Felt AR1 im Test:Die Schaltung begeistert, die Bremse deprimiert

Rennrad Felt AR1 mit Sram Red Etap-Schaltung

Das Rennrad Felt AR1 kostet mindestens 7999 Euro.

(Foto: Felt Bicycles)

Das fast 8000 Euro teure Felt AR1 wechselt die Gänge elektrisch und kabellos. Das funktioniert ganz wunderbar - im Gegensatz zu manch anderer Hightech-Ausrüstung.

Von Sebastian Herrmann

Es ist dringend notwendig, den technischen Fortschritt in der Welt mit Hilfe einer neuen Einheit messbar zu machen. Sonst verliert der zum User mutierte Mensch ja langsam den Überblick. Also folgender Vorschlag: Künftig bemessen wir den Fortschritt in der Einheit LG/SchQM - also Ladegeräte (LG) pro Schubladenquadratmeter (SchQM). Dank Handys, Smartphones, elektrischen Zahnbürsten und unzähligen anderen Geräten mit aufladbaren Akkus stapeln sich über die Jahre in diversen Schubladen stetig steigende Mengen von Ladekabeln, bei denen die Erinnerung nicht immer ganz frisch ist, zu welchem Gerät sie gehören.

Die Elektrifizierung des Fahrrads - unbestreitbar ein technischer Fortschritt - fügt dem Kabelgewirr nun weitere Verwicklungen hinzu. Pedelecs und E-Bikes müssen aufgeladen werden und auch echte Fahrräder werden zunehmend mit elektrischen Schaltungen ausgeliefert, deren Akkus etwa alle 1000 Kilometer neuen Strom brauchen. Den Anfang hat Shimano mit seiner Di2 gemacht, Sram und Campagnolo haben dann nachgezogen.

Der Hersteller Sram ist nun einen Schritt - beziehungsweise ein LG/SchQM - weitergegangen und bietet eine kabellose Funkschaltung für Rennräder an. Das klingt sehr nerdig, aber der Erfolg der Shimano-Schaltgruppen hat bewiesen, dass sich die elektrisch betriebenen Gangwechsler an Rennrädern aus der Nische in den Vordergrund gedrängt haben.

Die Sram Red Etap wirft nun also ein weiteres Ladegerät in die Welt, schafft dafür aber Kabel ab, die ansonsten am oder im Rahmen des Rennrads verlegt werden müssten. Verbaut ist die Schaltgruppe in diesem Fall an einem Testrennrad des Herstellers Felt, an einem Modell namens AR1, ein aerodynamisch optimiertes Fahrrad, der enorm gehobenen Preisklasse.

Abnehmbare Akkus - ein echter Vorteil?

Sowohl am Umwerfer am vorderen Kettenblatt als auch am Schaltwerk am hinteren Ritzelpaket befindet sich je ein kleiner Akku, die beide abnehmbar sind, um sie aufzuladen. Ein Vorteil im Vergleich zu den Rädern mit Shimanos Di2. Die müssen beim Aufladen in der Nähe einer Steckdose stehen, da sich der Akku im Sattelrohr befindet und das Ladekabel am Steuergerät am Lenker eingesteckt werden muss - außer man schleppt einen externen Zusatzakku mit. Das ist manchmal unpraktisch, etwa wenn in einer Hotelgarage keine Steckdose aufzutreiben ist. Dieses Problem ergibt sich mit der Etap nicht. Dafür kann man nun darüber nachdenken, ob man die Akkus nicht jedes Mal abmontieren sollte, wenn das Rad irgendwo angeschlossen ist, damit sie keiner klaut.

Die Schaltung selbst begeistert, weil ihre Bedienung so bestechend simpel ist. Mit dem Schalter am linken Bremsgriff wechselt das System in einen leichteren Gang, einmal auf den rechten Hebel gedrückt, springt die Kette in einen schwereren Gang. Bleibt der Finger auf dem Hebel, dann wechselt das System rasch durch mehrere Gänge. Um die Kette vorn vom großen auf das kleine Blatt oder umgekehrt zu schalten, werden beide Hebel gleichzeitig gedrückt: Dann surrt der kleine Motor am Umwerfer und wechselt in jene Position, die gerade nicht eingestellt war.

Allein die Schaltgruppe kostet 2200 Euro

Das ist derart einleuchtend, dass man sich nach kurzer Eingewöhnung fragt, weshalb nicht alle Rennradschaltungen auf diesem Planeten nach diesem System funktionieren. Zugleich, aber das ist jetzt wirklich irgendwie nerdig, springt bei Sram die Kette zackiger durch die Gänge, während sie Shimano eher geschmeidig über die Ritzel gleiten lässt. Doch was man besser findet, ist reine Geschmackssache.

Die fehlenden Kabel lassen das Rad sehr clean erscheinen. Die Bremszüge sind im Rahmen verlegt, bis auf einige Zentimeter zwischen Lenker und Oberrohr ist das Felt optisch komplett aufgeräumt. Auf den ersten Blick wirkt das nackt oder unfertig, auf den zweiten puristisch und edel. Die gesamte Red-Etap-Gruppe - Brems-Schaltkombinationen, Kurbel, Ritzelpaket, Kette und Umwerfer - kostet um die 2200 Euro. Das ist sehr viel Geld, allerdings auch für sehr gute Technik.

Wie fragil und langlebig ist die Technik?

Die Sender befinden sich in den Köpfen der Schaltbremsgriffe und werden von kleinen Batterien betrieben, die laut Hersteller nach etwa zwei Jahren ausgetauscht werden müssen. Wie empfindlich die Technik ist? Sagen wir so: Hoffentlich fällt das Rad nicht um, wenn man es in einer Pause anlehnt und kracht dabei auf die Hebel. Natürlich sollten diese das aushalten, aber das will man lieber doch nicht auf die brachiale Weise testen.

Wie lange so eine elektrische Schaltung hält, ist eine andere grundsätzliche Frage. Es ist jedenfalls schwerer vorstellbar, in 30 Jahren auf Fahrradflohmärkten alte funktionstüchtige E-Schaltungen zu bekommen als gängige mechanische Varianten. Trotzdem wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis die Technik der Sram Red Etap nicht mehr nur im Highendbereich, sondern auch bei Mittelklasse Rennrädern zum Einsatz kommt.

Das 8000-Euro-Rad bremst teilweise miserabel

Das Felt AR1 ist in seiner Gesamtheit ein aerodynamisch optimiertes Rennrad, das absurde 7999 Euro kostet - je nach Ausstattung. Sein Unterrohr ist breit und flach wie das Blatt eines Schwertes. Im ebenfalls sehr ausladenden Sattelrohr ist eine kleine Aussparung, damit das hintere Laufrad noch weniger Luftwiderstand erzeugt. Auch die Carbon-Sattelstange ist breit, sodass der Wind daran vorbei strömen kann. Angesichts optisch derart dominanter Aero-Carbon-Komponenten wirkt der schmale Alu-Lenker billig und fehl am Platz. Da wäre ein Aero-Lenker mit breiter Auflage angebracht gewesen. Auch der schwarzglänzende Vorbau von Zipp passt nicht recht zum matten Rahmen, ebenso die silbernen Bremsen - schwarze hätten besser gepasst.

Die Carbon-Laufräder von Knight mit einigermaßen hohen Flanken sind leicht und schnell. Sie haben nur einen Nachteil, den sie jedoch mit den meisten Laufrädern aus Carbon teilen: Die Wirkung der Felgenbremsen ist teils miserabel, besonders bei Nässe. Bremsvorgänge kosten mehr Kraft und gut dosieren lässt sich die Wirkung der Stopper ebenfalls nicht. Aber auch dieses Problem werden Ingenieure sicherlich eines Tages lösen. Es ist nicht abwegig, dass sie dabei ein neues Ladegerät in den Alltag des modernen Menschen bringen werden. Der Fortschritt ist schließlich nicht aufzuhalten.

Hinweis der Redaktion: Das vorgestellte Produkt wurde der Redaktion vom Hersteller zu Testzwecken leihweise zur Verfügung gestellt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: