Fahrtraining für Zivis:Immer schön langsam

Sie verursachen oft mehr Blechschäden als sie Nutzen bringen: Zivildienstleistende müssen bald ein Fahrtraining absolvieren.

Claudia Fromme

Es sind nicht gerade schmeichelhafte Worte, die der Geschäftsführer eines Pflegedienstes aus Potsdam vor geraumer Zeit für seinen jüngsten Helfer fand. "Unsere drei Zivis im Fahrdienst haben mehr Blechschäden fabriziert als Nutzen gebracht", beschrieb er seine Erfahrungen, um versöhnlich hinterherzuschicken: "Dennoch haben die jungen Männer unser Umfeld hier bereichert." Das Urteil mag überaus ungerecht sein, einen Funken Wahrheit enthält es gleichwohl, gibt es doch eine gewisse Korrelation zwischen Beulen an Dienstfahrzeugen und dem jeweiligen Fahrer. Auch deshalb sollen Zivildienstleistende von Oktober an ein Fahrsicherheitstraining absolvieren.

Zivildienstleistender Essen auf Rädern; joker

Oftmals einfach überfordert: ein Zivi bei "Essen auf Rädern"

(Foto: Foto: Joker)

"Es geht nicht darum, dass Zivildienstleistende besonders schlecht fahren", nimmt Jens Kreuter, Bundesbeauftragter für den Zivildienst, seine Truppe in Schutz. "Männer zwischen 18 und 24 Jahren bilden aber die Hauptrisikogruppe für Unfälle - in dem Alter sind Zivis", sagt er. Ein Drittel aller Unfälle verursachen sie laut Statistik. Der Georg Buro Assecuranz zufolge, die Verbände wie die Johanniter oder das Deutsche Rote Kreuz versichert, sind 70 Prozent der Schäden an Dienstfahrzeugen solche, die beim Rangieren oder Einparken entstehen, oft durch mangelnde Fahrerfahrung bedingt.

"Es gibt immer noch schwarze Schafe, die drücken Zivis am ersten Tag den Schlüssel in die Hand und sagen: Fahr los", sagt Jens Kreuter. Ohne Schulung dürfe sich keiner mehr ans Steuer setzen. Eine erste Ankündigung im Mai hatte für Unruhe in den Verbänden gesorgt, da danach fast alle Zivis zum Training gemusst hätten. Dienststellen befürchteten hohe Kosten, da die Kurse allein von zertifizierten Anbietern wie etwa dem ADAC veranstaltet werden sollten. Immerhin starten pro Jahr 87.000 Zivildienstleistende, oft im Fahrdienst. Viele Verbände fürchteten zudem ein Chaos, wenn Zivis im Herbst erst zum Kurs müssten. Fahrdienste würden ausgebremst.

Das Bundesamt mahnt zur Ruhe - und präzisiert: Nur Zivis, die mehr als die Hälfte ihrer Zeit hinter dem Steuer sitzen, müssen zum Kurs. Fünf Stunden soll der dauern, schulen dürfen die Verbände auch selbst, sofern sie entsprechende Trainings anbieten. Viele tun das nicht, müssen also doch externe Kurse bezahlen. Es geht um viel Geld, und auch die Anbieter bringen sich in Stellung. Der ADAC empfahl sich unlängst mit Sonderpreisen für die Zivis.

Ein Bulli kann einen Fahranfänger überfordern

Die Betroffenen nehmen den Beschluss in Foren wie zivi-treff.de positiv auf. "Absolut wichtig", findet auch Philipp Kaiser, 20, der beim Malteser Hilfsdienst in Gräfelfing bei München gerade seinen Zivildienst beendet hat, das Training. Er spricht aus Erfahrung: Die Malteser schickten schon vor der Neuregelung alle Zivis für zwei Wochen zum internen Fahrtraining. "Wenn man grad seinen Führerschein hat, kann einen ein Bulli für Rollstuhlfahrer überfordern - auch wenn man das nicht zugeben möchte."

Für mehr Sicherheit wollen Verbände auch mit Aufklebern auf ihrer Flotte sorgen. "Fahrstil okay?" steht darauf und eine 0800-Nummer, die andere Verkehrsteilnehmer anrufen können. "Zivi-Bremse" nennen manche ihn. Wer anruft, landet bei der Buro Assecuranz, dem Verbandsversicherer. Etwa 1000 Meldungen im Jahr würden an die Verbände weitergeleitet, sagt Helmut Zindler, der die Hotline mit betreut. Dabei gehe es um die Sicherheit - aber auch ums Geld: Seit der Einführung der Aufkleber 2001 seien 15 Prozent weniger Schäden gemeldet worden.

Auch Frank Ströder, Fahrdienstleiter beim DRK Westerwald, schätzt den Kleber, wobei er manchmal auch schmunzeln müsse, wie er sagt. Grad eben sei eine Beschwerde über die 0800-Nummer eingegangen, die auch seine Wagen ziert. Ein Zivi sei auf einer gut ausgebauten Straße 70 gefahren, wo 100 erlaubt sei.

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