Fiat 500X im Test:Hübsch verpackter Traktor

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Der Fiat 500X will SUV, Kompaktwagen und Familienkutsche zugleich sein. Das Problem ist nur: Nichts davon kann er wirklich gut.

Von Felix Reek

Auf den ersten Blick sieht man kaum einen Unterschied. Die putzigen runden Scheinwerfer, die fließenden Formen der Fünfzigerjahre: ja, das ist ohne Zweifel ein Fiat 500. So wie man ihn kennt und liebt. Das vielleicht hübscheste Auto, das die Retro-Welle seit dem Mini hervorgebracht hat. Aber gewachsen ist der Kleine. So als hätte man den putzigen Kleinwagen in den Kopierer gelegt und auf "Vergrößern" gedrückt.

Deswegen trägt dieser 500 den Vermerk "X". Damit gleich klar ist, dass es sich um ein anderes Modell handelt. Gleichzeitig steht der Buchstabe für "Crossover", einen Begriff, den die Autoindustrie in den letzten Jahren immer verwendet, wenn sie ein neues Modell nicht so richtig einordnen kann. Oder will. Der Fiat 500X ist also von allem etwas: SUV, Kompaktwagen, Familienkutsche. Das soll mehr potenzielle Kunden bringen. Aber wie das immer so ist, wenn man sich nicht entscheiden kann: Nichts davon kann der große 500 so richtig gut.

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Sein Einsatzgebiet bleibt die Stadt

An ein SUV erinnert bei dem Italiener vor allem die Optik. Er hat große Räder und die Karosserie liegt etwas höher. Diese Positionierung ist kein Wunder, denn kein Segment verzeichnet in den letzten Jahren höhere Zuwachsraten beim Absatz. Davon will die Marke, die in Deutschland vor allem Kleinwagen verkauft, profitieren. Also gibt es den 500 nun auch als Lifestyle-SUV mit Allradantrieb. Wer noch mehr Gelände will, bestellt statt der City- die Offroad-Version mit Unterfahrschutz und Dachreling. Obwohl wahrscheinlich die wenigsten X-Modelle jemals ein Offroad-Gelände auch nur aus der Nähe sehen werden. Ihr vornehmliches Einsatzgebiet bleibt die Stadt.

Den Komfort, dem man von SUVs gewohnt ist, bekommt man bei dem Italiener allerdings nicht. Der Fiat 500X ist hart abgestimmt. Sehr hart, um genau zu sein. Das Fahrwerk macht Schläglöcher ähnlich sanft spürbar wie einen Nierenhaken der Klitschko-Brüder. Die Sitze bieten keine Linderung. Sie sind so straff gepolstert, dass man jeden Kilometer im Hintern spürt. Platz gibt es dafür reichlich. Vorne sitzt man eher wie in einem Minivan, hinten wird es knapper, aber ausreichend. Allzu viel Gepäck dürfen Mitfahrer nicht mitnehmen, mit einem Kofferraumvolumen von 350 Litern ist der Stauraum überschaubar. Beim Versuch, einen Kinderwagen einzuladen, scheitert man beim Fiat 500X kläglich. Der nimmt beim Test auf dem Beifahrersitz Platz und Frau und Kind wandern auf die Rückbank.

Als Familienauto taugt der Fiat also nur bedingt. Das liegt natürlich daran, dass sich der 500X größenmäßig an der Kompaktklasse orientiert. Ein VW Golf ist 4,26 Meter lang und 1,80 Meter breit, der Italiener ist genau einen Zentimeter länger bei gleicher Breite. Die Kofferraumvolumen sind ähnlich (beim Golf sind es 30 Liter mehr). Der Fiat ist mit einem Einstiegspreis von 16 950 Euro allerdings 700 Euro billiger als der VW. Die angestrebte Kundschaft sollen demnach vor allem hippe Großstädter sein, denen der Deutschen liebstes Auto zu bieder ist. Die Lust auf Design haben, Spaß am Autofahren und irgendwie am SUV-Trend teilnehmen wollen. Also alles auf einmal.

Aber wie bereits erwähnt: Das kann nicht funktionieren. Sicher, in Sachen Design ist der Fiat 500X ein voller Erfolg. Sah die erste größere Version des Modells, der Van Fiat 500L, noch eher wie eine aus der Form geratene Version des Kleinwagens aus, stimmen bei der SUV-Variante die Proportionen. Das ist den Italienern sogar besser gelungen als den Kollegen von BMW mit dem eher biederen Mini Countryman. Nur wenn es um den Fahrspaß geht, schaut es beim Fiat 500X düster aus, zumindest mit Dieselmotor. Der hat mit den modernen Vertretern, die unter den Motorhauben der Konkurrenz ihren Dienst verrichten, nur wenig gemein.

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Fahrfreude kommt mit dem Diesel nicht auf

Vor allem in der Stadt fällt auf, dass der Zweiliter-Motor laut poltert - als säße man auf einem Traktor. Das gleiche Problem hatte schon der Jeep Renegade, mit dem sich der Fiat die technische Basis und den Motor teilt. Noch schlimmer wird es im Sportmodus. Der soll eigentlich für mehr Fahrfreude sorgen, doch das Aufheulen des Diesels ist akustisch alles andere als ein Vergnügen. Die Gänge der Neungang-Automatik jagen unharmonisch hoch, die Bremsen sind sehr bissig und deshalb schwer zu dosieren, die Lenkung vermittelt keinen guten Kontakt zur Fahrbahn. "Ruppig" ist das treffende Adjektiv, das die Fahreigenschaften des Fiats zusammenfasst.

Angenehm ist der 500X nur auf der Autobahn. Im normalen Modus gleitet das kompakte SUV dahin, wenn nicht gerade eine Bodenwelle den Fiat zur Seite ausweichen lässt, weil das Fahrwerk so straff ausgelegt ist. Der Diesel arbeitet hier solide, ohne groß zu stören. Der Blick gleitet über das hübsche Retro-Cockpit, das zwar weitestgehend aus Plastik, aber zumindest gut verarbeitet ist. Man stellt sich die klassischen Linien des Autos vor, seufzt kurz, weil man sich erinnert, wie schön Autos sein können, wenn man sich ein wenig Mühe gibt beim Design. Bis man Gas gibt, den Vordermann überholt und feststellt, dass man doch nur in einem hübsch verpackten Traktor sitzt.

Technische Daten Fiat 500X 2.0 Multijet Diesel 4x4 Automatik:

R4-Dieselmotor mit 2,0 Litern Hubraum; Leistung 103 kW (140 PS); max. Drehmoment: 350 Nm bei 1750/min; Leergewicht: 1570 kg; Kofferraum: 350 - 1000 l; 0 - 100 km/h: 9,8 s; Vmax: 190 km/h; Testverbrauch: 7,6 l / 100 km (lt. Werk: 5,5; CO2-Ausstoß: 144 g/km); Euro 6; Grundpreis: 28 650 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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