Ferrari-Ausstellung "California Dreaming":Es war einmal in Amerika

Das Ferrari-Museum in Maranello

Das Grün von Pebble Beach: In der Ausstellung sind in diesem Saal Renn- und Straßensportwagen sowie Studien zu sehen.

Indianapolis, Laguna Seca, Beverly Hills: Den Sportwagenhersteller Ferrari und die USA verbindet eine ruhmreiche Geschichte. Eine Ausstellung in Maranello widmet sich dieser besonderen Beziehung, zeigt seltene Modelle - und das teuerste Auto der Welt.

Von Henning Klüver

Die Frage lautet: Ist das ein Triumphbogen oder ein überdimensionaler Überrollbügel? Leuchtend rot steht das Ding auf dem Platz vor dem umgebauten Ferrari-Museum in Maranello. Man kann es auch als ein Tor der Träume deuten, das zur Eröffnungsausstellung "California Dreaming" führt. Angesichts der Formel-1-Flaute, die gerade bei Ferrari herrscht, ist es vielleicht ganz gut, an anderes zu denken und die glorreiche Vergangenheit aufstehen zu lassen. Zum Beispiel die 60-jährige Erfolgsgeschichte der Roten in Nordamerika.

Bevor ab 1954 Ferrari mithilfe des Importeurs Luigi Chinetti auch über die öffentlichen Straßen der neuen Welt rollten, hatten die Sportwagen aus Maranello bereits auf den Rennstrecken gezeigt, welches Potenzial sie hatten. Im Mai 1950 holte sich der Konstrukteur und Segelfanatiker Briggs Cunningham mit einem 166 Ferrari Spider Corsa den Sieg bei den traditionellen Suffolk Country Airport Races vor den Toren von New York. Und von da an, so William Edgar, Fotograf und Sohn des legendären US-Rennsport-Pioniers John Edgar, war der Sound der italienischen Zwölfzylinder nicht mehr aus den Staaten wegzudenken. Der rockte bald ebenso über die Pisten zwischen Laguna Seca (Monterey/Kalifornien) und Indianapolis. 1963 gründeten eine Handvoll von glücklichen Besitzern den Ferrari Club of America (FCA). Inzwischen hat der FCA mehr als 5000 Mitglieder. Nord Amerika ist heute der größte Markt für Ferrari weltweit. Im vergangenen Jahr wurden 2035 Fahrzeuge vom Sitz in Englewood Cliffs (New Jersey) an das Netzwerk ausgeliefert, ein Anteil von 29 Prozent am Gesamtumsatz der Fiat-Tochter.

Die Happy Few von Beverly Hills gleiten entspannt den Rodeo Drive entlang

Vor allem an der mit Palmen bestandenen Westküste fühlen sich die Italiener seit den Fünfzigerjahren wie Zuhause. Die Happy Few von Beverly Hills glitten in den legendären Sportwagen den Rodeo Drive entlang. Das ist bis heute so. In der Ferrari-Geografie ist Kalifornien für die USA, was die USA für die Welt ist: Hier erzielt man allein 27 Prozent der nordamerikanischen Verkaufserlöse.

Als 1957 die Strecke von Laguna Seca bei Monterey 200 Kilometer südlich von San Francisco eingeweiht wurde, gewann Pete Lovely das erste Rennen - natürlich auf Ferrari. Dem Rennsport allgemein und der Laguna-Seca-Piste mit seiner berüchtigten Korkenzieher-Kurve im besonderen ist denn auch der erste Raum der Ausstellung "California Dreaming" in Maranello gewidmet. Hier stehen stolze Siegerautos. Der Ferrari 375 mit dem Alberto Ascari 1952 an den 500 Meilen von Indianapolis teilnahm, der 312 B von Mario Andretti und der 156, mit dem Phil Hill 1961 Formel-1-Weltmeister wurde. Dem Golfplatz von Pebble Beach, wo jedes Jahr der berühmte Schönheitswettbewerb für Oldtimer und Luxusautos stattfindet, ist dagegen der Saal nachempfunden, der Ferraris Straßenfahrzeuge in Amerika zeigt.

Heutzutage gibt es keine spezifischen Modelle für den US Markt, die Ferrari Produktpalette sei "global mit italienischen Wurzeln", lässt der Hersteller wissen. Das war in der Vergangenheit anders. Modelle, die vom US-Markt inspiriert oder für ihn produziert wurden, waren etwas größer und - sagen wir es ruhig - etwas protziger als die europäischen: der 400 Superamerica oder die Superfast-Modelle zum Beispiel. Aber dazu gehört auch der atemberaubende Thomassina III, den Tom Meade mit sinnlichen Kurven aus einem 250 GT entwickelt hat. Ein Höhepunkt folgt hier dem nächsten, denn durch die personalisierte Ausstattung ist eigentlich jeder US-Ferrari ein Unikat. Bis zum Colani Testa D'Oro, eine Testarossa-Interpretation, mit der 1992 der Geschwindigkeitsweltrekord mit 351 Kilometern pro Stunde für Kat-Fahrzeuge aufgestellt wurde.

Das teuerste Straßenfahrzeug aller Zeiten

Im Saal von Pebble Beach steht unter anderem das rote Cabrio 275 GTB/4 aus dem von Luigi Chinetti gegründeten North American Racing Team (NART), das hier im vergangenen Jahr auf einer Auktion den Preis von sage und schreibe 27,5 Millionen Dollar (umgerechnet 20 Millionen Euro) erzielte. Das ist der teuerste Ferrari und das teuerste Straßenfahrzeug aller Zeiten.

Nicht dieses Juwel, aber eines der (fast) baugleichen Modelle der 1967 für NART gebauten 275er-Reihe ist in dem zentralen Ausstellungsraum zu sehen. Hier stehen die Stars gegenüber, die den amerikanischen Traum von Ferrari begründet haben und ihn weiter zu neuen Höhen führen wollen. Der Spider California 250 GT aus den Fünfzigerjahren und der neue California T - 3,9-Liter-Achtzylinder-Turbo, 560 PS, in 3,6 Sekunden von null auf 100 km/h. Damit ist das T-Modell noch mal um zwei Zehntelsekunden schneller als der Vorläufer California 30 von vor zwei Jahren. Und dank neuer Scheiben der Carbon-Keramik-Bremsanlage kommt er ebenso schnell wieder zum Stehen - angeblich in weniger als 34 Metern aus Tempo 100 bis zum Stillstand.

Natürlich zeigt sich der California T in der Ausstellung leuchtend rot und freizügig offen. Sündhaft soll auch der Preis sein, wohl mindestens 183 000 Euro, ohne Extras. So gibt es den einen oder anderen Besucher, der verstohlen mit der Hand über die Flanken des 2+2 Sitzers streicht, die jetzt leicht verändert an den 250 Testa Rossa erinnern. Wenn man sich schon so ein Auto nicht leisten kann, dann möchte man es doch einmal zärtlich berühren . . .

"Vivi il sogno - Live the dream"

Rund 320 000 Besucher sind im vergangenen Jahr den Autos ihrer Sehnsüchte in das Ferrari-Museum in Maranello verfolgt. Sie haben es damit zu dem fünft bestbesuchten Museum in Italien überhaupt gemacht, wie Ferrari-Boss Luca di Montezemolo Anfang April anlässlich der Eröffnung der jetzt umgebauten Anlage verkündete. In Zukunft sollen es nicht weniger sein. "Vivi il sogno - Live the dream" steht in großen Lettern über dem Eingang. Dafür sorgen auch zusätzliche Attraktionen wie das Paddock Museum in einem gerade fertig gestellten Anbau, wo Kinder Reifen an einem originalen Formel-1-Wagen wechseln können und neue Rennsimulatoren den Nachwuchs auf die Piste locken.

Ganz wehmütig wird einem in der alten Hall of Fame zu Mute, in der vor allem der Ära der Schumacher bis 2006 und dem letzten WM-Titel von Kimi Räikkönen 2007 gedacht wird. Nach dem diesjährigen Fehlstart hängt der Lorbeer in der Formel 1 aber noch höher, als in den Jahren zuvor. Auf den neuen Teamchef, den 44-jährigen PR-Experten Marco Mattiacci, der seit 2010 Ferrari North America auf Erfolgsspur gehalten hat, warten schwere Zeiten. California Dreamin'? Mal sehen.

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