Ford Mach E im Test:Halb Waschmaschine, halb Fake-V8

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Seit 56 Jahren steht der Ford Mustang für erschwingliche Sportwagen. Jetzt wird die Submarke mit dem Pferd im Logo (Pony-Car) elektrifiziert.

(Foto: Ford)

Ford sagt den Premiumherstellern mit dem Mustang Mach E den Kampf an - dank solider Technik, überzeugenden Fahreigenschaften und einem guten Preis.

Von Georg Kacher

Am Anfang war das Pferd. Dann erfanden Ingenieure wie Gottlieb Daimler und Henry Ford das Automobil. Jetzt bringt Ford (im übertragenen Sinn) wieder das Pferd ins Spiel. Der Mustang Mach-E soll den Kunden das Umsatteln auf die E-Mobilität erleichtern. Als Steigbügelhalter dient ein relativ simples Skateboard-Konzept, das Tesla zum Marktführer und Börsenstar gemacht hat. Das legendäre Pony-Car mit dem Pferd im Logo nimmt jedoch nicht nur das Model Y ins Visier, sondern auch den VW ID.4, Jaguar i-Pace, BMW iX3 und den Volvo XC40 Recharge. Entwickelt wurde das Hochvolt-Vollblut in Detroit, doch für die Fertigung ist ein runderneuertes Werk in Mexiko zuständig. Dessen Jahreskapazität von nur 60 000 Einheiten dürfte die globale Nachfrage nicht annähernd befriedigen.

Der Tag mit dem Mach-E beginnt am Flughafen Köln bei Sonnenschein, minus drei Grad Außentemperatur, aber auf 22 Grad vorgeheiztem Innenraum. Per Knopfdruck flimmert der analoge Statusreport über das Hochkant-Tablet im XXL-Format: Ladezustand 86 Prozent, 279 Kilometer Reichweite, Durchschnittsverbrauch 28,8 kWh. Der Projektleiter Matthias Tonn runzelt die Stirn: "Der Kollege, der gestern mit dem Wagen unterwegs war, hat es wohl richtig krachen lassen." Stimmt. Im Laufe des Tages verbessert sich die Effizienz bis auf den Top-Wert von 21,3 kWh - der dann rund um den Nürburgring wieder auf 29,5 kWh hochschnellt. Das liegt zum einen am Fahrer, der mit dem Elektroschlitten schon nach wenigen Kilometern per Du ist, aber auch am Leergewicht von 2182 Kilo, das dank der 376 Akkus im Bauch zumindest den Schwerpunkt flach hält.

Wirklich verbrauchsarm ist der Mach-E nicht

Der Testwagen ist ein voll ausgestattetes Edition One Model mit Allradantrieb, der großen 88 kWh (netto) Batterie und zwei E-Maschinen, die in Summe 351 PS und 580 Nm aus den Innenläufern schälen. Das reicht, um in 5,1 Sekunden von null auf 100km/h zu spurten, auf der Autobahn zügelt der elektronische Aufpasser bei 180 km/h allzu sportliche Ambitionen.

Der erste Eindruck ist zwiespältig. Fingerhaken mit Punktsensor vorne und Griffmulde hinten statt klassischer Türgriffe, kommode Sitze mit ausreichend Seitenhalt, ordentliche Verarbeitung, pfiffiges Design, relativ intuitive Bedienung - alles schön und gut. Aber das enorme Rückstellmoment der Lenkung erinnert den neu Zugestiegenen an einen Kirmes-Scooter, der selbstzentrierende Geradeauslauf erfordert Gewöhnung, beim Einlenken stört dagegen die übertriebene Leichtgängigkeit. Was ist da los, Herr Tonn? "Spurhalteassistent abschalten und den Fahrmodus wechseln, von zahm nach aktiv oder temperamentvoll." Während in zahm (heißt im Original whisper) ein Bitte-Nicht-Stören-Schild am Gaspedal baumelt und sich die Lenkung lässig mit zwei Fingern dirigieren lässt, stimmt in aktiv die Balance aus engagiert und tiefenentspannt.

Vorsicht mit der Sporttaste

Das kann in temperamentvoll (untamed im US-Originalton) doch nur besser werden - denkste! Im Sportprogramm geht es arg zackig zur Sache, beim Bremsen legt das System jetzt künstlich erzeugte Rückschaltrucke an den Tag, der ebenso synthetische Sound ist halb Waschmaschine im Schleudergang und halb Fake-V8.

Aktiv erweist sich als ausgewogener Kompromiss, der die Vorwärtsbewegung empathisch im Fluss hält und beim Gaswegnehmen nicht übertrieben stark rekuperiert. Was fehlt, sind zwei kleine i-Tüpfelchen in Form von Schaltwippen am Lenkrad, mit denen man elegant Segelphasen einleiten und den Schwung gezielt reduzieren könnte. Dass der Komfort bei langsamer Fahrt angesichts der grobstolligen 19-Zoll-Winterreifen nicht die Schäfchenwolke-Trophäe gewinnt, versteht sich fast von selbst. Auf unebenem Geläuf operiert das Fahrwerk, das ohne Dämpferverstellung auskommen muss, erst ab 60 km/h mit der erhofften Geschmeidigkeit.

Der Mach-E liegt bei jedem Tempo satt auf der Straße, carvt präzise durch Radien aller Art, mixt aus Kurvengrip und Traktion einen nie gefährdeten Vertrauensvorschuss, wirkt trotz Größe und Gewicht erstaunlich handlich, verzögert selbst im Extremfall gleichmäßig und ohne spürbaren Unterschied zwischen elektrisch und hydraulisch unterstützter Bremse. Keine Frage: fahrdynamisch stromert das Rennpferd mit der Ladeklappe den meisten Konkurrenten auf und davon.

Nach sechs Stunden Spaß an der Freude wird der Bordcomputer langsam nervös. Bei 24 Prozent Restladung und 58 Kilometer Restreichweite ist es wohl an der Zeit, eine Stromtankstelle aufzusuchen. Weil die öffentliche Säule herumzickt, dürfen wir ausnahmsweise bei Jaguar am Ring mit 150 kW schnellladen. Nur zehn Minuten später sind 109 Zusatz-Kilometer gebunkert, und es kann weitergehen. In der Dunkelheit überzeugt das Matrixlicht, doch der zu helle Riesenbildschirm nervt und muss deshalb Pause machen. Die wichtigsten Infos kann man ohnehin vom kleineren Rechteck-Display im direkten Blickfeld des Fahrers ablesen.

Obwohl der Testwagen inzwischen eine Verschnaufpause verdient hätte, geht es ein letztes Mal im - um im Bild zu bleiben - gestreckten Galopp durch die Eifeler Berge hinunter auf die rechtsrheinische Autobahn, wo der Stromer im Windschatten der Lieferdienst-Sprinter munter Meter macht. Profi-Jockeys mögen mit dem für Ende 2021 avisierten, 487 PS starken Mach-E GT besser bedient sein, doch für Freizeitreiter gibt es kaum ein cooleres Pony als das 88-kWh-Einstiegsmodell, das mit Heckantrieb, 294 PS-Maschine und 610 Kilometer Reichweite ab 54 475 Euro zu haben ist.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

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