Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Spaniens Geisterflughäfen

Zuerst flossen Fördermillionen, dann kam die Wirtschaftskrise - aus vielen Regional-Airports in Spanien wurden so Geisterflughäfen. Einige haben sich zwar wieder aufgerappelt, doch jetzt droht anderen das Aus.

Von Thomas Urban

Ende gut, alles gut!" Gleich mehrere Redner bemühten dieses Sprichwort bei der Wiedereröffnung des Flughafens von Ciudad Real, der Königlichen Stadt, mitten in der öden spanischen Region La Mancha auf halbem Weg zwischen Madrid und Sevilla. Eine Boeing 737 der maltesischen Fluggesellschaft Maleth war Mitte September gelandet, es war ein symbolischer Akt im Auftrag der Betreibergesellschaft, an Bord war nur die Besatzung. Doch die Landung war als Auftakt zu einem zweiten Anlauf für den Flughafen gedacht, nachdem der erste mit einer Bruchlandung geendet war. Vor fast neun Jahren war hier zum letzten Mal ein Passagierflugzeug gestartet, ein Airbus A320 der spanischen Billigfluglinie Vueling. Mit der Wiederaufnahme des Betriebs in Ciudad Real ist die Liste der spanischen Geisterflughäfen, die mangels Nachfrage geschlossen wurden, erst einmal leer. Sie wurden zum Symbol für die spanische Wirtschaftskrise, die Folge des Platzens einer gigantischen Immobilienblase vor mehr als elf Jahren war.

Es war Pech der Regionalpolitiker von La Mancha, dass sie genau in dieser Zeit, im Dezember 2007, den Flughafen erstmals feierlich eröffneten. Sie hatten alle Warnungen vor dem Ende des großen Booms ignoriert, als die spanischen Städte und Regionen riesige Summen für Infrastrukturprojekte investierten, finanziert von den Sparkassen, die wiederum von den Städten und Regionen betrieben wurde. Im staubigen La Mancha, der Heimat von Don Quijote, wurde damals in gigantischen Dimensionen gedacht: Die Startbahn auf dem Flughafen von Ciudad Real ist fast vier Kilometer lang, der Riesenairbus A380 könnte dort locker landen.

Doch vor sieben Jahren musste der Flughafen wegen des geringen Passagieraufkommens stillgelegt worden. Die große Wirtschaftskrise, die das Land das vergangene Jahrzehnt über beschäftigt hat, machte den Entwicklungsplan für die dünn besiedelte Region zu Makulatur: Optimistisch waren neue Siedlungen, Industriegebiete, Urlaubsparadiese mit Golfplätze geplant worden. Als die Immobilienblase platzte, waren auch die Sparkassen der öffentlichen Hand pleite, welche die Flughäfen finanziert hatten.

Wie sich später herausstellte, haben in Ciudad Real Planung und Bau des Flughafens einschließlich des Autobahnanschlusses etwa eine Milliarde Euro gekostet. Fast die Hälfte der Mittel kam aus den Töpfen der EU. Wieviel davon, wie bei EU-Großprojekten in Spanien üblich, in Privatschatullen abgezweigt wurde, das untersucht die Staatsanwaltschaft bis heute. 2013 scheiterte der Versuch der Behörden, das ganze Areal mitsamt Bebauung für 100 Millionen Euro an private Investoren zu verkaufen. Doch es meldete sich nur eine eigens zu diesem Zweck gegründete englisch-chinesische Firma, bei der die Hintermänner unklar waren; und diese bot neben der Übernahme der Verbindlichkeiten nur einen symbolischen Preis von 10 000 Euro, also 0,01 Prozent der ausgelobten Summe. Die Ausschreibung wurde rasch wegen angeblicher Formfehler für ungültig erklärt.

Korruption und Misswirtschaft

Eine britische Autozeitschrift mietete vorübergehend die Startbahn für Testfahrten, und der Starregisseur Pedro Almodóvar drehte dort einige Szenen für seine Komödie "Fliegende Liebende" aus dem Jahr 2013, in der ein Touristenflieger mit einer bekifften Crew notlanden muss. Doch dann passierte jahrelang nichts mehr in Ciudad Real, bis vor wenigen Monaten mit der Instandsetzung der elektronischen Anlagen begonnen wurde.

Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg der Flugdestination Ciudad Real ist keineswegs der spektakulärste Fall in Spanien. Das wurde Castellón in der Region Valencia, nur wenige Kilometer von der Costa Blanca entfernt. Der Flughafen dort wurde 2011 mit großem Pomp eröffnet, aber am nächsten Tag wieder geschlossen, weil die Aufsichtsbehörde keine Betriebsgenehmigung erteilt hatte. Die Startbahn war zu schmal, und die Kurven der Rollwege zum Terminal waren für Mittelstreckenflugzeuge zu eng. Der Flughafen ging sogar durch die internationale Presse, weil der damalige Provinzfürst, der Konservative Carlos Fabra, für 300 000 Euro eine 24 Meter hohe Skulptur errichten ließ. Sie stellt einen riesigen Kopf dar, aus dem wie ein Horn ein silbernes Flugzeug herausragt.

Fabra sagte in seiner Eröffnungsrede einen Satz, der ganz Spanien belustigt hätte, wenn nicht die Empörung über diese gigantische Verschwendung so groß gewesen wäre: "Diese Figur ist der Keim und das Sperma der Geburt des Werkes." Ein Jahr später war die Region Valencia zahlungsfähig, sie wurde Symbol für Korruption und Misswirtschaft der spanischen Konservativen, ein Dutzend von landete im Gefängnis. Fabra, der immer mit Sonnenbrille auftrat, bekam wegen Veruntreuung öffentlicher Mittel und Steuerhinterziehung vier Jahre.

Für die Investitionsruine, die er hinterlassen hatte, begann vor vier Jahren überraschend ein zweites Leben, als sich abzeichnete, dass Spanien die wirtschaftliche Krise überwindet: Die neue linksalternative Regionalregierung in Valencia riskierte die Investition von weiteren 25 Millionen Euro für die Modernisierung, da alle Expertisen ein kräftiges Wachstum des Tourismus an der spanischen Mittelmeerküste voraussagten und die beiden nächsten Flughäfen, Alicante und Valencia, an der Kapazitätsgrenze waren. Die Rechnung ging auf: Die Billigflieger Wizzair, Ryanair und Blue Air brachten in der vergangenen Sommersaison gut 120 000 Touristen vor allem aus Osteuropa nach Castellón. 100 000 Passagiere pro Jahr gelten in Spanien als Untergrenze für das wirtschaftliche Überleben eines Provinzflughafens. Im Winter allerdings landen in Castellón nur wenige Privatflieger.

Dieser unverhoffte Aufschwung blieb aber zwei anderen Orten verwehrt, die einst auch mit großen Hoffnungen ausgebaut, aber schon lange als Kandidaten für die Liste der Geisterflughäfen gelten: Huesca in Aragón und Córdoba in Andalusien. Im 50 000 Einwohner zählenden Huesca hoffte man auf Touristenmassen, die im Sommer in den Pyrenäen wandern und im Winter dort Ski laufen wollen. Doch diese blieben und bleiben aus; im vergangenen Jahr waren es ganze 1500, die privat reisten. Die Pyrenäen ziehen als Urlaubsgebiet im Wesentlichen nur Spanier und Franzosen an, und die kommen mit dem Auto. Den Flughafen von Huesca hält die nationale Polizei am Leben, die hier ein Schulungszentrum für Piloten eingerichtet hat.

Córdoba wird seit 2014 von den Fluglinien links liegengelassen. Noch sieben Jahre zuvor, als Experten schon längst vor harten Zeiten nach dem Ende des Booms warnten, hatte die Stadt zahlreiche Grundbesitzer für die Erweiterung des Flughafens enteignet; über die Höhe der Entschädigungen prozessieren einige von ihnen bis heute. Doch die erhofften Touristenmassen blieben auch hier aus: Córdoba ist mit dem Zug in 45 Minuten vom Touristenmagneten Sevilla zu erreichen, von Madrid dauert die Fahrt eine Stunde länger - kein Grund, mit dem Flugzeug zu kommen, um die berühmte Moschee von Córdoba zu sehen. Im vergangenen Jahr zählte der Flughafen weniger als 7000 Passagiere von Privatmaschinen.

In derselben Größenordnung bewegen sich Burgos und Salamanca, noch weniger ist in Albacete los. Ihnen droht die Schließung ebenso wie Logroño, der Hauptstadt der Weinregion Rioja, die bislang noch von Urlaubsfliegern nach und von Mallorca angesteuert wird. Die Subventionen der EU für Provinzflughäfen laufen 2024 aus, auch Madrid schießt dann nichts mehr zu.

Statt auf Touristen hoffen sie nun auf Nachwuchspiloten

Hingegen stehen die Chancen für Murcía am Mittelmeer gut, es zu schaffen. Zehn Jahre lang hatte der Flughafen in der wärmsten Ecke Spaniens auf der Liste der Geisterflughäfen gestanden. In diesem Januar nahmen Billigflieger aus Norwegen, Großbritannien und Irland gleichzeitig den Betrieb auf, sie entlasten damit das nahegelegene Alicante. Doch jetzt verfolgt man in Murcía gespannt, wie sich der Konflikt um den Brexit entwickelt: Sollten künftig Engländer und Schotten ausbleiben, könnte es wieder eng werden für den Provinzairport.

In Ciudad Real rechnet man dagegen längst nicht mehr mit Touristen. Man weiß mittlerweile, dass die ursprüngliche Idee, den 250 Kilometer nördlich gelegenen Flughafen Madrid-Barajas zu entlasten, von Anfang an unrealistisch war, zumal der geplante Anschluss an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn, der die Fahrtzeit in die Hauptstadt auf eine Stunde verkürzen sollte, nicht gebaut wurde.

Das neue Konzept setzt nun auf Luftfracht. Auch soll Ciudad Real Zentrum für Testflüge, Reparaturen von Flugzeugen sowie die Pilotenausbildung werden, an andern Orten ist dafür wenig Platz. Öffentliche Gelder sollen nicht mehr versenkt werden. Doch Skepsis bleibt. Ein Kommentator wies in Anspielung auf die optimistischen Politikerreden auf das Shakespeare-Stück mit dem Titel "Ende gut, alles gut" hin. Der Meister der dramatischen Wendungen nannte es eine "düstere Komödie".

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SZ vom 26.10.2019/cku
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