Fiat 500:Großereignis für einen Kleinwagen

Das Comeback des Kultautos Fiat 500 wird in Turin selbstsicher als Beginn einer neuen Ära inszeniert - heute abend live im italienischen TV.

Von Ulrike Sauer

Die ersten Originale des legendären Fiat 500 sind am Turiner Po-Ufer vertäut und schwimmen auf dem Fluss. Entlang des Corso Cairoli wurden Tribünen für 10.000 Premierengäste montiert: Das italienische Fernsehen überträgt am Mittwochabend live das Großereignis, mit dem der Autohersteller Fiat die Neuauflage seines kleinen Klassikers vorstellt.

Fiat 500: 500 neu und 500 alt: Sie haben nur die Form und den Charme gemeinsam - die Technik unterm Blech ist beim Neuen zeitgemäß.

500 neu und 500 alt: Sie haben nur die Form und den Charme gemeinsam - die Technik unterm Blech ist beim Neuen zeitgemäß.

(Foto: Foto: afp)

Die Regie der nostalgischen Festnacht führt Marco Balich, der auch die Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele in Turin inszeniert hat. An Italiens Zeitungskiosken brach das Revival-Fieber schon vor Tagen aus. 50 Jahre nach dem Debüt des beliebtesten Fiat-Modells soll der kulleräugige 500-Nachfolger nun den Anbruch der neuen Ära markieren. Forsch deklarierte Konzernchef Sergio Marchionne den modern ausstaffierten Nachfahren des Kultautos zum "Manifest der Fiat-Zukunft".

Die Operation Imagerettung läuft

Trotz des Wirbels um Fünfziger-Jahre-Nostalgie und Retro-Design blickt der Autohersteller mit dem neuen "Cinquecento" (italienisch für 500) nach vorne. Mit dem spartanischen Winzling von Dante Giacosa, der am 4. Juli 1957 in Turin präsentiert wurde, hat das Premierenauto dieser Woche nur die markante Form gemein. Das Anknüpfen an die glorreiche Vergangenheit nutzt Fiat-Retter Marchionne drei Jahre nach seinem Antritt in dem todgeweihten Unternehmen, um die ultimative Botschaft der gelungenen Krisenbewältigung zu vermitteln.

War das knuffige Miniaturauto einst zusammen mit dem Vesparoller zum Symbol des hoffnungsfrohen Wachstumslandes Italien geworden, so stilisiert Fiat den Erben nun zum Aushängeschild eines Konzerns, der sich aggressiv am Markt zurückmeldet. Kreativ, selbstsicher und profitabel - so präsentiert sich Fiat dieser Tage mit einer kolossalen Imageoperation in Turin Händlern, Medienleuten und Analysten aus aller Welt. Kein anderes italienisches Auto ist so mit Emotionen aufgeladen wie der bescheidene "Cinquino". Mit keinem anderen Fahrzeug hat sich das Land so identifiziert wie mit der sympathischen Juckelkiste von Giacosa. Zeitgleich mit dem Wirtschaftswunder und der Motorisierung Italiens setzten 1957 auch die goldenen Jahre für Fiat ein.

Großereignis für einen Kleinwagen

Schon seit einem Jahr lässt der 39-jährige Fiat-Markenchef Luca De Meo über die Internetseite des 500 Neugier auf das Retro-Modell wecken, das für 9990 Euro auf den Markt kommen soll - in Deutschland am 6. Oktober. Autofans konnten auf der interaktiven Multimediaplattform an der Entwicklung teilhaben und Ausführungen des Autos entwerfen, mit dem die Italiener Jagd auf die BMW-Mini-Klientel machen wollen. Mit 3,54 Metern ist der neue Cinquecento 58 Zentimeter länger als sein archaischer Urahn und doch auf den ersten Blick eine gelungene Kopie. Gelernt hat Fiat aus Misserfolgen. Der im Jahr 1992 herausgebrachte 500-Nachfolger erinnerte nur im Namen an das Vorbild der fünfziger Jahre.

Eine Woche vor dem Debüt hatte De Meo mehr als 25.000 Bestellungen eingesammelt. Das entspricht der Hälfte der diesjährigen Startproduktion. Hergestellt wird der Fiat 500 im polnischen Werk in Tichy auf der Panda-Plattform. Eine Anhebung der vorgesehenen Jahresproduktion von 120.000 auf 140.000 Fahrzeuge ist im Gespräch. Bereits im Februar hatte Fiat im Mussolini-Stadion in Rom mit dem aggressiven Debüt des Kompaktwagens Bravo die Überwindung der alten Schwerfälligkeit unter Beweis gestellt. Nach dem Fiasko des Vorgängers Stilo soll der in nur 18 Monaten zur Marktreife gebrachte Bravo Kompetenz in der Golf-Klasse belegen.

25.000 Bestellungen liegen bereits vor

Der Turiner Optimismus beflügelt auch den Aktienkurs. Das Fiat-Papier notiert mit über 22 Euro auf dem höchsten Stand seit September 2001. Im April 2005 war der Kurs unter fünf Euro gefallen. Vergangene Woche gab Marchionne zwei neue Partnerschaften der Konzerntöchter Iveco und Magneti Marelli mit russischen Firmen bekannt. Damit ist die Zahl der internationalen Kooperationen nach der Trennung von General Motors auf 15 gestiegen.

Analysten erwarten von Fiat weitere Gewinnverbesserungen und einen positiven Nachrichtenfluss. Vor einem Monat stufte Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Konzerns nach oben. Die Verbesserung des Rating trage "der konstanten Steigerung der Ertragsstärke und des Cashflows" Rechnung. Getrieben wird die Erholung durch die Absatzerfolge der neuen Modelle. Die Umsatzmarge stieg im ersten Quartal auf 4,4 Prozent.

Besonders stark verbesserte sich die Autosparte - von 0,8 Prozent im Vorjahresquartal auf 3,3 Prozent. Fiat steigerte seinen Marktanteil in Europa im Mai auf 8,3 Prozent. Die Italiener konsolidierten damit den kürzlich eroberten fünften Platz im kontinentalen Autogeschäft. Noch spiegelt der gestiegene Marktanteil aber vor allem das starke Wachstum in Italien wider.

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