Süddeutsche Zeitung

Fahrschulsimulator im Selbsttest:"Konzentrier dich beim nächsten Mal!"

Lesezeit: 3 min

Autofahren lernen hieß früher: Fragebögen ausfüllen und so lange das Fahrzeug abwürgen, bis das Gefühl für die Kupplung da war. Heute ersparen einem hochmoderne Fahrschulsimulatoren diese Peinlichkeit. Unser Autor hat es ausprobiert - und war danach froh, schon den Führerschein zu haben.

Von Felix Reek

"Hallo! Heute geht es um Spezialfälle beim Abbiegen. Ich werde dir die einzelnen Schritte nicht mehr vorsagen", begrüßt mich die Computerstimme. Na toll! Ich sitze im Simulator der Fahrschule Larberger in München und hätte mir ein wenig Hilfe gewünscht. Wie in einem richtigen Auto gibt es Pedale für Gas, Kupplung und Bremse. Und natürlich Lenkrad, Blinker und Gangschaltung. Auf drei Bildschirmen sehe ich die Straße vor mir. Eine Kamera zeichnet die Richtung meines Blicks auf, um zu kontrollieren, wo ich im simulierten Straßenverkehr hinschaue. Ich konzentriere mich wieder auf die Stimme aus den Boxen. "Darum noch mal kurz vorweg. Die Reihenfolge lautet: Innenspiegel, Außenspiegel, Blinken, Bremsen und runterschalten, Schulterblick und abbiegen. Brems, drück die Kupplung, starte bitte den Motor und fahr los." Ich bin schon jetzt überfordert.

1996 habe ich den Führerschein gemacht. Mit unzähligen Fragebögen und Lösungsschablonen. Und natürlich im echten Straßenverkehr, in einem Golf III. Darüber hinaus gab mir mein Fahrlehrer gleich noch Tipps fürs Leben. "Das hier ist der fünfte Gang. Der ist dafür da, um der Frau die Hand aufs Knie zu legen." Ich vermute, diesen Witz reißt er noch heute.

Der Fahrtrainer kann alles simulieren

Autofahren hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten nicht nur im Straßenverkehr geändert. Die Ausbildung ist eine ganz andere. Ralf Jakob, der die älteste Fahrschule Münchens betreibt, muss gegen Smartphones um die Aufmerksamkeit seiner Schüler kämpfen. Also gibt es die Fragebögen als Buch, Hörbuch und App. Das Lernkonzept soll sich in den aktiven Bereich verlagern. Das "Sahnehäubchen" darauf, wie er es nennt, ist der Fahrschulsimulator. Er kostet so viel wie ein Kleinwagen und soll die Angst vorm Auto nehmen. Sechs Lektionen kann die Software bereits, weitere sollen folgen. Zwei Updates kommen pro Woche, am Ende soll der Trainer alles simulieren können, von der Fahrt bei Schnee und Eis bis zur vernebelten Sicht mit Alkohol im Blut. Jakob ist sich sicher: "Wer darin seine ersten Stunden absolviert hat, würgt das Auto nicht mehr ab." Selbst seine elfjährige Tochter konnte nach anderthalb Stunden fahren, sagt er.

Das gilt aber offensichtlich nicht, wenn man schon seit 20 Jahren im Besitz eines Führerscheins ist. "Kupplung drücken ... Mach den Blinker aus!", ruft mir der virtuelle Fahrlehrer zu. Ich gehorche. "Motor an, ersten Gang rein, weiter geht's", sagt er geduldig. Ich fahre endlich. Das Gefühl ist ein wenig seltsam. Ralf Jakob gibt zu, dass ihm dabei immer übel wird. Vielen Älteren fehle die Videospielerfahrung der Schüler. Ich gebe mehr Gas. "Vergiss das Hochschalten nicht!" tönt es aus den Boxen. Fahrschüler lernen gleich, spritsparend zu fahren. Der Computer kontrolliert das. Vor 20 Jahren spielte das kaum eine Rolle.

"In der Straße ist es eng. Brems deshalb auf zehn km/h ab und nehme den ersten Gang." Ich tue, wie mir befohlen. Das Ergebnis: eine Vollbremsung und ich verpasse die Kurve. "Ich wollte eigentlich in eine andere Richtung fahren", sagt der Computer. Bestens, der Fahrschulsimulator ist auch noch sarkastisch. "Konzentrier dich beim nächsten Mal", ermahnt er mich. Alle anderen um mich herum lachen. Das wird ja immer besser. In einer echten Fahrstunde soll genau das übrigens nicht passieren, erklärt Jakob. Die Schüler sind allein im Simulator, um Hemmungen abzubauen.

Ich starte erneut. Es geht wieder alles von vorne los. "Kupplung drücken, Motor an, ersten Gang rein und weiter geht's." Und der echte Fahrlehrer fügt hinzu: "Er ist ein sehr geduldiger Fahrlehrer." Das sehe ich anders. "Du hast nicht in den Spiegel geschaut. Und wo war der Schulterblick?", ermahnt mich der Computer.

Zweite Runde, gleiche Kurve: Ich mache eine Vollbremsung, schlittere um die Ecke und niete ein Verkehrsschild um. Das Bremspedal ist sehr gewöhnungsbedürftig und es ist schwer, den Punkt zu erwischen, an dem es wirklich reagiert. Der Kommentar des Simulators: "Nicht die Kurve schneiden!" Das weiß ich selbst, ich stehe mitten auf der Kreuzung. Ralf Jakob bleibt nicht so ruhig. "Da hätte ich schon längt eingegriffen." Und fügt hinzu: "Das wären ein paar Tausend Euro Schaden." Langsam komme ich mir vor wie bei einer Standpauke meines Vaters. Glücklicherweise sitze ich in keinem echten Auto.

Ich habe die Abfahrt verpasst

"Motor an, Kupplung rein, weiter geht's" befiehlt mir der virtuelle Kollege von Ralf Jakob. Schon wieder. Aber langsam geht es besser. Ich gewöhne mich an das ungewöhnliche Gefährt. Also fahre ich zum Spaß über ein paar Bordsteine. Das Lenkrad und der Sitz vibrieren. Dafür habe ich jetzt meine Abfahrt verpasst. Der Fahrsimulator bleibt stumm. Um zur Lektion zurückzukehren, müsste das ganze Programm neu gestartet werden. Stattdessen fahre ich ziellos durch die Gegend. Ich drücke das Gaspedal voll durch. Bei 80 km/h in der Stadt. Das ist zu viel für meinen virtuellen Kritiker: "Ich habe gerade für dich runtergebremst, weil du immer noch zu schnell warst", sagt er vorwurfsvoll. Es reicht. Ich parke den Simulator am Straßenrand. "Kupplung drücken, Gang rein - weiter geht's", fordert er. Nein, ich habe genug für heute. Und bin froh, dass ich den Führerschein schon habe.

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