Süddeutsche Zeitung

Luftverkehr:Kommt ein Taxi geflogen

Ob Auto, Bus oder Bahnen - die Verkehrssysteme in Großstädten sind überlastet. Neue Fluggeräte sollen das Problem lindern. Jetzt hat Airbus einen Prototypen entwickelt.

Von Markus Balser und Jens Flottau

So recht wusste Kanzlerin Angela Merkel nicht, was sie von dem weißen Flugobjekt halten sollte. Beim Digitalgipfel der Bundesregierung im Dezember stieß die CDU-Politikerin auf ein futuristisches Vehikel: Am Eingang der Nürnberger Messehalle war das Lufttaxi Lilium Jet der Firma Lilium aufgebaut. Elektrisch betrieben, 300 Kilometer pro Stunde schnell, Landung an jedem Ort möglich. Und das für Passagiere zum Preis einer ICE-Fahrt. Merkel ließ sich die Vorzüge des Geräts mit kippbaren Propellern von Erfinder Daniel Wiegand erklären. "Und wann heben Sie ab?", wollte Merkel am Ende wissen. "Wir fliegen längst", sagte Wiegand.

Es sind diese Pläne für eine neue Form des Fliegens, die derzeit viele Unternehmen weltweit umtreiben. Was nach ferner Zukunft klingt, ist bereits zu Projekten geworden, in die Konzerne wie Daimler, Uber oder Airbus Hunderte Millionen Euro stecken. Man wolle die Mobilität in die dritte Dimension bringen, kündigt Daimler-Chef Dieter Zetsche an - und investierte in die Elektro-Hubschrauberfirma Volocopter. Am Montag nun will auch Airbus seine Vision in Ingolstadt präsentieren: Den City-Airbus, das erste elektrisch betriebene Mini-Fluggerät des Konzerns für Metropolen. Es soll wie ein Hubschrauber senkrecht starten und landen können und bis zu vier Personen befördern - in ein paar Jahren auch automatisch ohne Pilot.

Airbus arbeitet derzeit gleich an zwei Projekten im Bereich Urban Air Mobility, wie das neue Marktsegment heißt. Der City-Airbus soll nach der Präsentation in Ingolstadt in den nächsten Wochen fliegen. Schon weiter ist der Vahana, den die Airbus-Technologietochter A3 im Silicon Valley entwickelt hat. Seit Januar 2018 hat der Einsitzer etwa 50 Flüge absolviert. Die beiden Geräte dienen vorerst nur als Konzeptstudien.

Verkehrsforscher hoffen eigentlich seit Langem auf innovative Ideen gegen die wachsenden Mobilitätsprobleme in urbanen Regionen. Die meisten Verkehrsträger sind am Limit. Die Bahn verbucht Passagierrekorde, fährt aber auch immer mehr Verspätungen ein. Flughäfen sind überlastet. U- und S-Bahnen sind meist schon so dicht getaktet, dass sich ihre Kapazität nur mit neuen und teuren Trassen ausbauen lässt. Und die Zahl der Staus auf den deutschen Straßen hat sich seit 2011 auf 745 000 mehr als verdreifacht. Gerade in Städten wachsen die Probleme: Berliner verloren in den Stoßzeiten im vergangenen Jahr 154 Stunden in Staus - mehr als sechs Tage sind das. In München waren es 140 Stunden. Die Folgen des Verkehrschaos sind nicht nur Ärger und Zeitverlust. Der wachsende Verkehr produziert auch immer mehr Abgase. Er schadet Natur, Klima und Gesundheit.

Die Zeitpläne der Unternehmen für ihre Luft-Visionen sind ehrgeizig. Uber-Taxis etwa sollen in Los Angeles bereits 2023 auch von oben kommen. Bei Airbus glaubt man, um 2025 irgendwo auf der Welt innerstädtische Flüge anbieten zu können. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht eine "Riesenchance für Kommunen, Unternehmen und Start-ups". Und so forderte die CSU, beim Umbau des Münchner Hauptbahnhofs gleich einen Landeplatz für Lufttaxis zu bauen. Die Vision ist für manchen Stadtplaner ja auch verlockend: Der öffentliche Nahverkehr ließe sich entlasten, ohne massive Kosten und lange Bauzeiten für neue Schienen, Stationen und Tunnel.

Es gibt keine Regeln für etwas, das es noch gar nicht gibt

Doch ob sich die urbanen Flug-Hoffnungen wirklich so erfüllen, ist fraglich. "Diese Vehikel müssen in Bezug auf Sicherheit, Leistung, Lärm und Allwetterfähigkeit entwickelt werden", sagt Rolf Henke, Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, zuständig für Forschung und Technologie. So müsse man darauf achten, welchen Sicherheitsabstand solche Vehikel zueinander in der Luft benötigen, und wie Landeplätze in winddurchtosten Hochhausgegenden beschaffen sein müssten. Das Zusammenwirken "Hunderter bis Tausender solcher Fluggeräte in engen Straßenschluchten" verlange eine Form von Flugführung, "die wir heute noch gar nicht kennen - reine Autonomie wird es kaum sein können." Henke warnt zudem: "Für alle diese Fragen wird an entsprechenden Zulassungsregeln gearbeitet, die wir eben noch nicht haben, und das wird in unser aller Interesse als Passagier im Flugtaxi wie als Passant auf der Straße vermutlich auch nicht so schnell gehen."

Und so werden wohl ganz bodenständige Lösungen früher die Mobilität erleichtern. Noch in diesem Jahr sollen in Deutschland Elektro-Tretroller eine Zulassung für Straßen oder Gehwege bekommen. Sie gelten als umweltfreundlicher Lückenschluss zwischen öffentlichem Nahverkehr und dem Zielort von Pendlern und Reisenden. Die E-Roller sollen vor allem kurze Autofahrten vermeiden helfen, denn gut die Hälfte aller Fahrten sind kürzer als fünf Kilometer.

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SZ vom 09.03.2019/cku
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