Süddeutsche Zeitung

Flugtaxis:"Auf die Technik sollte man sich nicht verlassen"

Drohnen und Flugtaxis am Himmel - wer soll das steuern? Ein Experte der Deutschen Flugsicherung erklärt, ob das sicher ist und wie man den Luftverkehr regulieren kann.

Interview von Marco Völklein

Nun also auch Airbus: Vor Kurzem hat Europas größer Flugzeugbauer seine Vision eines Flugtaxis vorgestellt. Seit Jahren schon arbeiten Start-ups wie Lilium aus München oder Volocopter aus dem badischen Bruchsal an Drohnen mit Elektroantrieb zur Personenbeförderung. Im Jahr 2023 sollen die ersten Fluggeräte abheben. Aber ist das Ganze auch sicher? Und liegen dafür die gesetzlichen Vorgaben bereits vor? Fragen an Thilo Vogt von der Deutschen Flugsicherung (DFS).

SZ: Herr Vogt, was glauben Sie, werden wir bald in Flugtaxis unterwegs sein?

Thilo Vogt: Ob das ein Massenphänomen werden wird, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen. Fest steht aber: An Drohnen wird seit Jahren gearbeitet, die Fluggeräte gelten als Zukunftstechnologie. Auch die Digitalisierung wird vor der Luftfahrt nicht Halt machen. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir uns auf Lufttaxis werden einstellen müssen.

Und ist Deutschland Ihrer Ansicht nach darauf vorbereitet?

Noch sind viele Fragen offen. Momentan wird der Luftraum von unseren Fluglotsen rund um die großen Flughäfen sowie ab einer Höhe von etwa 700 bis 800 Meter über Grund kontrolliert. Alles darunter kann in aller Regel frei beflogen werden im sogenannten Sichtflugbetrieb, also beispielsweise von Privat- und Segelfliegern oder auch von Helikoptern. Die Frage wird sein: Wie passen diese neuen Luftfahrzeuge in dieses System rein?

Und? Haben Sie schon eine Antwort?

Wie gesagt: Vieles ist noch unklar, allein schon die Frage, in welche Klasse von Luftfahrzeugen wir diese Geräte einsortieren. Sind das Senkrechtstarter oder Flächenflugzeuge? Mit welchem Antrieb sind die unterwegs und welche Besonderheit der Performance ergibt sich daraus? Welche Manöver können die fliegen? Ist ein Pilot an Bord oder fliegt das Gerät autonom? Und welche Verfahren ergeben sich aus all dem, und welche Standards können von uns vorgeschrieben werden?

Muss also künftig der komplette, also auch der untere Luftraum von Fluglotsen überwacht werden?

Das geht nicht, das wäre viel zu aufwendig und zu teuer. Wir müssen uns da andere Lösungen einfallen lassen.

Welche könnten das sein?

Wichtig wäre zunächst einmal, dass alle Luftfahrzeuge, die im Luftraum unterwegs sind, erkannt werden. Die DFS hat dazu vor einiger Zeit ein Forschungsprojekt mit der Deutschen Telekom gestartet, bei dem wir das Mobilfunknetz nutzen wollen, um alle Luftfahrzeuge zu detektieren, die unterhalb des von uns kontrollierten Luftraums unterwegs sind. Die wären dann mit einer Art Transponder ausgestattet, sodass sich auch die Luftfahrzeuge untereinander sehen und erkennen können, ohne sich ausschließlich auf die Sensoren und Kameras an Bord zu verlassen. So wie es bislang läuft, dass der Pilot einfach nur aus der Kanzel des Helikopters oder dem Cockpit des Kleinflugzeugs rausgucken muss, um zu sehen, was los ist, das wird künftig nicht mehr funktionieren.

Vor allem dann nicht, wenn auch noch autonom fliegende Lufttaxis ohne Piloten an Bord unterwegs sein werden.

Auch da sind Techniken denkbar, die künftig automatisiert vor einer Gefahr warnen könnten; in einer weiteren Stufe könnten dann Ausweichempfehlungen vom System erstellt und automatisch verarbeitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass jedes Luftfahrzeug die anderen erkennt. In der Fliegerei spricht man von "see and avoid", sehen und vermeiden.

Ein Mensch, sprich: ein Lotse, müsste also das Kuddelmuddel am Himmel künftig gar nicht mehr im Blick haben?

Am Himmel gibt es keinen Kuddelmuddel; das ist ja die Kernaufgabe der Flugsicherung. Wichtig ist aber, dass bei autonom fliegenden Luftfahrzeugen stets ein Mensch, ein Operator, als letzte Instanz im Hintergrund bereit stehen muss, der in der Lage ist, im Notfall eingreifen zu können. Nur allein auf die Technik sollte man sich nicht verlassen.

Die nächste Frage wird sein, wo die Lufttaxis künftig überall landen und starten werden. In München beispielsweise hat die CSU angeregt, auf dem neuen Hauptbahnhof, der dort gebaut werden soll, gleich mal einen Landeplatz für Flugtaxis vorzusehen.

Dafür sind die Kommunen und die Luftämter der Bundesländer zuständig. Bislang gibt es dafür noch kein Planungsrecht, das muss erst noch geschaffen werden. Auch daran wird deutlich: Wir brauchen eine moderne Gesetzgebung, die für diese Innovationen einen guten Rechtsrahmen schafft. Der sollte aber nicht zu starr, sondern flexibel sein, um die Dynamik, die derzeit in diesem Bereich herrscht, nicht abzuwürgen.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2019/cku
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