Festival of Speed 2018:Goodwood, das PS-Konzentrat

Porsche 911 Turbo, Baureihe 993, und Porsche 911 GT1 vor dem Goodwood House beim Festival of Speed 2018.

Seinen großen Auftritt beim Goodwood Festival of Speed hat sich Porsche einiges kosten lassen.

(Foto: Markus Leser)

Geballt treten hier die stärksten, schnellsten und teuersten Sport- und Rennwagen auf. Doch das viele Geld der Autoindustrie nimmt dem Festival allmählich seinen britisch-charmanten Charakter.

Von Thomas Harloff, Chichester

Der Sommer zeigt sich warm und trocken in Südengland - so trocken, dass sich das satte Grün der Wiesen in ein blasses Braun verfärbt. Doch besonders viel Grün ist vor dem Goodwood House in der Grafschaft West Sussex ohnehin nicht zu entdecken: Dicht an dicht sind hier einfach zu viele wertvolle Autos auf den Rasenflächen geparkt. Alte und neue, schnelle und langsame, schöne und nicht so schöne. Zwischen ihnen wimmelt es von Menschen, die meisten tragen Mützen und manche haben Hüte, um sich vor der Sonne zu schützen. Ohropax trägt kaum jemand. Dabei wäre das angebracht, schließlich dröhnt im Hintergrund alle paar Sekunden ein Sport- oder Rennwagen über den Asphalt.

Oberhalb des Herrenhauses stehen endlose Reihen von Pavillons, in ihnen Dutzende bunte Rennwagen aus allen Epochen und Rennserien. Hier wird geschraubt und gehämmert und noch mehr gefachsimpelt, das Publikum kennt sich aus. Als ein Mechaniker den Motor eines Porsche aus den frühen Siebzigerjahren startet und mehrere Minuten warmlaufen lässt, bahnt sich der Abgasdunst seinen Weg aus dem Pavillon hinaus ins Freie. Das stört aber keinen, im Gegenteil. "The smell of power, and the smell of success", sagt ein Passant, um anschließend die Rennerfolge des Boliden aufzuzählen. Der Geruch von Kraft und Erfolg, er umweht die meisten Autos hier auf dem Festival of Speed, der wohl lautesten, auf jeden Fall aber schnellsten Gartenparty der Welt.

Der Hausherr persönlich lädt jedes Jahr im Juli und nun schon zum 25. Mal zu diesem Festival der Pferdestärken, Dezibel und qualmenden Reifen. Charles Gordon-Lennox, Träger der Titel Duke of Richmond, Duke of Lennox und Duke of Gordon, ging es ursprünglich darum, die in der frühen Nachkriegszeit von seinem Großvater erbaute Bergrennstrecke wiederzubeleben. Und um Fahrzeuge, nicht Stehzeuge zu präsentieren: "Man muss Autos im Fahren sehen, muss sie hören und riechen und nicht einfach nur auf einem Messestand anschauen", sagte er mal in einem Interview. Autos und Prominente sollten nahbar seien, befand der Duke und nicht in VIP-Zonen versteckt werden. Ein Erfolg war das Festival von Beginn an. 1993, bei der ersten Auflage, rechnete er mit 2500 Gästen - und schon am ersten Tag standen morgens zehnmal so viele vor den Toren seines Anwesens. Heutzutage finden sich an den vier Festivaltagen bis zu 200 000 Menschen ein.

Längst kooperiert der Herzog eng mit der Autoindustrie und vielen Sponsoren. Auf den Bannern neben dem Haupteingang des Goodwood House befinden sich Logos von 38 Firmen. Das Festival of Speed ist nicht mehr nur das Treffen britischer Motorsportenthusiasten, die die heimische Autoindustrie und ihre Rennsportszene feiern. Es ist ein durchkommerzialisiertes Event, ausgerichtet auf Show, Prestige und größtmögliche Medienreichweite. Autohersteller sonnen sich im Glanz des guten Namens des Festivals, gerade die hochpreisigen unter ihnen werden mit unterschriebenen Kaufverträgen in die Firmenzentrale zurückkehren. In Goodwood finden sie ein Publikum, das wohlhabend genug ist, um die teuren Preziosen direkt vom Hügel in die eigene Garage zu fahren.

Die Sportwagenschmiede im "Stockbroker Belt"

Natürlich ist auch die britische Luxusmarke McLaren Group in Goodwood vertreten und praktischerweise liegt die Firmenzentrale nur 40 Meilen nördlich des Festival-Geländes, in Woking, Grafschaft Surrey. Die 60 000-Einwohner-Stadt zählt zum "Stockbroker Belt", in dessen Backsteinhäusern sich jene Aktien-Dealer niederlassen, die es im nahen London zu etwas gebracht haben. Hier hat nicht nur das bekannte Formel-1-Team McLaren Racing seine Heimat, sondern auch der gleichnamige Sportwagenhersteller. Man residiert in einem monumentalen Glashaus, eingerahmt von einer asphaltierten Zufahrt und künstlich angelegten Gewässern, Wiesen und Wäldern.

Sowohl die Rennsport- als auch die Autoabteilung können von Erfolgen berichten - die Formel-1-Leute allerdings eher von vergangenen, aktuell läuft es für die Truppe um Starfahrer Fernando Alonso sehr bescheiden. Im Hier und jetzt produziert McLaren Automotive die Positivmeldungen. Von Quartal zu Quartal steigen die Gewinne, Absatz- und Umsatzzahlen, erhöht die Firma den Output an Modellen und vergrößert ihr Händlernetz. Eine englische Erfolgsgeschichte, so sehen sie das in Woking, obwohl die Mehrheit der Firmenanteile in den Händen einer in Bahrain ansässigen Holding liegt. Ohne das ausländische Geld hätte sich die Firma niemals dieses beeindruckende, von Norman Foster gestaltete und Queen Elizabeth im Mai 2004 eröffnete Gebäude leisten können, genauso wenig wie die benachbarte, 2011 eingeweihte Produktionshalle.

Die wichtigste Automesse Großbritanniens

Was innerhalb der Glaswände passiert, hat mit dem in Goodwood zelebrierten, englischen Autoklischee von Abgasdunst, Öllachen und Benzingesprächen nichts zu tun. Leise geht es hier zu, sauber, geradezu steril. Konzentriert wird der sündteure Hightech-Werkstoff Karbon zurechtgebogen, an der Aerodynamik der Formel-1-Boliden gefeilt und in der Monsunkammer getestet, ob sich die frisch produzierten Sportwagen in Topzustand befinden, bevor sie an die Kundschaft ausgeliefert werden. Würden nicht überall die Rennwagen früherer Tage herumstehen und die Pokale, die in ihnen errungen wurden, man könnte meinen, in den Räumen werden hochkomplexe Operationen durchgeführt - nicht an Autos, sondern an Menschen.

Was diese Arbeitsweise und -atmosphäre hervorbringt, zeigt sich auf der Fahrt zum Antipol, dem Festival of Speed. Auf den holprigen und schmalen, aber wunderbar idyllischen B-Roads zeigt der 720S, der derzeit stärkste Vertreter der gewiss nicht an Leistungsmangel leidenden McLaren-Modellpalette, welch präzises Kurvenskalpell er ist. Wer mit diesem Auto nicht die Ideallinie trifft, ist selber schuld. Und wer damit zu spät kommt, ist definitiv zu spät losgefahren, am 720 PS starken Vierliter-Biturbo-V8 und den atemberaubenden Fahrleistungen kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Ehrlicherweise ist dieses - in der Basisausstattung - etwa 250 000 Euro teure Supercar hier völlig verschenkt; sein Potenzial lässt sich nur ankratzen. Der McLaren 720S gehört auf eine Rennstrecke, und sein Fahrer sollte seine eigenen Fähigkeiten optimiert haben, um ihn in Schach zu halten.

Womit wir wieder in Goodwood sind, beim PS-Stelldichein des Dukes aus Südengland. Dieser räumt McLaren eine Sonderstellung ein. Während die anderen Hersteller am Fuße der Bergstrecke dicht gedrängt zwischen den Wettbewerbern um Aufmerksamkeit konkurrieren, darf sich die Schmiede aus Woking weiter oben präsentieren, hinter dem größten Haus am Platze. Dieses Privileg nutzt McLaren gerne, um neue Modelle zu präsentieren. Diesmal den 600LT, eine in Gewicht, Leistung und Fahrdynamik optimierte Sonderversion der unter dem 720S angesiedelten Modellreihe. Als das mindestens 230 000 Euro teure, auf eine bisher unbekannte Anzahl limitierte Coupé in Goodwood enthüllt wird und erstmals den Berg hinauffährt, sitzt der Duke interessiert auf der Tribüne.

Dass das Festival of Speed für McLaren so wichtig ist und umgekehrt, hat noch einen anderen Grund. "Die Amerikaner haben die Detroit Motor Show, die Deutschen haben die IAA in Frankfurt. Uns fehlt eine große Automesse in Großbritannien, deshalb enthüllen wir unsere wichtigen Modelle in Goodwood", sagt McLaren-Sprecher Wayne Bruce.

Gute Show oder zu viel Kommerz?

Noch strahlender lässt der Duke aber seinen Hauptsponsor Porsche zu dessen 70-jährigem Jubiläum glänzen. Die Schwaben steuern die diesjährige Skulptur bei - ein weit in den Himmel ragender Stern, an dessen Spitzen diverse Porsche-Renner befestigt sind. Mehrfach nehmen röhrende Zuffenhausener Boliden auf der Kies-Zufahrt Aufstellung, während Hunderte Festivalbesucher Spalier stehen und danach ein Feuerwerk genießen. Hinzu kommen ein privates Dinner im Goodwood House, ein eigenes Fahrerlager und ein abgetrennter Catering-Bereich. Viel Ehre für den deutschen Sportwagenbauer, der sich dies einiges kosten ließ. Von einem zweistelligen Millionenbetrag ist die Rede.

Ob sich das Festival in die richtige Richtung entwickelt hat, ist unter den langjährigen Besuchern umstritten. "Es wurde größer und größer, vor allem dank der Hersteller. Dadurch gibt es mehr zu sehen heutzutage", sagt Keith Sherman. Er und sein Bruder John sind Goodwood-Fans der ersten Stunde und Mitglieder im Goodwood Road Racing Club. John Sherman hält das Programm dagegen für zu vollgestopft. Die früher üblichen Probefahrten über die Bergstrecke, für Jedermann und mit normalen Autos, seien nun nicht mehr möglich. "Früher gab es außerdem mehr klassische Autos, es ging eigentlich nur um das Bergrennen. Heute stehen fast nur noch neue Autos in den Schaufenstern."

Einen Tipp haben dann aber fast alle Besucher: "Kommen Sie doch im September wieder, zum Goodwood Revival." Da gebe es kaum Kommerz, dafür wunderschöne alte Autos, deren jüngste Vertreter etwa 60 Jahre alt sind, sowie Besitzer und Besucher, die sich in der Mode jener Epoche kleiden, aus der die Autos stammen. Der britischen Autokultur spürt man wohl besser dort nach. Doch auch das Festival of Speed fasziniert, nur auf eine andere, pompöse Weise. Der Geruch von Kraft und Erfolg, er umweht jede Ecke dieses Anwesens - und seinen Besitzer, den Duke of Richmond, Lennox und Gordon.

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