Fiat 500 TwinAir:Klein-Kraftwerk

Die kleinen Zweizylindermotoren erleben eine Renaissance - auch im Fiat 500 TwinAir, der im September startet.

Joachim Becker

Alles schon einmal dagewesen: Im von vielen geliebten Citroën 2CV, der lahmen Ente, nuckelten nur zwei Zylinder am Spritvorrat. Auch dem ersten Fiat 500 genügte in den fünfziger Jahren ein knapper halber Liter Hubraum, um trotz wenig Vortrieb viel Spaß zu verbreiten.

Hatten sich vier Leute in der knapp drei Meter kurzen Knutschkugel versammelt, wurden erst die Anordnung der Beine und dann das Anfahren zum Kunststück: Gang krachend einlegen, Motor aus dem Drehzahltal angeln und den Krach in der Kabine mit fröhlichem Geplauder übertönen. Der 9,6 kW (13 PS) starke, luftgekühlte Zweizylinder lag im Dauerclinch mit dem unsynchronisierten Vierganggetriebe.

Von 1958 an gab es dann den 500 Sport mit ultimativen 15,8 kW (21,5 PS), der ohrenbetäubende 105 km/h erreichte. Damit die Seifenkiste auf den winzigen Zwölf-Zoll-Rädern bei diesem Tempo nicht auseinanderfiel, wurde das Roll-Stoffdach durch stabileres Blech ersetzt.

Allein die Vorstellung, mit einer 500 Kilo leichten Rennpappe unterwegs zu sein, mutet heute nostalgisch an. Die Motörchen mögen für einen Tata Nano genug sein; doch im Westen schreckten die Ingenieure bisher vor den Vibrationen eines Zweizylinders und dem Sound eines aufgebohrten Mopeds zurück.

Um so erstaunlicher ist es, dass der Fiat-Gleichläufer (Parallel-Twin) in wenigen Tagen seine Auferstehung feiern wird. Der aktuelle Fiat 500 ist nicht nur 31 Zentimeter breiter und 16 Zentimeter höher als das Original, er ist auch doppelt so schwer.

Nicht so sparsam wie erhofft

Dafür ist die neue Zweizylinderversion wesentlich stärker als der Cinquecento-Urahn. Im September kommen die Limousine und das Cabriolet mit einem 63 kW (85 PS) starken TwinAir auf den Markt, der neue Standards beim Downsizing setzt.

Eine geringere Reibleistung und die Verlagerung des Betriebspunkts in Richtung Volllast verbessern die Spritausbeute; ein schnell ansprechender Turbolader macht den 900 Kubikzentimeter mächtig Dampf. Und die elektrohydraulische Ventilsteuerung MultiAir sorgt in allen Bereichen für optimale Verbrennung.

Die neue Motorenfamilie ist für Leistungswerte zwischen 48 kW und 77 kW (65 und 105 PS) konzipiert. Im Vergleich zum Vierzylinder 1.4 16V im Fiat 500 überzeugt das halbierte Aggregat durch einen Liter weniger Verbrauch und immerhin 30 Prozent weniger CO2-Emissionen bei vergleichbaren Fahrleistungen. Kombiniert soll sich der Fiat 500 TwinAir laut Datenblatt mit 4,1 Liter auf 100 Kilometer begnügen, die Emission liegt bei 95 g/km. Mit dem Automatikgetriebe Dualogic sinken die offiziellen Werte auf 4,0 Liter / 100 km und 92g / km CO2.

Zur Knausrigkeit trägt nicht nur der schmalbrüstige Antrieb, sondern auch das Start-Stopp-System bei. Eine Schaltpunktanzeige hilft zusätzlich beim Spritsparen. Bei ersten Probefahrten mit dem kehligen Zweizylinder kam allerdings kaum ein Tester unter einen Durchschnittsverbrauch von sieben Liter. Denn wird dem Turbobenziner wirklich Leistung abgefordert, stößt das Downsizing-Konzept schnell an seine Grenzen.

Auch beim Preis fährt das Modell mit Zwillingsmotor nur wenige hundert Euro Vorsprung gegenüber dem Vierzylinder 1.4 16V heraus - die Preisskala beginnt mit 12.900 Euro für die Limousine; das Cabrio mit dem Zweizylinder-Turbobenziner kostet mindestens 15.700 Euro.

Als Range Extender brauchbar?

Wirklich im Vorteil ist das Kleinkraftwerk nur bei den Abmessungen und dem Gewicht. Der TwinAir-Motor wiegt zehn Prozent weniger und ist um 23 Prozent kürzer als der Vierzylinder. Dadurch bietet er sich für den Erdgasbetrieb oder die Kombination mit Hybridtechnologien in kleinsten Motorräumen an. Selbst als Range Extender für Batteriefahrzeuge wäre der Bonsai-Verbrenner ideal.

Deshalb laufen Vorentwicklungsprojekte für die Antriebszwerge bei vielen Herstellern und Zulieferern. Volkswagen schickte voriges Jahr seine L1-Studie mit einem Zweizylinder an den Start. Doch es darf bezweifelt werden, dass irgend jemand 35.000 Euro für eine enge Leichtbauröhre bezahlt - auch wenn nur ein Liter auf 100 Kilometer versprochen wird.

Realistischer ist daher die Übernahme des kompakten Zweizylinder-TDI mit Ausgleichswelle in den kommenden Kleinwagen VW Up. Und bis zum möglichen Serienstart 2013 wird wohl noch an der Leistungsschraube gedreht: Bislang holte der Zwergdiesel von VW 28 kW (39 PS) und maximal 100 Newtonmeter Drehmoment aus 0,8 Liter Hubraum. So verbraucht der zweitürige Prototyp des Up im Format des Fiat 500 nur rund 2,5 Liter Kraftstoff.

Wie viel Kraft sich aus kleinen Volumen gewinnen lässt, hat BMW mit einem 120 kW (163 PS) starken Dreizylinder- Turbodiesel gezeigt. Bei der BMW-Studie Vision EfficientDynamics teilen sich der 1,5-Liter-Motor und ein Full-Hybrid-System den Platz vor der Hinterachse. Mit einem Drehmoment von 290 Newtonmeter und einer Literleistung von 80 kW (109 PS) ist der Dreispänner im Bereich der Dieselmotoren derzeit ungeschlagen.

Auch im Mega-City-Vehicle von BMW, das 2013 auf den Markt kommen wird, ist neben dem kompakten Elektromotor im Heck noch Platz für einen derartigen Verbrenner als Range Extender. Und werden die beiden Antriebe zusammengespannt, sind die kleinen Aggregate kaum zu bremsen. Die Studie BMW Vision EfficientDynamics kommt auf eine Gesamtleistung von 262 kW, spurtet in 4,8 Sekunden von null auf 100 km/h und begnügt sich mit 3,76 Liter Diesel auf 100 Kilometer.

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