300 cm3 mit offenen Auspuffanlagen und serienmäßigen Solexvergasern eingesetzt, die mit viel Feinarbeit auf 70 PS gebracht wurden, ließ das Reglement später Zweivergaser-Anlagen, Trockensumpfschmierung und andere Nockenwellen zu. An die 100 PS leisteten die späten Formel Vau und waren immerhin fast 200 km/h schnell. Und das bei 375 Kilo Gewicht.

Stärker Motoren und hohe Preise bringen das Ende

Doch Ende 1970 hat die Formel Vau ihren Zenith erreicht. Zwar bringt die Serie 1973 mit dem Finnen Keke Rosberg noch ein "letztes Riesentalent hervor", so Rainer Braun, doch schon seit 1971 wechseln die meisten Top-Fahrer in die neue Formel Super Vau. Die macht richtig ernst. Es ist zwar noch alles VW-Technik, aber unter 20.000 Mark pro Auto geht nichts mehr. Dafür leistet der Typ-4-Motor aus dem VW 411 jetzt 120 bis 140 PS, das reicht für immerhin 230 km/h - und trennt auch fahrerisch die Spreu vom Weizen. Doch die Professionalisierung hat ihren Preis. 1981 kostet ein Super Vau dreimal so viel wie 1971. Von Nachwuchsserie kann keine Rede mehr sein. Ende 1982 zieht VW die Konsequenzen und stellt die Formel Super Vau ein.

Mit dem Volkswagen auf die Rennstrecke: Von der Formel Vau in die Formel 1; Ausstellung im Verkehrszentrum des Deutschen Museums, München; bis 30.März 2008. Infos: www.deutsches-museum.de.

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