Ford Fiesta:Zeichen der Zeit

Mit der neuen Generation des Fiesta geht Ford sichtlich bemüht auf die Suche nach junger Kundschaft.

Georg Kacher

Ein gutes Jahr nach dem Mazda2 lanciert Ford den neuen Fiesta, der weitgehend mit dem Kompaktwagen der japanischen Schwestermarke baugleich ist. Die Fernost-Connection hat entscheidend mitgeholfen, den Fiesta, Jahrgang 2009, um 40 Kilo zu erleichtern - in Verbindung mit dem kräftigen 1,6-Liter-Diesel, der 66 kW (90 PS) leistet, führt das zu einem Durchschnittsverbrauch von nur 4,2 Liter auf 100 Kilometer.

Ford Fiesta: Neues Gesicht: Der Ford Fiesta des Jahrgangs 2009 kommt mit wuchtigem Kühlergrill, weit nach hinten gezogenen Scheinwerfern und großer Frontscheibe.

Neues Gesicht: Der Ford Fiesta des Jahrgangs 2009 kommt mit wuchtigem Kühlergrill, weit nach hinten gezogenen Scheinwerfern und großer Frontscheibe.

(Foto: Foto: Ford)

Sparsamkeit ist auch ein Merkmal der vier zum Start am 11. Oktober verfügbaren Benzinmotoren, die zwischen 5,4 und 5,9 Liter konsumieren. Ein weiterer Eckpfeiler der Wirtschaftlichkeitsrechnung sind die relativ günstigen Preise. Das Basismodell mit der auf 44 kW (60 PS) gedrosselten 1,25-Liter-Maschine kostet 11.250 Euro, besagter Diesel steht mit 14.500 Euro in der Preisliste und der 88 kW (120 PS) starke 1,6-Liter-Ghia ist inklusive Klimaanlage und Alufelgen für 16 .50 Euro zu haben. Für die empfehlenswerte, weil deutlich geräumigere und vielseitigere viertürige Karosserie müssen 750 Euro zusätzlich einkalkuliert werden.

Die Fiesta-Ausstattungsliste enthält neben einer langen Reihe von Extras nicht weniger als 14 verschiedene Pakete, die teilweise völlig artfremde Elemente wie Klima und Musik miteinander kombinieren. Das voll integrierte und daher kaum nachrüstbare Radio wird übrigens bei allen Varianten gesondert berechnet - 700 Euro kostet die einfachste Anlage mit zwei Lautsprechern.

Kinetic Design nennt Ford seit dem Mondeo seine Formensprache, die auch beim neuen Fiesta durch ihre extravagante und betont dreidimensionale Architektur als große Geste für den Schauplatz Straße verstanden werden will. Das Auto fängt mit dem wuchtigen Grill, den XXL-Scheinwerfern und der riesigen Windschutzscheibe vielversprechend an; doch hinter der B-Säule ging den Stilisten offenbar der Platz aus, was vor allem die Fondpassagiere zu spüren bekommen, denen es an Kopf- und Beinfreiheit fehlt. Und auch den Fahrer stören die abfallende Dachlinie, die breiten C-Säulen und die schmale Heckscheibe, weil sie die Sicht nach hinten beeinträchtigen. Der Kofferraum fasst zwischen 295 und 979 Liter; die niedrige Ladekante schont die Bandscheiben, doch beim Umklappen des Rücksitzes entsteht keine ebene Fläche, sondern eine unschöne Stufe.

Zeichen der Zeit

Das verspielte Cockpit-Design reflektiert den Geschmack der Zielgruppe, die so jung sein soll, dass sie eigentlich noch gar keinen Führerschein besitzen dürfte. Während der alte Fiesta ob seines bieder-funktionellen Interieurs von der Zeitgeistfraktion hart kritisiert wurde, darf der Nachfolger ungeniert mit der Mode gehen. Mit dem Ergebnis, dass jetzt alles anders ist - aber fast nichts ist wirklich besser. Im Gegenteil. Die Skalen sind schlecht ablesbar, das Bedienpaneel für Heizung und Lüftung versteckt sich tief unten in der Mittelkonsole, der Aktivierungsknubbel für das MMI ist eine Art Überraschungsei im Pralinéformat, das numerische Eingabefeld hat man ohne Not diagonal gerastert, und die kleine LED-Anzeige in der Instrumentenkombi liegt im steten Kompetenz-Clinch mit dem großen Display gleich nebenan.

Die Elektronik besitzt zwar die höhere Schulbildung, aber das Tempo in großen Digitalziffern angeben, das kann sie nicht. Auch ein Navigationssystem fehlt im Angebot ab Werk - angeblich weil besagte Zielgruppe sich von TomTom, Handy oder iPhone den Weg weisen lässt. Obwohl nur die Ghia- und Titanium-Modelle aufpreisfrei klimatisiert sind, passt ein Schiebedach offenbar ebenfalls nicht ins neue Selbstverständnis.

Die Motoren sind durch die Bank brav, willig und sparsam, aber sie würden noch weniger verbrauchen, wenn Ford dem Fiesta ein Sechs-Gang-Getriebe spendiert hätte. Wer den Kupplungsfuß in Rente schicken möchte, muss den 1,4-Liter-Benziner mit 71 kW (96 PS) bestellen, der dann aber mit einem betagten Vier-Gang-Selbstschalter verblockt ist. Warum das automatisierte Schaltgetriebe namens Dura-shift EST nicht mehr angeboten wird, wissen wohl nur die Götter in Detroit.

Wir fuhren den 1,6-Liter-Benziner, der drehfreudig ist und gut am Gas hängt, sein maximales Drehmoment von 152 Newtonmeter jedoch erst bei 4050 Touren beisammen hat. Der 1.6 Ti-VCT beschleunigt in 9,9 Sekunden von null auf 100 km/h, ist 193 km/h schnell, verbraucht im Mix 5,9 Liter und emittiert 139 g CO2 pro Kilometer. Laufkultur und Geräuschentwicklung erfüllen nur durchschnittliche Ansprüche; und der energiezehrende Klimakompressor schlägt gnadenlos selbst bei Vollgas zu, was bei so manchem Überholmanöver auf hügeliger Strecke zum vorzeitigen Abbruch führt - sicher ist sicher.

Zeichen der Zeit

Das tiefergelegte und besonders üppig bereifte Sport-Modell sieht knackig aus, aber es federt und dämpft weniger geschmeidig als die Varianten mit Standard-Fahrwerk. Der von uns gefahrenen Ghia-Version gelang trotz 16-Zoll-Breitreifen auf jedem Geläuf eine harmonische Synthese aus Komfort und Fahrspaß. Während viele Kompaktwagen entweder spröde abrollen oder sich rastlos in den Federn wiegen, bleibt der neue Fiesta selbst bei engagierter Gangart ruhig, gefasst und absolut richtungsstabil. Statt sich emphatisch in die Kurve zu legen und dabei früh zu untersteuern, zieht das Steilheck wie vom Zirkel vorgegeben seine Spur. Die Lenkung hält selbst unter Stress vollen Fahrbahnkontakt, die Bremse hat mit dem agilen Fronttriebler leichtes Spiel, das Chassis liegt satt auf der Straße, Traktion ist nie ein Thema.

Das Debüt des sportlichen Fiesta RS ist wohl nur eine Frage der Zeit. Ob es aber ein kleines Coupé nach Art des Puma und einen zweisitzigen Roadster als Nachfolger des StreetKa geben wird, hängt vor allem davon ab, ob und wann Ford wieder dauerhaft schwarze Zahlen schreibt.

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