Flugbereitschaft der Bundesregierung:Das fliegende Kanzleramt

Triebwerksbrand, kaputte Bremsen, defekte Cockpitanzeigen: Die Pannenserie bei Flugzeugen der deutschen Flugbereitschaft liest sich eindrucksvoll. Nun wurden neue Maschinen für den Transport von Regierungsmitgliedern angeschafft.

Kim-Björn Becker

Die deutsche Flugbereitschaft stand noch nie im Verdacht, ein Service für Luxusreisen zu sein. Im Gegenteil. Besonders eindrucksvoll liest sich die Pannenserie, die Bundespolitiker mit dem Geschäftsflieger vom Typ Challenger erlitten haben: So musste Bundeskanzlerin Angela Merkel wegen des technischen Defekts einer Maschine ihren Geburtstag 2007 in Algerien verbringen, Heidemarie Wieczorek-Zeul landete wegen kaputter Bremsen bereits unfreiwillig in Syrien zwischen und Karl-Theodor zu Guttenberg erreichte Afghanistan einmal wegen eines qualmenden Fahrwerks erst mit 16-stündiger Verspätung.

Den vermutlich größten Ärger mit der Challenger aber hatte Joschka Fischer: "Muss ich erst im Sarg im Auswärtigen Amt aufgebahrt werden, ehe die Flugbereitschaft neue Maschinen bekommt?", wütete der frühere Außenminister einmal nach einem Triebwerksbrand mit anschließender Notlandung.

Die rot-grüne Bundesregierung, der Fischer angehörte, war damals mit dem Versuch, eine Modernisierung der maroden Flotte durchzusetzen, noch am Veto des Finanzministeriums gescheitert.

Erst unter der großen Koalition wurde später beschlossen, gut eine Milliarde Euro für die Erneuerung der Flugzeuge bereitzustellen. Seitdem ist der Austausch der derzeit 13 Maschinen im Gang.

In den kommenden Jahren etwa sollen die alten Challengers endlich durch vier Global-5000-Jets ersetzt werden, bereits 2010 wurden zwei Airbus vom Typ A319 angeschafft, und von diesem Mittwoch an steht nun auch das neue Flaggschiff der Flugbereitschaft zur Verfügung.

Die alte und zuletzt ziemlich klapperige Kanzlermaschine Konrad Adenauer, ein Airbus A310, wird gegen einen geräumigeren A340 ausgetauscht, nur der Name bleibt gleich.

Seit 1991 flogen Kanzler und Präsidenten in alten DDR-Maschinen

Übertriebene Annehmlichkeiten lassen sich allerdings auch bei diesem größeren Modell nicht finden, die Bundesregierung hat es gebraucht gekauft. Unter der Kennung D-AIGR beförderte der Großraumjet seit 1999 Passagiere der Lufthansa. Etwa 50.000 Flugstunden hat der A340 in dieser Zeit absolviert - für ein Verkehrsflugzeug ein mittleres Alter.

Seit 2009 wurde die Maschine dann von der Lufthansa Technik in Hamburg für die Anforderungen eines Regierungsjets umgebaut und auf den neuesten technischen Stand gebracht, später testete das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung die neue Konrad Adenauer.

Für einen gründlichen Check-up gibt es allen Grund, sollen sich die Pannen des altersschwachen Vorgängermodells nicht wiederholen. Die alte Konrad Adenauer stammt wie ihr Zwilling Theodor Heuss noch aus dem Nachlass der DDR-Airline Interflug.

Seit 1991 fliegen die Piloten der Flugbereitschaft Kanzler, Präsidenten und Außenminister in Maschinen um den Globus, in denen schon Erich Honecker gesessen hatte.

Blamabelster Vorfall: Ausgerechnet bei einem Staatsbesuch im fortschrittsverrückten China war die Abgasanzeige im Cockpit defekt, der Pilot wollte das Risiko eines Starts nicht eingehen, die Konrad Adenauer blieb in Peking. Der damalige Bundespräsident Horst Köhler und seine 50-köpfige Delegation mussten einen Linienflug zurück nach Deutschland nehmen.

In der neuen Maschine haben nach Auskunft von Lufthansa Technik nun 140 Passagiere Platz, deutlich weniger als in einem regulären Passagierjet. Raum für 15 Passagiere fasst der Privatbereich des jeweils ranghöchsten Gastes, in den meisten Fällen also des Bundespräsidenten, der Kanzlerin oder des Außenministers.

Eigenes Schlafzimmer für die Kanzlerin

Die Kanzlerin zum Beispiel kann bei einer Reise auf ein eigenes Schlafzimmer sowie eine Dusche zurückgreifen. Ein Konferenzbereich mit zwölf Sitzplätzen bietet zudem die Möglichkeit, den Airbus als "fliegendes Kanzleramt" zu benützen.

Im enger bestuhlten Delegationsbereich finden dann die restlichen Passagiere Platz. Zusätzlich werden alle neuen Regierungsflugzeuge mit einem Raketenabwehrsystem ausgestattet sein, das das Bundesverteidigungsministerium nach Angaben des US-Kongresses für 146 Millionen Dollar in den USA eingekauft hat.

Freuen dürfte die reisenden Bundespolitiker übrigens auch, dass die beiden neuen Maschinen vom Typ A319 mit Zusatztanks ausgerüstet wurden. Nun kann man auch in diesen kleineren Regierungsmaschinen zum Beispiel von Berlin nach Washington fliegen, ohne einen Tankstopp einlegen zu müssen.

So ärgerte sich zum Beispiel der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder im Februar 2002 über eine Zwischenlandung mitten im südamerikanischen Regenwald - die alte Konrad Adenauer hatte die Strecke von Mexiko bis nach São Paulo in Brasilien nonstop nicht bewältigen können.

In den kommenden Monaten will das Verteidigungsministerium übrigens auch die Theodor Heuss durch einen gebrauchten A340 der Lufthansa ersetzen. Derweil wird die alte Theodor Heuss schon im Auftrag des Bundes bei einem englischen Online-Auktionshaus versteigert - wie alle ausgemusterten Regierungsmaschinen. Zuständig dafür ist das Verwertungsunternehmen des Bundes (Vebeg) in Frankfurt am Main.

Über die Annehmlichkeiten des ausgemusterten Regierungsfliegers wissen Passagiere allerlei Eigentümliches zu berichten. Zur Sonderausstattung gehören verbogene Klapptische und eine defekte Toilettentür.

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