Filmautos:RAF-Jagd im Youngtimer

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Über den Film "Der Baader Meinhof Komplex" diskutiert halb Deutschland. Youngtimer-Fans aber fragen sich: Wo nehmen die Filmemacher nur die alten Autos her?

Sebastian Viehmann

Geil, ein Granada! Solche und ähnliche Sätze hört man zurzeit öfter im Kino. Ganz egal, wie man den Film "Der Baader Meinhof Komplex" bewertet - wer gern alte Autos auf der Leinwand sieht, kommt auf seine Kosten. Andreas Baaders Vorliebe für Porsche und BMW ist hinlänglich bekannt. Die Ordnungshüter hatten da einst große Mühe, mitzuhalten, denn sie fuhren meist Käfer, Opel oder VW-Bus. Der Polizei-Motorsport-Club Marburg trägt seit knapp 20 Jahren solche Streifenwagen-Raritäten zusammen. Für den RAF-Film verliehen die Marburger gleich eine ganze Reihe von Fahrzeugen - einen tannengrünen Käfer, einen "Nasenbär" VW 412, einen VW Bulli, einen Opel Rekord D Caravan und einen BMW 2000.

In den siebziger Jahren noch immer eines der meist verbreiteten Polizei-Fahrzeuge: der VW Käfer (Foto: Foto: Polizei-Motorsport-Club Marburg)

Im Mercedes 300 D zur Entführung

Damit die raren Oldies beim Dreh auch gut behandelt werden, schickten die Marburger zu den Leinwandabenteuern ihrer seltenen Schätzchen gleich das Personal mit. Weil fast alle Clubmitglieder aktive oder ehemalige Polizeibeamte sind, gab es die fachliche Beratung zu den vermieteten Autos sozusagen gratis dazu. "Die Feinheiten fallen uns meistens sofort auf - etwa ob eine Uniform originalgetreu ist oder nicht", sagt Eberhard Dersch, Polizeihauptkommissar und Sprecher des Clubs. Bei manchen Szenen mussten die Filmemacher aus logistischen Gründen tricksen. "Die Festnahme von Andreas Baader fand in Frankfurt statt, gedreht wurde sie aber in Berlin-Wedding", erzählt Eberhard Dersch.

Dennoch wurde selbst auf kleine Details geachtet, etwa die Kennzeichen der Fahrzeuge. "Viele Autos wurden für die Szenen extra mit Schmutz besprüht, damit sie nicht aussahen wie frisch aus dem Museum", erzählt Dersch. Nach dem Dreh wurden die Fahrzeuge wieder in ihre trockenen Hallen des Museums bei Marburg-Cyriaxweimar gebracht, das rein ehrenamtlich betrieben wird. Die Öffnungstermine erfährt man auf der Webseite www.polizeioldtimer.de.

Die Polizei-Oldies haben schon in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen mitgewirkt, und nicht wenige davon drehen sich um die turbulenten sechziger und siebziger Jahre. "Voraussetzung für unsere Mitarbeit in solchen Filmen ist, dass der Terrorismus nicht verherrlicht wird", sagt Eberhard Dersch. Er ist seit 1975 im Polizeidienst und hat den "Heißen Herbst" 1977 miterlebt. "Wir mussten ständig mit Anschlägen rechnen und hatten selbst nicht einmal Schutzwesten", erzählt der Polizeibeamte. Auch bei den unzähligen Verkehrskontrollen hätten die Beamten stets ein mulmiges Gefühl gehabt. "Für die Leute war das natürlich alles anderes als angenehm, wenn Polizisten mit der Maschinenpistole im Anschlag vor ihnen standen", sagt Dersch.

Das Presse- und Informationsamt der damaligen Bundesregierung hat 1977 die Ereignisse der Schleyer-Entführung minutiös dokumentiert - inklusive des Fuhrparks der RAF. Vom Alfa Romeo 1600 Giulia Super über einen Ford Taunus 1600 L bis hin zum Granada 1700 Kombi kaufte oder klaute die RAF-Truppe zusammen, was sie kriegen konnte. Der cremefarbene Granada mit dem Dublettenkennzeichen K-TR 845 trug bei seiner Sicherstellung durch die Polizei einen grünen Kleeblatt-Aufkleber und hatte eine zurechtgeschnittene Pappe mit der Aufschrift "Elektro-Schnelldienst Schmitz" im Kofferraum. Den Wagen hatten die Möchtegern-Weltverbesserer der RAF in der Universitätsstraße in Düsseldorf gestohlen und zeigten sich dabei gar nicht solidarisch: Halter des Wagens war das Studentenwerk der Stadt.

Bei der Entführung Hanns Martin Schleyers benutzten die Terroristen gleich zwei Sternenträger, einen gelben Mercedes 300 D und einen Mercedes 230. Außerdem kam ein weißer VW-Bus zum Einsatz, der sich als originalgetreue Kopie auch im Kinofilm wiederfindet. Der Bulli wurde extra aus der Schweiz zum Set gebracht und kam von einem Privatbesitzer - wie viele Youngtimer, die in Filmen mitspielen. "Wir haben über 1000 Fahrzeuge in unserer Datenbank, vom Oldtimer über Traktoren bis hin zur Lokomotive" sagt Wilko Müller von der Firma Film-Autos.Com aus Berlin, die den seltenen Bulli vermittelt hat. Wer sein Auto schon immer mal auf der Leinwand oder dem Fernsehbildschirm bewundern wollte, kann es kostenlos in der Datenbank eintragen lassen - irgendwann wird ein Filmausstatter vielleicht genau nach diesem Fahrzeug suchen.

Die unruhigen siebziger Jahre dürften nach der letzten Serie von Kino- und Fernsehproduktionen vorerst abgenutzt sein - vielleicht sind ja bald die entspannteren achtziger Jahre dran. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Neuauflage der Schwarzwaldklinik im Retro-Look? Dann könnte ein neuer Sascha Hehn in Tennis-Klamotten aus seinem weißen Golf 1 Cabrio springen, und die Zuschauer würden von den coolen 80er Jahre Autos schwärmen: Geil, ein Erdbeerkörbchen ...

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