Süddeutsche Zeitung

Förderprogramm:Was Sie über die Kaufprämie für Elektroautos wissen sollten

  • Mit mehr als einer Milliarde Euro wollen Bund und Hersteller die Elektromobilität fördern.
  • Für Käufer reiner E-Autos gibt es 4000 Euro Unterstützung, für Hybrid-Fahrzeuge 3000 Euro.
  • Luxusautos über 60 000 Euro sind von der Förderung ausgeschlossen.
  • Diese startet ab Mai und ist bis 2019 befristet.

Markus Balser und Cerstin Gammelin, Berlin

Mag sein, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein wenig bluffte, an diesem Mittwoch in der Bundespressekonferenz. Es ging um die Lage der Autoindustrie in Deutschland und darum, wie die Bundesregierung der Branche auf dem Sprung in die Zukunft hilft. Jedenfalls muss sich die Regierung schon recht große Sorgen machen um die deutschen Autohersteller. So große, dass sich Schäuble nicht nur bereit erklärte, die von ihm eigentlich abgelehnte Kaufprämie für E-Autos doch einführen zu lassen. Er ließ sich sogar noch zu einer Kaufempfehlung hinreißen. "Nur die ersten Käufer bekommen die Prämie", sagte Schäuble. "Ich kann ihnen nur raten: Kaufen Sie bald!"

Dem Aufruf Schäubles zum Zugreifen waren nächtliche Gespräche im Bundeskanzleramt vorausgegangen. Bis kurz vor Mitternacht hatten Schäuble, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei einem Autogipfel den Druck auf die großen Konzerne erhöht, sich endlich am Milliardenprogramm für mehr Elektromobilität zu beteiligen. Schließlich lenkten neben BMW-Chef Harald Krüger auch die skeptischen Autobosse Dieter Zetsche (Daimler) und Matthias Müller (VW) ein. Mit insgesamt 1,2 Milliarden Euro wollen Bund und Hersteller die sogenannte Verkehrswende mit einem Paket von Maßnahmen fördern.

Und warum gibt es Steuergeld für die Konzerne, die in den vergangenen Jahren dreistellige Milliardengewinne eingefahren haben? "Wir stehen weltweit vor der Neuerfindung der Mobilität", so Gabriel. Diese Neuerfindung werde jedoch getrieben von Konzernen, die nicht in Deutschland säßen, von IT-Konzernen wie Google und Apple und dem Start-up Tesla. Dobrindt: "Wir erleben eine Entwicklung, bei der wir nicht wissen, ob die Top-Hersteller von heute auch noch die Top-Hersteller in zehn Jahren sein werden." Deutschlands wichtigste Industrie drohe von der Konkurrenz überholt zu werden. Die Süddeutsche Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen zum E-Auto-Förderprogramm:

Wie hoch ist die Förderung beim Kauf?

Für reine Elektroautos gibt es 4000 Euro. Käufer von Hybrid-Fahrzeugen mit ergänzendem Verbrennungsmotor sollen 3000 Euro bekommen. Eine höhere Förderung - im Gespräch waren bis zu 5000 Euro - scheiterte am Veto der Industrie. Luxusautos mit einem Listenpreis von mehr als 60 000 Euro sind von der Förderung ausgenommen. Die gesamte Fördersumme von 1,2 Milliarden Euro teilen sich Bund und Hersteller zu jeweils 50 Prozent.

Ab wann und wie lange gilt die Kaufprämie?

Die Beschlüsse des Gipfels sollen bereits im Mai vom Bundeskabinett beschlossen werden - und noch im Mai in Kraft treten.

Die Förderung soll dann schnell anlaufen. Sie ist bis 2019 befristet. Da die Summe gedeckelt ist, wird die Förderung nach dem Windhund-Prinzip verteilt: Solange Geld da ist, wird auch ausgezahlt. Nur wer schnell ist, erhält also den Zuschuss sicher. Ob das Geld bis zum Jahr 2019 reicht, ist fraglich.

Wird die Förderung nur für deutsche Hersteller gewährt oder für alle Marken?

Das Förderprogramm steht theoretisch allen Herstellern offen. Bisher haben sich aber nur die deutschen Konzerne BMW, Mercedes und VW bereit erklärt, in den Fonds einzuzahlen. Nur ihre Kunden können damit auch die Mittel des Bundes beantragen. Praktisch also bleibt das Förderprogramm bislang auf diese Hersteller beschränkt. Möglicherweise werden dem Programm aber in den nächsten Monaten weitere Hersteller beitreten.

Wie kommen Käufer an das Geld?

Wie kommen Käufer an das Geld? Bund und Hersteller versprechen einen unbürokratischen Prozess. Der Anteil der Autobranche soll beim Kauf eines E-Autos direkt vom Preis abgezogen werden. Mit dem Kaufvertrag sollen Kunden die zweite Hälfte der Mittel, die Bundesförderung, beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) beantragen können.

Was kostet es den Staat? Der Bund muss eine Milliarde Euro aufbringen, 600 Millionen für Kaufprämien und 300 Millionen für den Ausbau des Ladenetzes. Dobrindt plant 15 000 zusätzliche Stromtankstellen. Zusätzlich will der Bund das eigene Beschaffungsprogramm von Elektroautos ausweiten. Künftig sollen 20 Prozent der neuen Autos E-Fahrzeuge sein. Die Kosten dafür: 100 Millionen.

Woher kommt das Geld?

Finanzieren will der Bund die Förderung über den Energie- und Klimafonds. Das ist ein Sondertopf beim Bundesfinanzministerium, der für die Energiewende eingerichtet worden war. Mögliche Steuererleichterungen belasten dagegen den Haushalt. Elektroautos könnten künftig von der Kfz-Steuer ausgenommen werden. Dies ginge aber nur per Gesetzesänderung und müsste vom Bundestag beschlossen werden.

Ist das Ziel von einer Million E-Autos auf deutschen Straßen mit dem Programm überhaupt noch erreichbar?

Die Bundesregierung will bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße bringen. Die Idee dahinter: Mehr Fahrzeuge, die mit Strom statt mit Benzin oder Diesel fahren und deshalb kein Kohlendioxid (CO₂) ausstoßen, sollen helfen, die Klimaziele zu erreichen. Vom Millionenziel hat sich die Regierung inzwischen etwas distanziert. Ziel des neuen Förderprogramms ist es, bis 2020 etwa 500 000 E-Autos auf die Straßen zu bringen. Laut Dobrindt sei damit bereits eine kritische Masse erreicht. Die Hoffnung der Regierung: Der weitere Ausbau wird zum Selbstläufer, wenn die ersten Autos den Praxistest bestehen.

Warum unterstützt die Bundesregierung die reiche Branche mit Milliarden?

In den vergangenen Tagen wurde in der Koalition Ärger über eine neue Milliardenförderung ausgerechnet auf dem vorläufigen Höhepunkt des Abgas-Skandals laut. Die Bundesregierung machte am Mittwoch klar, warum sie sich dazu gezwungen sieht: In Berlin wächst die Sorge, dass Konzerne wie Google oder Apple etablierten Herstellern bei Elektroautos mit Innovationen das Geschäft streitig machen. Deshalb soll der Druck auf die Branche erhöht werden, sich zu erneuern. Es geht um Hunderttausende Arbeitsplätze bei Konzernen und Zulieferern. Die Regierung machte auch klar, dass sie nach dem Abgas-Skandal ein Umdenken anmahnt. "Wir haben bei dem Treffen einen Kulturwandel eingefordert", sagte Gabriel. Die Branche müsse dem Gemeinwohl mehr entgegenbringen als Drohungen, Druck und Lobbyismus.

Worüber wurde zuletzt noch gestritten?

Zentraler Streitpunkt war ein Eigenanteil der Branche, die jahrelang satte Milliardengewinne einfuhr. Und eine bedrohliche allgemeine Krise wie zu Zeiten der Abwrackprämie 2009 herrscht gerade auch nicht. Finanzminister Schäuble pochte daher darauf, dass sich Staat und Autoindustrie die mögliche Fördersumme von bis zu 1,2 Milliarden Euro teilen - und setzte sich damit durch.

Sind die Kritiker jetzt besänftigt?

Nein. Aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft hagelte es neue Vorwürfe. "Die Prämie für E-Autos halte ich für einen schweren Fehler", sagte der Chef des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo), Clemens Fuest. Auch in der Politik gibt es weiter Gegenwind. "Wir werden noch einige Überzeugungsarbeit leisten müssen", sagte Finanzminister Schäuble.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2969052
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.04.2016/reek
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.