Flugsicherheit:Katastrophe auf Höhe null

Wer auf Notfälle im Flugzeug vorbereitet ist, hat bessere Überlebenschancen. Ein Kurs in London zeigt interessierten Passagieren, wie das geht

Andreas Spaeth

Was eben noch eine normale Flugzeugkabine war, verwandelt sich binnen Sekunden in ein Inferno. Das Flugzeug rüttelt und schüttelt, ein harter Aufschlag ist zu spüren. Dichter Rauch quillt aus den Gepäckfächern, nach wenigen Augenblicken sehen die Passagiere die Hand vor Augen nicht mehr. "Evakuieren! Evakuieren!", schreit der Pilot aus dem Cockpit über Bordlautsprecher. Die Flugbegleiter reißen die Türen auf und brüllen: "Hierher! Hierher! Raus!" Einige Fluggäste zerren an den Sicherheitsgurten, haben plötzlich Mühe, den einfachen Schnappmechanismus zu öffnen, versuchen immer wieder verzweifelt, wie im Auto einen Knopf zu drücken, der nicht da ist. In aufsteigender Panik sind plötzlich einfachste Handgriffe echte Herausforderungen. Dichter Rauch hüllt die Kabine in undurchdringliches Weiß. Nur wer sich herunterbeugt sieht die farbigen Leuchtmarkierungen am Boden, die zu den Ausgängen führen. Dann die Erlösung, endlich draußen!

Zwölf Vielflieger stehen neben dem voll beweglichen Nachbau einer Boeing 737-Kabine in der Halle des Trainingszentrums von British Airways am Flughafen Heathrow in London. Sie sind hier um zu lernen, wie sie künftig noch sicherer fliegen können. Bei der großen Mehrzahl der Flugunfälle mit Todesopfern gibt es immer auch Überlebende. "Man kann selbst unglaublich viel tun", sagt Trainer Andy Clubb, "ein Großteil der Unfälle ist überlebbar, aber oft führen dann Verzögerungen bei der Evakuierung zu Todesfällen. Das ganze ist eine Frage der Kontrolle, die man in einer solchen Situation behält", so der Ausbilder.

Kurse für Passagiere sind neu

Die zu verbessern, ist das Ziel des "Flight Safety Awareness Course", den British Airways seit kurzem auch für Einzelpassagiere in London anbietet (www.ebaft.com, rund 200 Euro für einen halben Tag). Solche Trainingsmöglichkeiten hat jede größere Fluggesellschaft für ihre Besatzungen, doch die Airlines scheuen sich üblicherweise, das Publikum mit dem Thema Flugsicherheit zu konfrontieren. Lufthansa hält solche Kurse sogar grundsätzlich für unnötig. British Airways dagegen hat vor fünf Jahren den Anfang gemacht, als sie auf Druck von Großkunden aus der Mineralölbranche Kurse für deren Mitarbeiter anbot. Daraus ist inzwischen ein für Jedermann buchbares Training geworden.

Ein ganz wichtiger Grundsatz ist, immer einen Plan zu haben, was man im Notfall tun würde", sagt Co-Trainerin Sue Thorne. "Das beginnt schon beim Einsteigen ins Flugzeug, da zählt ihr die Zahl der Sitzreihen bis zum nächsten Ausgang vor und hinter eurem Sitz, denn bei Rauchentwicklung müsst ihr es notfalls ertasten." Auch die Handhabung des Anschnallgurts ist von großer Bedeutung: "Wir raten, vor jedem Abflug den Gurt vier- oder fünfmal zu öffnen und zu schließen, damit sich das wieder einprägt, denn in Panik schaltet sich das Gehirn oft ab, und dann kommt eben aus dem Unterbewusstsein der Gedanke an den Autogurt wie vorhin", erklärt Sue Thorne. Entscheidend ist die richtige Notfallhaltung für eine Bruchlandung, die sogenannte Brace Position. "Nehmt euren Kopf runter, entweder auf die Knie oder dorthin, wo er sonst aufschlagen würde, etwa auf die Rückseite der Vorderlehne", erklärt Andy Clubb. "Damit verhindert ihr den Klappmessereffekt beim Aufprall, wenn der Kopf nach vorn fliegt und die Beine hochschnellen. Außerdem nehmt Ihr eure wichtigste Hand auf den Hinterkopf, die andere kommt oben drauf - falls die Finger brechen, könnt ihr so mit der Haupthand noch die Gurtschnalle öffnen."

Bei Druckabfall bleiben nur 15 Sekunden

Kurz nacheinander werden viele mögliche Szenarien durchgespielt und die richtige Reaktion darauf geübt. Etwa das Öffnen eines Notausgangs über der Tragfläche: "Setz dich hin, nimm den Kopf nach hinten, sonst haust du dir die Tür dagegen", weist der Trainer eine Teilnehmerin an, "dann zieh hier oben den Griff - und schwupps hast du die Tür in der Hand." Die Vielfliegerin stöhnt. Die sperrige Nottür, die sie gerade ächzend auf ihren Schoß wuchtet, wiegt mehr als 20 Kilo. Im Notfall müsste sie das Ding jetzt aus dem Flugzeug nach draußen werfen - eine Aufgabe, der sie vermutlich nicht gewachsen wäre.

Doch weiter geht's: Druckabfall in der Kabine, die Sauerstoffmasken fallen herab. "Ihr müsst dabei sofort die Maske aufsetzen, wenn sie herunterfällt, erst die eigene, dann helft ihr anderen. Der Mensch bleibt ohne Sauerstoff nur 35 bis 40 Sekunden bei Bewusstsein, davon kann er nur die ersten 15 Sekunden noch sinnvoll handeln", sagt Sue Thorne. Abgehakt.

Nächstes Thema: Schwimmwesten. Gar nicht einfach, sie richtig anzulegen, mit einem Zischen bläst sie sich schließlich auf. "Das dürft ihr niemals innerhalb des Flugzeugs machen", mahnt Andy Clubb, "sonst kommt keiner mehr aneinander vorbei." Nachmittags stehen die Vielflieger auf einem hohen Gestell, von dem eine rund 20 Meter lange Notrutsche aus grauem Kunststoff in die Tiefe führt. "Das ist der Simulator der Rutsche bei einem Airbus A320", erklärt Thorne, "da müssen jetzt alle runter." Die Trainerin erklärt wie: "Ihr lauft einfach auf die Rutsche und gleitet hinunter. Unbedingt die Hände überkreuz vor dem Körper auf die Schultern legen, damit Ihr Euch keine Abschürfungen holt. Und beim Rutschen leicht nach vorn beugen." Alle kommen schließlich heil hinunter - und mit einem neuen Bewusstsein fürs Fliegen unten an.

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