Flieger-Jubiläum: Junkers 52:We love Ju

Vor 75 Jahren startete "die alte Tante Ju" zu ihrem Erstflug. Bis heute ist der Wellblech-Flieger im Einsatz. Eine Festschrift.

Andreas Spaeth

Die Begegnung war ungewöhnlich: Ein nagelneuer Airbus A380 - der Gigant, der sich seine Sporen am Himmel erst noch verdienen muss, gewährte einer allseits geliebten Ur-Ur-Ahnin Unterschlupf unter seinem rechten Flügel.

JU 52

Berühmte alte Tante: Die Ju 52 mit ihren je 600 PS starken Maschinen

(Foto: Foto: dpa)

Schon eine Schwinge des größten Passagierflugzeugs der Welt ist gut 36 Meter lang und mit mehr als 400 Quadratmeter Fläche so gigantisch, dass die alte Tante mit ihrem knapp 19 Meter langen Rumpf im Wellblech-Kleid darunter fast verschwindet.

Weil die Hallen von Lufthansa Technik in Hamburg-Fuhlsbüttel überbelegt waren, verlegte man das Winterquartier des Lufthansa-Traditionsflugzeugs Junkers Ju 52 kurzerhand auf die andere Elbseite. Die jährlich von Oktober bis April dauernde Wartungsperiode fand diesmal im Airbus-Werk in Finkenwerder statt, wo das Fluggerät - Baujahr 1936 - in der sogenannten Einflughalle einquartiert wurde.

"Unsere Tante soll hundert werden!"

Seit ein paar Wochen beherrscht das muntere Dröhnen der drei Neunzylinder-Sternmotoren von Pratt & Whitney mit je 600 PS wieder den Himmel, zunächst über Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern, wo die diesjährige Flugsaison mit Pilotentraining und ersten Rundflügen begann.

"Die alte Tante hat keine Wehwehchen", berichtet Wolfgang Hübel, Technischer Betriebsleiter der Deutschen Lufthansa Berlin-Stiftung, die Deutschlands beliebtesten Veteranen für Rundflüge betreibt. Und er verkündet eine kleine technische Sensation: "Das Ziel ist: Unsere Tante Ju soll hundert werden." Das wären weitere 29 Jahre Flugbetrieb für die schier unverwüstliche Konstruktion des genialen Flugzeugkonstrukteurs Hugo Junkers, die am 7. März 1932, also vor etwas mehr als 75 Jahren, zum Erstflug gestartet war.

Die in Dessau gebaute Junkers Ju-52/3m, wie sie mit vollem Namen heißt (3m steht für "3 Motoren"), war in den dreißiger Jahren lange Zeit das am meisten verbreitete Verkehrsflugzeug der Welt, ein Rang, der ihr erst später durch die wesentlich größere und leistungsstärkere Douglas DC-3 abgelaufen wurde.

Ursprünglich handelte es sich bei der Ju 52 um die Entwicklung eines einmotorigen Frachtflugzeugs, das vor allem sehr robust sein und mit wenig Wartungsaufwand auch abgelegene Gegenden mit schlechten Landeplätzen anfliegen sollte. Der Erstflug der einmotorigen Ur-Version fand bereits am 11. September 1930 statt.

Erstzulassung: Bolivien

Damals schon ein Markenzeichen: Die Außenhaut aus Wellblech. Dessen Riffelung sollte zur erhöhten Torsionssteifheit der Flugzeugzelle beitragen, der ganze Rumpf somit statisch hoch belastbar sein. Ausgerüstet war die Ju 52 mit den patentierten Junkers-Doppelflügeln und einem äußerst robusten, geteilten Fahrgestell. Üblicherweise bot die im Querschnitt eckige Kabine 15 Passagieren Platz, die alle am Fenster saßen, im Bedarfsfall gab es zwei weitere Notsitze.

Bereits von 1932 an setzten viele Fluggesellschaften in aller Welt die Ju 52/3m ein, die ersten beiden allerdings wurden kurioserweise nicht in Deutschland, sondern in Bolivien in Dienst gestellt. Im Mai 1932 übernahm die damalige Deutsche Luft Hansa ihre ersten Exemplare und betrieb später gleichzeitig bis zu 80 Stück.

Noch 1932 nahm die Ju 52 bei der Luft Hansa die Strecken von Berlin nach London sowie nach Rom auf. Schon vor dem Krieg schaffte sie zu damaliger Zeit schier unglaubliche Erst- und Rekordflüge. So landete sie bereits 1934 in Südafrika und bewältigte im gleichen Jahr die Route Berlin-Kairo-Bagdad-Schanghai in nur acht Tagen.

We love Ju

Insgesamt wurden rund 5500 Exemplare gebaut, 4845 davon zwischen 1930 und 1944 in Deutschland, nach dem Krieg dann nochmal rund 300 Stück bei Casa in Spanien sowie weitere etwa 400 in Frankreich. Nur etwa 500 aller Ju 52 standen im zivilen Einsatz, der Rest flog im Kriegsdienst unter härtesten Bedingungen.

Sie flog unter anderem 1942/43 rund 120.000 verwundete Soldaten aus dem eingekesselten Stalingrad aus. Immer wieder gab es Unglaubliches von diesem Flugzeug zu berichten, das selbst mit halbem Flügel noch sicher landen konnte oder nach Notlandungen und schwer beschädigt dennoch schnell wieder flottzumachen war.

Weltweit noch flugfähig: sieben Maschinen

Erst in den achtziger Jahren allerdings kehrte die legendäre Ju 52 ins Bewusstsein der Luftfahrtfreunde zurück, in dieser Zeit bemühten sich Fluggesellschaften wie South African Airways (SAA) und Lufthansa um die Restaurierung flugfähiger Traditionsflugzeuge.

Die Südafrikaner erwarben 1981 ein 30 Jahre zuvor von der Casa gebautes Exemplar in England, flogen es nach Lemwerder bei Bremen, zerlegten es und verschifften die Einzelteile ans Kap der Guten Hoffnung. Seit 1984 ist die "Jan van Riebeeck" getaufte Ju 52 wieder in altem Glanz über Südafrika unterwegs.

Ihr 25-jähriges Jubiläum feiert am 8. September dieses Jahres die Schweizer JU-Air in Dübendorf bei Zürich. Die 180 Flugenthusiasten der JU-Air betreiben eine Flotte von vier Ju 52. Ein weiteres von insgesamt sieben weltweit noch flugfähigen Exemplaren wird in Frankreich betrieben.

Doch die wahrscheinlich am meisten gehätschelte Ju 52 fliegt seit April 1986 unter dem Taufnamen "Berlin-Tempelhof" bei der Berlin-Stiftung der Lufthansa. Sie war 1984 in desolatem technischen Zustand in Florida gekauft worden, wurde in Hamburg von Grund auf restauriert und ist jetzt in der 21. Saison mit begeisterten Passagieren zwischen Baden-Baden-Oos und Westerland auf Sylt unterwegs.

Einmaliges Flugerlebnis

Dank der niedrigen Flughöhe von maximal 3000 Meter und der gemächlichen Geschwindigkeit von üblicherweise nur 170 km/h bietet der Wellblech-Veteran ein einmaliges Flugerlebnis für Passagiere, rund 10.000 nehmen pro Jahr in den Ledersitzen Platz. Genauso Ju-vernarrt sind die Piloten. Insgesamt 20 Glückliche dürfen pro Saison unter dem mit Butzenscheiben verglasten Cockpitdach sitzen - allesamt hauptberufliche Lufthansa-Piloten.

"Die Ju ist wie eine alte Adler-Schreibmaschine, wo man draufklopfen muss, damit sie funktioniert", sagt Harald Lichtmannegger, der als Copilot in der Ju geflogen ist und sonst im Cockpit des Airbus A320 sitzt. "Das ist im Vergleich dazu moderne Textverarbeitung."

Die Lufthansa-Ju dürfte schon heute das älteste noch flugfähige Flugzeug seiner Größe überhaupt sein, "sie hat weit über 10.000 Flugstunden", weiß Wolfgang Hübel. In siebenjährigem Turnus werden umschichtig alle wichtigen Systeme vorbeugend erneuert, besonders beanspruchte Teile regelmäßig ausgetauscht. "Wir haben von allen Ju-Betreibern den höchsten Standard und treiben den meisten Aufwand", erklärt Hübel. Das hundertjährige Jubiläum behält er fest im Blick.

Weitere Infos: Die legendäre Ju 52 von Helmut Erfurth; GeraMond Verlag; 120 Seiten; 130 Fotos; 24,90 Euro.

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