Fliegende Veteranen:Man lebt nur zweimal

Eine klassische Douglas DC-3 fliegt künftig für ein deutsches Forschungsinstitut ins ewige Eis.

Andreas Spaeth

Das Alter und ihre lange Geschichte sieht man ihr nicht an. Der Rumpf strahlt in leuchtorange, blau und weiß, die schlanken Fünfblatt-Propeller wirken so schnittig wie das ganze Flugzeug, in der Kabine glänzt nagelneues Aluminium und auch das Cockpit steht dem eines modernen Verkehrsflugzeugs auf den ersten Blick kaum nach.

"Polar 5" prangt in großen Lettern neben den Cockpitfenstern. Die umgebaute und von grundauf modernisierte Douglas DC-3, die nach der Verjüngung des ursprünglich 1942 gebauten Exemplars nun offiziell Basler-Turbo 67 heißt und jetzt ausgeliefert wurde, ist der ganze Stolz der Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polarforschung in Bremerhaven. "Wir sind sehr froh über unser neues Werkzeug'', strahlt der Atmosphärenphysiker Andreas Herber, einer der AWI-Projektleiter. Denn ohne Flugzeuge ist die Forschung im ewigen Eis von Arktis und Antarktis so gut wie unmöglich.

Ohne Flugzeuge keine Forschung

Seit 25 Jahren betreibt das AWI daher eine spezielle Flotte von kältetauglichen Flugzeugen mit Spezialausrüstung. Bisher waren dies stets Typen der Marke Dornier aus Oberpfaffenhofen, zuletzt das 1981 eingeführte Modell Do 228-101. Doch die - außer einer Lizenzfertigung in Indien - schon seit 1998 nicht mehr produzierten Zweimotorigen waren den zunehmenden Aufgaben nicht mehr allein gewachsen.

Nachdem eines der Flugzeuge 1985 über der Westsahara von Rebellen abgeschossen worden war, hatte man Ersatz beschafft. Polar 2 und Polar 4 bildeten viele Jahre das Rückgrat der fliegenden Eiserkundung. Doch im Januar 2005 kam Polar 4 zu Schaden - die Do 228 war nach einer extrem harten Landung auf der antarktischen Halbinsel nicht mehr einsatzfähig. Aber woher diesmal Ersatz nehmen?

"Die Firma Dornier existierte nicht mehr und Alternativen gab es kaum", erinnert sich Andreas Herber. Dann kam man auf die Idee, einen Veteranen zu verjüngen.

Die Firma Basler im amerikanischen Oshkosh in Wisconsin hat sich darauf spezialisiert, gut erhaltene Exemplare des meistgebauten Flugzeugs der Welt für heutige Spezialaufgaben flott zu machen. Mehr als 15.000 DC-3 samt ihrer Versionen und Lizenz-Nachbauten sind seit dem Erstflug im Dezember 1935 entstanden. Rund 250 gehen davon heute noch auf Fracht- und Nostalgieflügen in die Luft. Das 50. Flugzeug, das beinahe wie neu die Hallen in Oshkosh verlassen hat, war jetzt Polar 5.

Man lebt nur zweimal

Die anderen BT-67 erledigen in aller Welt ungewöhnliche Aufgaben: Bei der thailändischen Luftwaffe werden sie zum "Regenmachen" eingesetzt, in Kolumbien zur Drogenbekämpfung, in den USA und Kanada als Löschflugzeuge oder für paramilitärisches Training.

Für ihr neues Leben verlängert Oshkosh den Rumpf um einen Meter, erneuert das Cockpit und verändert unter anderem die Frontpartie. "Das ist fast wie ein Neubau, dauert rund sechs Monate und erfordert bis zu 20.000 Mannstunden", so Weigt. Sechs Millionen Euro hat das Bundesforschungsministerium für den Umbau gezahlt, 2,1 Millionen Euro kosteten die für die Polarforschung nötigen Meßgeräte.

Die wichtigste Neuerung aber sind die Motoren: Die alten Kolbenmotoren werden ersetzt durch moderne Turboprops des Typs Pratt & Whitney PT6A-67R mit jeweils 1281 Pferdestärken. Kenner hören schon am Klang, dass dies nicht mehr der klassische sonore Sound der DC-3 ist.

Triebwerke, die Reserven bieten

"Die alten Motoren hörten sich besser an, die hatten einfach mehr Persönlichkeit", sagt auch Brian Burchartz. Der 42-jährige Kanadier ist Chefpilot der Polar 5, die in Kanada registriert ist und von einer kanadischen Besatzung im Auftrag des AWI geflogen wird. "Die Zuverlässigkeit der Triebwerke und ihre Kraft sind eine wesentliche Verbesserung", schwärmt Burchartz, "und sie bieten noch ordentliche Reserven."

Das kann gerade in menschenleeren Polargebieten und bei extremen Anforderungen wie Starts auf dem 3.800 Meter hoch gelegenen antarktischen Plateau lebenswichtig sein. "Dort ist man auf sich allein gestellt", weiß Burchartz, "das kann einen etwas nervös machen."

Man lebt nur zweimal

Trotz aller modernen Einbauten arbeiten die Piloten auch in der BT-67 noch wie in einem Veteran: "Da muss man schon ein wenig Muskelkraft einsetzen um geradeaus zu fliegen", so Burchartz, "das ist ein sehr physisches Flugzeug, gerade in Turbulenzen, und die Steuerung erfolgt manuell, genau wie in der DC-3."

Bei einem maximalen Startgewicht von gut 13 Tonnen entfallen allein 500 Kilo auf fest installierte Testgeräte, alle externen Antennen wie Heck- und Bugmasten mit Magnetometern oder die beiden Antennen für Eisdicken-Messungen unter den Tragflächen können für lange Streckenflüge aber demontiert werden. Und das ist wichtig, denn Polar 5 wird künftig ständig von einem Ende der Welt zum anderen unterwegs sein, um die Sommersaison der Polargebiete zu nutzen.

500 Kilogramm fest installierte Testgeräte

Derzeit ist das Flugzeug nach der Ablieferung in Bremerhaven zu letzten Tests in Kanada, dann folgt die weite Reise ins Südpolargebiet: Von Ontario über die Cayman Inseln, Guayaquil in Ecuador, Arica und Puerto Montt in Chile bis nach Punta Arenas, der südlichsten größeren Stadt auf dem Globus.

Hier werden vier Meter lange Kufen über die Räder gestülpt, dann geht es über die King George-Insel und die englische Antarktis-Station Halley bis zur russischen Basis Nowolazarewskaja, wo Polar 5 stationiert sein wird und im Pendelverkehr zur deutschen Neumayer-Station fliegt.

"Wir rechnen mit 44 Stunden reiner Flugzeit", schätzt Brian Burchartz. Ganz schön weit für eine alte Lady.

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