Flugzeug-Recycling:Der Start ins zweite Leben

Selbst wenn ausgemusterte Flugzeuge verschrottet werden, verdienen sie noch Geld: Instrumente und Triebwerke werden überprüft und wieder eingesetzt.

Klaus C. Koch

Kreischend frisst sich die Säge ins Leitwerk des ehemaligen Passagierjets. Ein Kühlmittel verhindert, dass die Funken fliegen. Es kracht, es stinkt, dann sinkt das Höhenruder ächzend zu Boden. Vor der ausgeweideten DC 10 türmen sich Fahrwerk, Reifen und Tragflächenteile. In Sichtweite gammelt eine von Rostflecken übersäte Boeing 747 vor sich hin. Der Flughafen von Châteauroux, 266 Kilometer südlich von Paris, einst Brückenkopf der US-Luftwaffe für den etwaigen Ernstfall im Osten und vom Flugzeughersteller Dassault als Produktionsstätte genutzt, hat schon bessere Zeiten gesehen. Heute dient er als Umschlagplatz für Frachtmaschinen, als Basis für Wartungsarbeiten und als Schrottplatz und Zwischenlager für die vor drei Jahren gegründete Aircraft Fleet Recycling Association (Afra). Die hat sich der Wiederverwertung ausgedienter Luftfahrzeuge verschrieben und damit noch einiges vor sich. Denn weltweit nimmt die Zahl der Maschinen, die außer Dienst gestellt werden, rasant zu. Schätzungen gehen davon aus, dass in den nächsten 20 Jahren 6000 Jets und Propellermaschinen zerlegt werden müssen; 2700 stehen noch auf Halde.

Flugzeug-Recycling

Letzte Landung: Auf dem Flughafen von Châteauroux werden ausgemusterte Flugzeuge aus der ganzen Welt verschrottet. Allein 217.000 Tonnen Alu konnten so recycelt werden.

(Foto: Foto: kck)

Verkehrsmaschinen legen im Laufe der Jahre Millionen von Flugkilometern zurück. Bis zu 30 Dienstjahre - in den Vereinigten Staaten oft deutlich mehr - haben die Flugzeuge auf dem Buckel, bevor sie ausgemustert werden. Manche werden in diesem Stadium noch an Fluggesellschaften in Dritte-Welt-Länder verkauft, die sich keine neuen Maschinen leisten können, sondern sich lieber auf dem Gebrauchtmarkt umsehen. Weil es an Geld fehlt, sind dort bisweilen auch Instandhaltungszyklen und der fällige Austausch von wichtigen Teilen Makulatur. Standardprozeduren und Inspektionen einzuhalten, fällt klammen Fluglinien schwer. Und werden Flugzeugtypen nicht mehr hergestellt, werden alte Maschinen auch gern abseits der Piste auf der grünen Wiese geparkt, um sie noch als Ersatzteillager zu nutzen.

Landet eine Maschine in Châteauroux, werden zunächst brennbare Materialien und toxische Substanzen, Kerosinreste, Batterieflüssigkeiten und Schmiermittel entfernt. 60 bis 65 Prozent aller Teile, so Afra-Chef Martin Fraissignes, werden bislang der Wiederverwertung zugeführt. Weil die Afra inzwischen vertraglich die Hälfte aller ausgemusterten Maschinen sämtlicher Fluglinien der Welt unter ihren Fittichen hat, waren das bislang 217.000 Tonnen Aluminium und 3700 Tonnen hochwertiger Legierungen wie Titan. Angestrebt wird eine Recyclingquote von 95 Prozent bis 2016.

Leider sind die Rohstoffpreise gerade mal wieder in den Keller gefallen, räumt Yves Basset von Bartin Aero Recycling, einem der Wiederverwerter ein. "Wenn man da momentan noch 300 Euro pro Tonne bekommt, ist das schon gut", meint Bernard M. Comensoli, Experte der in Genf beheimateten JMV Aviation. Die Überreste einer Boeing 747 geben gerade mal 100 Tonnen, eine DC 10 etwa 75 Tonnen des Leichtmetalls her. Der Rest sind Kabel, zehn Prozent Stahl, Isoliermaterial, Plastik und einige Dutzend Zentner an elektronischem Material.

Kontrolle ist lebenswichtig

Da Hersteller wie Boeing und Airbus zunehmend Kompositmaterialien verarbeiten, stellt sich zudem die Frage, was mit den Verbundstoffen geschieht. Afra-Mitbegründer Bill Carberry, Recyclingspezialist bei Boeing, präsentiert eine schwarz lackierte Armlehne, die versuchsweise aus CFK-Resten des 787 Dreamliner gefertigt wurde. "Das ist aber nur ein Prototyp", sagt er, als wolle er sich für das noch etwas grobe Design entschuldigen.

Warum das Abwracken nicht zwangsläufig ein Verlustgeschäft ist, führt zu einer weitaus sensibleren Frage - und damit zu einer noch nicht demontierten Boeing 747-200, Baujahr 1978, deren Schwanzflosse aus einem Hangar ragt. Im Cockpit sind Techniker damit beschäftigt, Instrumente und Navigationsgeräte auszubauen. Besonderes Augenmerk gilt auch den Triebwerken. Eine runderneuerte Turbine einer 747, kalkuliert Comensoli, bringt gut und gerne 900.000 bis 1,1 Millionen Euro. Das Aggregat wird in zertifizierten Betrieben komplett auseinandergenommen und jedes einzelne Bauteil auf Herz und Nieren geprüft. Der Lebenslauf jedes Ventils und jeder Triebwerksschaufel muss exakt dokumentiert sein, um die Materialermüdung des betreffenden Werkstoffs und seine voraussichtliche Lebensdauer bestimmen zu können. Fraissignes glaubt, dass der auf zwei Milliarden Euro geschätzte Handel mit gebrauchten Ersatzteilen noch Potential birgt.

Nur allzu gut erinnern sich die Wiederverwerter aber auch an den Fall eines Lieferanten, der - bevor die Afra entstand - Bauteile aus der Schubumkehr eines gängigen Triebwerkstyps nicht ausreichend dokumentierte. 2004 wurde der Besitzer einer italienischen Firma zu 15 Monaten Haft verurteilt, weil sich herausstellte, dass er Papiere gefälscht hatte. Lufthansa, Air France und Alitalia mussten ihre Flotten daraufhin untersuchen, ob die als sogenannte Bogus-Parts eingestuften Ersatzteile dort eingebaut worden waren. Und böse Zungen behaupteten bereits damals, dass die betreffenden Zertifikate für Flugzeugersatzteile "leichter als ein Fünf-Euro-Schein zu fälschen" seien. Seither wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, denn: "Die Kontrolle ist lebenswichtig", so ein Sprecher von Lufthansa-Technik.

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