Flugzeugbau bei Sukhoi:Alter Name, neue Hoffnung

Der russische Flugzeughersteller Sukhoi will mit der wendigen und leisen SSJ-100 im umkämpften Markt für Regionaljets landen.

Andreas Spaeth

Martin Gauss ist begeistert: "Das ist genau das richtige Flugzeug für uns", schwärmt der Münchner, der seit kurzem der ungarischen Fluggesellschaft Malév vorsteht. Und wie zum Beweis legt Gauss, selbst Pilot, seine Hand auf einen der beiden Sidesticks im Cockpit, das dem in einem Airbus ziemlich ähnlich sieht. Für Paolo Revelli Beaumont ein gutes Zeichen - der smarte Italiener ist der Chef von SuperJet International, einem Konsortium, das die Maschine im Westen vermarkten soll. Denn kurz bevor Gauss kürzlich während der Pariser Luftfahrtschau in Le Bourget einen Blick in den zweiten Prototypen des Sukhoi Superjet 100 (SSJ-100) warf, hatte er bei Beaumont einen wichtigen Vertrag unterschrieben - die Absichtserklärung über den Kauf von 15 Exemplaren des 98-sitzigen Regionaljets sowie 15 weitere Optionen zur Lieferung an Malév von Mitte des Jahres 2011 an.

Flugzeugbau bei Sukhoi: Start frei: Der schnittigeSuperjet 100von Sukhoi bietet Platz für 98 Passagiere.

Start frei: Der schnittige

Superjet 100

von Sukhoi bietet Platz für 98 Passagiere.

(Foto: Foto: oh)

Die SSJ-100 ist das erste vollkommen neue Verkehrsflugzeug, das in Russland nach dem Ende der Sowjetunion gebaut worden war und als einzige Weltpremiere auf der weltgrößten Luftfahrtmesse natürlich im Mittelpunkt des Interesses stand. Der schnittige Zweistrahler begeisterte in täglichen Flugvorführungen durch die Wendigkeit, die ihm die russischen Testpiloten abverlangten, und durch seine extrem leisen Triebwerke.

Sukhoi, seit Sowjetzeiten Hersteller von Hochleistungs-Kampfflugzeugen, hatte 2000 einen zivilen Ableger gegründet, dessen erstes Produkt nun der Superjet 100 ist. Am 19. Mai 2008 fand der Jungfernflug statt, Ende dieses Jahres sollen bereits die ersten Flugzeuge bei Aeroflot im Liniendienst zum Einsatz kommen. Für 2010 dann ist die europäische Zulassung durch die Luftfahrtbehörde EASA geplant und damit der Betrieb bei westlichen Gesellschaften. Von den bislang vorliegenden knapp 150 Bestellungen kommen 35 aus Westeuropa - neben Malév auch von ItAli Airlines, der spanischen Gadair und einer Schweizer Finanzfirma.

Der Osten kann offenbar wieder im Westen landen mit seinen Flugzeugen; die positive Konsequenz aus dem völlig neuen Ansatz beim Flugzeugbau. Denn von Anfang an wurden westliche Partner mit ins Boot genommen. "Sukhois Vision war es, ein wirklich internationales Flugzeug zu bauen und sich einem bekannten westlichen Hersteller anzuschließen, um die westlichen Märkte von der Ernsthaftigkeit und Qualität des Produkts zu überzeugen", erklärt Paolo Revelli Beaumont.

Wichtigstes Verkaufsargument: niedrige Betriebskosten

So investierte der italienische Hersteller Alenia Aeronautica 100 Millionen Dollar, um ein Viertel an Sukhoi Civil Aircraft (SCAC) zu erwerben, weitere 150 Millionen flossen direkt in das Programm. Boeing half beim Marketing, die hocheffizienten Turbofan-Triebwerke werden vom russisch-französischen Joint Venture PowerJet hergestellt. Wichtigstes Verkaufsargument in dem hochumkämpften Markt der 100-sitzigen Regionaljets, in dem Kanadier, Brasilianer und neuerdings auch noch Japaner und Chinesen mitmischen wollen, sind niedrige Betriebskosten bei hohem technischen Standard. Ein Flug mit dem SSJ-100 von Berlin nach Venedig sei um 13 Prozent billiger als mit bereits heute eingesetzten Jets gleicher Größe, rechnen die Anbieter vor.

Sukhoi sieht in den nächsten 20 Jahren weltweit einen Gesamtbedarf von 6100 Flugzeugen dieser Klasse und hofft, selbst 1040 verkaufen zu können, wovon 300 für Russland und andere ehemalige GUS-Staaten vorgesehen sind. Einen Anteil an diesem Kuchen will sich aber auch eine andere ehemals sowjetische Flugzeugfabrik sichern. Bereits im Dezember 2004 ließen die in der Ukraine beheimateten Antonow-Werke den zweistrahligen Hochdecker Antonow An-148 zum Jungfernflug starten, doch erst am 2. Juni 2009 konnte der erste bisherige Prototyp des 70-Sitzers bei der ukrainischen Fluggesellschaft Aerosvit in den Liniendienst übernommen werden.

Die An-148 war bereits zum zweiten Mal in Paris und brachte die Besucher zum Staunen, aber: Kommerziell reicht ihr Erfolg bisher nicht über ehemalige Ostblock-Staaten hinaus; lediglich russische, ukrainische und kasachische Kunden haben bisher rund 50 Exemplare geordert. Anders als der SSJ-100 stützt sich Antonow bei wesentlichen Komponenten wie etwa den Triebwerken der Marke Motor Sich auf östliche Zulieferer. Gleichzeitig aber wird betont, dass 240 Partner aus 14 Staaten an dem Programm beteiligt seien. Neun der Partner kommen aus Deutschland, darunter Liebherr als Zulieferer für Lüftung und Flugsteuerung.

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